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Neue Verschlüsse an Flaschen: Muss der Lass-mich-dran-Deckel wirklich sein?


Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Festsitzende Plastikverschlüsse
Ihr macht Menschen unnötig böse


Aktualisiert am 15.02.2024Lesedauer: 1 Min.
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Plastikflasche mit fest verbundenem Deckel-Verschluss: Ab Juli 2024 ist diese Verschlussart eine EU-weite Pflicht. (Quelle: IMAGO/Manuel Geisser/imago-images-bilder)

Deckel auf – und plötzlich lässt er sich nicht mehr abnehmen: Was viele Verbraucher wundert, ist ab Juli EU-weit Pflicht.

Bei einigen Limoflaschen und Milchpackungen ist der Wandel schon vollzogen, ab Sommer betrifft es alle Plastikverschlüsse auf Plastikflaschen: Am 3. Juli 2024 tritt eine EU-Richtlinie in Kraft, die vorschreibt, dass PET-Einwegflaschen und Getränkekartons einen festsitzenden Verschluss haben müssen, sogenannte "Tethered Caps". Hintergrund ist das Reduzieren von Plastikmüll. Lose Deckel werden oft nicht recycelt, sondern als Abfall weggeworfen – schlimmstenfalls nicht einmal in die Tonne, sondern in die Natur.

Plastikmüll landet oft im Meer: 85 Prozent der Meeresabfälle sind Kunststoffe, viel davon lose Verschlüsse. Kunststoffe sind besonders problematisch, weil sie sich nur sehr langsam zersetzen und als Mikroplastik Jahrhunderte in der Natur verbleiben, von Tieren mit Nahrung verwechselt werden und so auch wieder auf menschlichen Tellern landen.

Trotzdem fragen sich viele: Lass-mich-dran-Deckel – sind sie wirklich nötig?

Pro
Simone Rafael

Nicht ärgern: Es ist eine Hilfestellung

Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig über die Lasche Ihrer Getränkedose geärgert? Wann das Gefühl gehabt, dass Sie die Lasche wirklich gern als Müll in der Hand hielten und nicht wüssten, wohin damit? Als ab 1994 die Abreißlasche an Getränkedosen verboten und durch einen Verschluss ersetzt wurde, der an der Dose bleibt, war die gesellschaftliche Empörung groß – heute erinnere ich mich kaum noch daran, dass es je anders war.

Hintergrund war auch in den 1990er-Jahren schon die Müllvermeidung. Insofern ist es fast unangenehm, dass wir uns erst rund dreißig Jahre später Gedanken über Plastikflaschendeckel machen. Natürlich finde auch ich die neuen Deckel gewöhnungsbedürftig, sie kratzen und kleckern, bis wir uns eben daran gewöhnt haben, sie nach dem Öffnen beherzt nach hinten zu knicken, wo sie dann auch verbleiben. Aber hier geht es nicht nur um unseren Komfort.

Auf der anderen Seite stehen Fische, Vögel, Schildkröten, Korallenriffe, die aktuell zwischen rund 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer leben müssen – und viele von ihnen verenden daran. Jede Minute kommt eine Lkw-Ladung Plastikmüll dazu. Die EU warnt, dass 2050 mehr Plastikreste als Fische im Meer schwimmen werden, wenn wir unser Verhalten nicht ändern. Schon jetzt besteht 85 Prozent des Mülls an den Stränden dieser Welt aus Kunststoff. Das ist keine schöne Aussicht.

Vielleicht beschleicht den einen oder anderen trotzdem der Gedanke, ob denn der einzelne, persönliche Colaflaschendeckel das Problem sei? Er wäre es nicht, wenn er auch als loser Deckel recycelt würde. Wer also weiter unbedingt seinen Deckel abreißen möchte: Bitte in die Recyclingtonne damit.

Aber mit der persönlichen Verantwortung ist das so eine Sache: Oft siegt die Bequemlichkeit. Also sollten die festen Deckel eher als Hilfestellung begriffen werden, um auf einfache Weise nachhaltiger zu leben. Und wer sich gar nicht daran gewöhnen kann: Bei Glasflaschen bleiben die Metalldeckel entfernbar. Auch auf diese umzusteigen, ist eine nachhaltige Entscheidung gegen Kunststoffe.

Kontra
Christoph SchwennickeBereichsleiter Exklusiv

Schilda liegt in Brüssel

Das erste Mal vermutete ich einen Produktionsfehler. Der Schraubverschluss an der Milchtüte blieb nach dem Öffnen an einem Fetzen Plastik hängen und machte es zu einer Hakelei, die Milch über das Müsli zu schütten. Bei der nächsten Mineralwasserflasche, bei der auch der Deckel mit dem Rest des Schraubverschlusses verbunden war, schwante mir so langsam: Das ist kein Fehler. Das hat System. Aber erst mal beherzt den Deckel von diesem Plastikfetzen abgerissen – und dabei die halbe Flasche über die Hose gegossen.

Nach dem Trinken kurz gegoogelt und Vermutung bestätigt: Die neuen Schraubverschlüsse an der Kette hat sich die Europäische Union ausgedacht.

Jetzt ist zweierlei wichtig. Erstens: Hier schreibt ein tiefenüberzeugter Europäer. Und zweitens: ein großer Natur- und Tierfreund. Öffi-Fahrer, Nicht-Inlandflieger und Pate eines Herings im Berliner Naturkundemuseum.

Und der sagt euch, liebe Büromenschen in Brüssel: Das ist schlimmer Unsinn und macht die Menschen ohne Not böse auf euch und die EU. Ebenso wie die aus gleichem Grund verbotenen Strohhalme aus Plastik. Seither lutschen wir alle an Makkaroni, wenn wir einen Gin Tonic oder Caipirinha trinken.

Klar: Diese Deckel dürfen nicht im Meer landen. Und nicht im Magen der Karettschildkröte. Aber dann muss man den Müll anders entsorgen. Dafür Sorge tragen, dass er am besten recycelt oder in einer Müllverbrennungsanlage mit der richtigen Abgasanlage hintendran zu Strom und Fernwärme verwandelt wird. Aber doch nicht die Deckel an die Flaschen flanschen! Das ist nur lästig, aber nicht zielführend. Gemessen an Verordnungen wie diesen waren die Schildbürger Großlogiker, als sie das Sonnenlicht mit Körben ins Rathaus schleppen wollten, bei deren Bau sie die Fenster vergessen hatten.

 
 
 
 
 
 
 

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