Frachter-Kollision Keine Hoffnung für vermisste Seeleute
Trotz langer und aufwendiger Suche mit Hubschraubern, Flugzeugen und Schiffen auf der Nordsee gibt es für die nach der Frachter-Kollision vermissten vier Seeleute keine Hoffnung mehr.
Es müsse nun von insgesamt fünf Todesopfern ausgegangen werden, sagte der Leiter des Havariekommandos, Robby Renner, in Cuxhaven. Bereits kurz nach dem Unglück südwestlich von Helgoland wurde ein Mann tot geborgen. In der Nacht zum Mittwoch hatten die Rettungskräfte das Seegebiet ein weiteres Mal ohne Erfolg abgesucht. Unklar ist die Ursache für den Unfall.
"Wir haben es mit vereinten Kräften geschafft, zwei Menschenleben zu retten", sagte Renner und dankte allen Einsatzkräften. Nach der Kollision der Frachter am Dienstagmorgen retteten die Einsatzkräfte zwei Seeleute der insgesamt siebenköpfigen Besatzung des gesunkenen Frachters "Verity" aus der gerade mal 12 Grad kalten Nordsee.
Flugzeuge und Hubschrauber im Einsatz
Die Seenotretter gingen davon aus, dass die übrigen Schiffbrüchigen bei solchen Temperaturen im Wasser nach Erfahrungswerten bis zu 20 Stunden überleben könnten - diese Zeitspanne lief inzwischen ab. Zudem verschlechterten sich die Wetterbedingungen. Dennoch wurde bei Regenschauern und bis zu drei Meter hohen Wellen mit 2 Flugzeugen, 6 Hubschraubern und 25 Schiffen nach den Vermissten gesucht.
Da die Retter es in Betracht zogen, dass die vermissten Seeleute in dem in etwa 30 Meter Tiefe liegenden Wrack der gesunkenen "Verity" eingeschlossen sein könnten, ließen sie am Mittwoch auch einen Tauchroboter hinab - auf der Suche nach einem Lebenszeichen. Zuvor hatten auch schon Taucher einen Versuch unternommen - beides ohne Erfolg. "Das war eine Chance, eine vage Chance, die wir nicht ungenutzt lassen wollten", sagte Renner.
Experten ermitteln Unglücksursache
Noch immer ist nicht klar, warum es zu dem Zusammenstoß in der Deutschen Bucht kam. Bekannt ist, dass das kleinere Küstenmotorschiff "Verity" beladen mit Stahlblechen auf dem Weg von Bremen nach Immingham in Großbritannien war. Der mit 190 Metern Länge größere Frachter "Polesie" fuhr von Hamburg nach La Coruña in Spanien - bis die beiden rund 22 Kilometer südwestlich von Helgoland zusammenstießen. Die "Verity" sank daraufhin schnell. Die "Polesie" erreichte aus eigener Kraft Cuxhaven, begleitet von zwei Schleppern. Den 22 Besatzungsmitgliedern gehe es gut, sagte Renner.
Für die Ermittlungen arbeiten deutsche Experten mit den Ermittlungsbehörden der Flaggenstaaten der beiden Frachter, Bahamas und Großbritannien, zusammen. "Da finden in Kürze Abstimmungen statt, wer macht was", sagte der Leiter der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, Ulf Kaspera.
Die Untersuchungen hätten schon begonnen. So seien etwa erste Verkehrsdaten gesichert worden. Zügig sollten auch die Besatzungsmitglieder der Frachter befragt werden. Auch die Staatsanwaltschaft Hamburg hat Ermittlungen aufgenommen - wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Schiffsverkehrs.
Unfallstelle liegt in Seegebiet, das stark befahren ist
Analysieren wollen die Ermittler auch die Verkehrssituation. Denn der Unfall ereignete sich an einer Stelle, an der sich Schifffahrtsrouten kreuzen. "Wir gucken natürlich nach, welche Vorfahrtsregeln gelten da, haben sich die Schiffe gegebenenfalls anders abgesprochen", sagte Kaspera. Noch könnten dazu keine Angaben gemacht werden. Vor der deutschen Küste verlaufen zwei international wichtige Schifffahrtsrouten - also Autobahnen für den Schiffsverkehr. Das Seegebiet gilt daher als eines der meistbefahrenen Reviere weltweit.
Konkret handelt es sich um das sogenannte Verkehrstrennungsgebiet Terschelling-German Bight (Deutsche Bucht) vor den Ostfriesischen Inseln sowie das weiter nördlich liegende Verkehrstrennungsgebiet German Bight Western Approach (Deutsche Bucht West-Ansteuerung). Querend zu diesen beiden Verkehrstrennungsgebieten verläuft der Schiffsverkehr zu den deutschen Flussrevieren Ems, Jade/Weser und Elbe sowie zu den Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee.
Schiffstechnik soll Unglücke verhindern
International verbindliche Technikstandards an Bord von Schiffen sollen tragische Schiffsunglücke eigentlich verhindern. "Insbesondere Geräte wie der Automatic Radar Plotting Aid (ARPA) und das Automatic Identification System (AIS) unterstützen die Brückenbesatzung und haben die Kollisionsrisiken seit Einführung als Standard deutlich gemindert", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, Martin Kröger, der Deutschen Presse-Agentur. Generell sind Totalverluste von Schiffen nach einer Kollision selten, wie der Industrieversicherer der Allianz berichtet.
Geringe Menge Treibstoff tritt aus
Offen ist noch, wie es mit dem Wrack auf der Nordsee weitergeht. "Es ist nicht auseinandergebrochen", sagte Renner vom Havariekommando. Aber es gebe eine Schadstelle. Bislang seien rund 90 Liter Dieseltreibstoff an die Wasseroberfläche gekommen, trieben aber weder in Richtung Helgoland noch in Richtung Küste. Die "Verity" hat den Angaben zufolge rund 127 Kubikmeter Diesel geladen.
Das Havariekommando arbeitet an einer sogenannten Bergungsverfügung für das Wrack der "Verity". "Das heißt, die Behörden weisen den Eigner, den Besitzer, an, für Abhilfe zu sorgen", sagte Renner. Die Verfügung habe das Ziel, den Austritt von Treibstoff zu stoppen oder das Schiff zu bergen.
- Nachrichtenagentur dpa