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Neonazis zeigen Tom Kaulitz von Tokio Hotel wegen "Hakenkreuz"-Shirt an


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Tokio Hotel-Auftritt
Neonazis zeigen Tom Kaulitz wegen "Hakenkreuz" an


Aktualisiert am 31.07.2018Lesedauer: 3 Min.
Seltsam gemustert: Tom Kaulitz auf der Bühne in dem Hemd, das ihm nun eine Anzeige eingebracht hat.Vergrößern des Bildes
Seltsam gemustert: Tom Kaulitz auf der Bühne in dem Hemd, das ihm nun eine Anzeige eingebracht hat. (Quelle: Screenshot Tokio Hotel/Hinter die Welt)

Ein drei Jahre zurückliegendes Konzert von Tokio Hotel in Übersee beschäftigt einen Staatsanwalt: Tom Kaulitz wurde wegen angeblicher Hakenkreuze angezeigt.

Eine laut Verfassungsschutzbericht "neonazistisch geprägte Kleinpartei" auf absteigendem Ast prangert vermeintliche Hakenkreuze auf einem Shirt an. Rechtsextremisten, die mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen Hakenkreuze kämpfen?

Der Fall liegt anders.

Mehrere Kader der Partei sind wegen Volksverhetzung verurteilt und riskieren bei weiteren Verurteilungen längere Haftstrafen. Das Kalkül ist offenbar, einen Fall möglichst absurd erscheinen zu lassen, um so auch die Verfolgung von Hakenkreuzen bei Neonazis in ein anderes Licht zu rücken.

Die Rechtsextremisten wollen Hakenkreuze mit Tom Kaulitz in Verbindung bringen, der laut Zwillingsbruder Bill schon "fassungslos" über das Erstarken der AfD war und sich als Angela Merkel-Wähler bekannt hat. Um Tom Kaulitz Nähe zu Symbolen das Nationalsozialismus nachzusagen, braucht es also viel Fantasie.

Entscheidung in der kommenden Woche

Deshalb dürfte die Staatsanwaltschaft Magdeburg nach Einschätzung von Juristen zum Schluss kommen, dass sein Hemd bei einem Konzert in Zentralamerika allenfalls ein Fall für die Geschmackspolizei ist. Bisher bestätigt die Staatsanwaltschaft nur den Eingang der Anzeige am 27. Juli. Sie stamme von einer Einzelperson im Namen der Partei. Bis zur kommenden Woche werde über mögliche weitere Schritte entschieden, so ein Sprecher zu t-online.de.

Aber der Reihe nach: Die Bühnenklamotten entwirft meist Bill Kaulitz für die Bandkollegen. Hier geht es aber offenbar um ein Stück des britischen Labels KTZ. Das fragliche Shirt war am 22. Juli für Augenblicke auf "Arte" in der Dokumentation "Tokio Hotel – Hinter die Welt" zu sehen. Tom Kaulitz trug es in Mexiko, wo die Kaulitz-Zwillinge am 1. September 2015 ihren 26. Geburtstag feierten und an drei Tagen hintereinander auf der Bühne standen.

Was bis dahin wohl nicht aufgefallen war, hat Mitglieder der kleinen Neonazi-Partei elektrisiert: "Hakenkreuz"-Alarm! In dem schwarz-weißen Liniendurcheinander auf Kaulitz Schulter lassen sich auch Swastikas entdecken, uralte Glückssymbole, mal mit Haken nach links, mal mit Haken nach rechts.

Die Variante mit Haken nach rechts hat als Hakenkreuz unrühmliche Bekanntheit erlangt und zum Verbot in Deutschland geführt: Wer in einem möglicherweise politischen Kontext etwas nutzt, was nach Hakenkreuz aussieht, riskiert in Deutschland Strafverfolgung – Glückssymbol hin oder her.

Das Muster auf Kaulitz Hemd findet sich im Netz unter dem Namen "Nouveau Maffeo Silver" als Teppichmotiv, es gibt einen Kimono damit und in Bilddatenbanken findet es sich unter dem Namen "Orientalisches Silber-Swastika-Ornament".

Wie schnell unbedachter Umgang zum Problem werden kann, mussten aber schon manche Modemarken feststellen. So gab es bereits 2014 Wirbel um die "Swastika"-Kollektion des extravaganten Labels KTZ. Dieser erreichte Deutschland aber nicht – und kam vielleicht auch bei Kaulitz nicht an. Dem Kaulitz-Management in Los Angeles war der Fall bisher keine Stellungnahme wert.

Oft Aufregung um Mode

Der Modekonzern Zara entschuldigte sich in Deutschland 2010 für kleine grüne Hakenkreuze auf bunten in Indien produzierten Taschen, brachte aber 2014 Kindershirts mit einer Art "Judenstern" heraus. Nicht so offensichtlich war, was Esprit 2006 unterlief. Im 200.000-fach gedruckten Prospekt erinnerte 2016 das Muster auf einem Knopf einer Herrenstrickjacke eine Anwältin an ein Hakenkreuz. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf prüfte ein Ermittlungsverfahren, sah dann aber keinen Anfangsverdacht. Es gab keine Anhaltspunkte, dass verbotene Kennzeichen bewusst und mit Absicht verwendet worden seien.

So dürfte nach Einschätzung vieler Juristen auch der Tokio Hotel-Fall bei der Staatsanwaltschaft ausgehen. Sprecher Thomas Baumgarten sagt nur: "Wenn wir keinen Anfangsverdacht feststellen, dann wird ohne weitere Schritte eingestellt."

Ein Anfangsverdacht wäre eine Überraschung, sagt der Leipziger Anwalt und frühere Grünen-Landesvorstandssprecher Jürgen Kasek. "Hier ist weder das Symbol eindeutig erkennbar, noch gibt es irgendwelche Rückschlüsse oder Anhaltspunkte, dass damit eine positive Bezugnahme einhergeht." Für ihn ist die Anzeige "insgesamt ein relativ plumper Versuch, Öffentlichkeit herzustellen."

Und die Mini-Partei hat nicht mal den Triumph, in diesem Artikel genannt zu werden. Die Mitgliederzahl schrumpft, etliche Landesverbände gibt es nur auf dem Papier, und wo sie in jüngster Zeit zu Wahlen angetreten ist, landete sie unter der Wahrnehmungsschwelle.

Verwendete Quellen
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