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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Was macht uns glücklich? Phänomen "so tödlich wie Alkoholismus"
Wie werden Menschen richtig glücklich? Das versucht eine Studie seit 80 Jahren herauszufinden. Das Ergebnis: Es sind weder Geld noch Gene.
Es ist womöglich die wichtigste Frage, die sich Menschen stellen: Was macht mich glücklich? Gerade heute am Weltglückstag, der jährlich am 20. März stattfindet. Während es bei manchen die Familie oder die Freunde sind, erfreuen sich andere an Reisen, Autos und anderen Hobbys. Doch was davon ist wirklich nachhaltig?
Um das Ganze auch wissenschaftlich zu prüfen, sammeln Forscher der amerikanischen Elite-Universität Harvard Daten zum Glück – und das bereits seit 1938. Zu den Teilnehmern der nach eigenen Angaben am längsten laufenden Studie gehört etwa der frühere US-Präsident John F. Kennedy.
Das Ergebnis der Studie
Geld allein macht nicht glücklich. Ebenso wenig sind gute Gene entscheidend. Der wichtigste Faktor für Glück sind funktionierende Beziehungen. Menschen seien soziale Wesen, deswegen seien Freundschaften, die Familie und die Partnerschaft bedeutend. Vor allem, wenn alle Faktoren gut laufen, erklärt Robert Waldinger, klinischer Professor für Psychiatrie an der Harvard University und Leiter der Studie.
Der Forscher hat die Ergebnisse der Studie in dem Buch "The Good Life" festgehalten. In dem Podcast "The Written Word" seiner Universität sprach er über die Studienergebnisse.
Die überraschende Erkenntnis: Beziehungen hätten einen starken Einfluss auf die Gesundheit. Aber nicht nur das: "Für mich war überraschend, wie stark die Herzlichkeit von Beziehungen vorhersagt, wie lange wir gesund sind, wie lange wir leben und wie glücklich wir sind", sagt Waldinger. "Wir haben unseren Daten anfangs selbst nicht geglaubt", zeigt er sich erstaunt. Zwar sei bekannt, dass der Verstand Einfluss auf den Körper hat. Aber kann er auch Krankheiten verhindern? Andere Studien hätten zu den gleichen Ergebnissen geführt. "Das gibt uns Vertrauen in unsere Studie", sagt er.
Die These: Beziehungen bauen Stress ab
Doch wie lässt sich das erklären? In den zurückliegenden zehn Jahren sei der Einfluss von Beziehungen auf die Gesundheit der Fokus der Studie gewesen. Die These: Beziehungen sind Stresshelfer. "Wenn wir mit einer Herausforderung oder Bedrohung konfrontiert sind, geht der Körper in einen Kampf-oder-Flucht-Modus", erklärt Waldinger. Dann steigen der Herzschlag und der Blutdruck. Ist die Herausforderung vorbei, beruhige sich der Körper wieder. Doch bei chronischem Stress passiere genau das nicht.
Der Weltglückstag
Seit 2012 wird am 20. März der Weltglückstag gefeiert. Das entschied die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Initiator war Bhutan. Das Land misst als bisher einziges Land der Welt den Wohlstand seiner Bürger mit dem "Bruttonationalglück". Außerdem hat Bhutan ein eigenes Glücksministerium. Mehr zu dem Land lesen Sie hier.
Stattdessen führe dieser zu chronischen Entzündungen, erhöhten Werten bei Stresshormonen und zum Zusammenbruch verschiedener Systeme im Körper, so der Wissenschaftler. Hier kommen Beziehungen zum Tragen: "Wenn ich nach Hause gehe und mich mit jemandem über ein Problem unterhalten kann, dann beruhigt sich mein Körper", sagt Waldinger. Bei Einsamkeit oder sozialer Isolierung fehlt dies aber.
Neu sei das Problem der Einsamkeit jedoch nicht, auch wenn sie durch die Corona-Pandemie verstärkt wurde: "Einsamkeit ist vor allem in der westlichen Welt ansteigend, auch in den Jahrzehnten vor der Pandemie."
"Omas Empfehlungen" sind auch wichtig
Sich um sich selbst zu kümmern, sei eine "Form der Selbstfürsorge". Denn "Einsamkeit ist so tödlich wie Rauchen oder Alkoholismus". Dabei gehe es aber nicht darum, möglichst viele Freunde zu sammeln. Viel wichtiger sei es, Freunde zu haben, auf die man sich verlassen könne. "Versuchen Sie, Ihren Beziehungen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Seien Sie proaktiv", empfiehlt Waldinger.
Natürlich spielen auch bekannte Ratschläge eine Rolle: Man solle regelmäßig Sport machen, nicht rauchen, keinen Alkoholmissbrauch betreiben und keine Drogen nehmen. "Das hätte natürlich auch unsere Oma empfehlen können", sagt der Mediziner.
Ohnehin sei es nie zu spät, glücklich zu sein. Einige Studienteilnehmer, von Menschen in ihren Zwanzigern bis hin zu Personen im Rentenalter, hätten an Glück im Alter aber nicht geglaubt. Das sei aber ein Irrglaube. "Menschen, die nie enge Freundschaften hatten, fanden sie dann mit 60 oder 70", so der Studienleiter.
- magazine.hms.harvard.edu: "The Good Life: Lessons from the World’s Longest Scientific Study of Happiness by Robert Waldinger, MD, and Marc Schulz, PhD" (englisch)
- chip.de: "Harvard-Studie zum Glücklichsein: Was ein erfülltes und langes Leben wirklich ausmacht"
- hsph.harvard.edu: "Robert Waldinger, MD" (englisch)
- un.org: "International Day of Happiness 20 March" (englisch)