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1000-Euro-Prämie für Langzeitarbeitslose: Warum sie scheitert


Meinung
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1.000-Euro-Prämie
Wer ist mal wieder der Dumme?

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 15.10.2024Lesedauer: 5 Min.
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Die Koalitionäre haben sich nur noch wenig zu sagen.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Die Koalitionäre haben sich nur noch wenig zu sagen. (Quelle: Sean Gallup/getty-images-bilder)
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Die Ampel hat mal wieder kraftvoll entschieden: Langzeitarbeitslose, die zurück in den Job finden, sollen 1.000 Euro Prämie bekommen. Aber daraus wird nichts. Wegen der AfD. Und wegen der SPD.

Vor zwei Wochen hat das Bundeskabinett den Beschluss gefasst: Langzeitarbeitslose, die eine Beschäftigung aufnehmen und kein Bürgergeld mehr beziehen, bekommen nach einem Jahr einmalig eine Prämie von 1.000 Euro. Als Anreiz, für sich selbst zu sorgen, statt sich vom Staat finanzieren zu lassen. Als Anerkennung, den für viele harten Weg zurück ins Arbeitsleben geschafft zu haben.

Bitte regen Sie sich nicht gleich auf über die "Arsch-hoch-Prämie", wie ein genialer Schlagzeilenmacher bei "Bild" die Anschubprämie der Regierung getauft hat. Die Prämie wird sowieso nicht kommen. Die Vorlage war noch gar nicht im Bundestag angekommen, da machten die Abgeordneten ihrem Unmut schon Luft: Was ist mit denen, für die es selbstverständlich ist, jeden Morgen zur Arbeit zu gehen? Das sind dann mal wieder die Dummen! Ein Unding, hieß es bei der FDP. Nicht erforderlich, tönte es bei den Grünen. Das sei eine Idee von Robert Habeck – so distanzierte sich die SPD.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt. Bei t-online erscheint jeden Dienstag seine Kolumne "Elder Stateman".

Vor allem die Sozialdemokraten schlugen sich in die Büsche, so schnell sie konnten. Fraktionschef Rolf Mützenich setzte "viele Fragezeichen" hinter die Prämie. Geht gar nicht, rief Manuela Schwesig aus Schwerin. Nein, das machen wir nicht, stellte der neue Generalsekretär Matthias Miersch klar. Und der Bundeskanzler? Der hatte die Kabinettssitzung geleitet, in der die Prämie auf den Weg gebracht wurde. Ein paar Tage später sagte er: "Ich persönlich teile die Theorie vieler Leute nicht, dass man jemanden zur Arbeit locken muss, weil ich glaube, wir sind alle zum Arbeiten geboren." Hätte er doch auch gleich sagen können.

Der einzige führende Sozialdemokrat, von dem überhaupt kein Zitat zu dieser Angelegenheit übermittelt wurde, ist Hubertus Heil. Der ist für die Arbeitsmarktpolitik zuständig. Keine Ahnung, hinter welchem Busch sich Heil versteckt hält. Alle zeigen stattdessen mit den Fingern auf Robert Habeck: Der war’s! Habeck wiederum ist einigermaßen fassungslos – alle drei Ampelpartner gemeinsam hätten die Prämie doch im Kabinett beschlossen.

So regiert die Ampel

Ich könnte jetzt diese Kolumne als weiteres Kapitel der Fortsetzungsgeschichte "So regiert die Ampel" schreiben. Aber Sie wissen ja, wie die Ampel regiert: chaotisch, dysfunktional, unberechenbar, panisch.

Stattdessen schlage ich vor, dass wir uns diese Prämie einen Moment lang genauer anschauen. In ihren Genuss kommen sollten also Langzeitarbeitslose, die dauerhaft eine reguläre Beschäftigung aufnehmen. Immerhin fast eine Million Menschen sind in Deutschland langzeitarbeitslos. Warum arbeiten die nicht? Wo doch so viele Firmen Arbeitskräfte suchen: Ingenieure, Pflegekräfte, Handwerker, aber auch ungelernte Kräfte für einfache Jobs.

Wie stellen Sie sich den typischen Langzeitarbeitslosen vor? Ein junger, kräftiger Mann, der mit seinem Taschenrechner am Küchentisch sitzt und zu dem Ergebnis kommt, Arbeit lohnt sich nicht? Bürgergeld plus ein bisschen Schwarzarbeit, das ist für ihn die optimale Kombination? Die Welt ist bunt, und es gibt kaum etwas, das es nicht gibt. Also wird es auch diese Art von Sozialschmarotzern geben. Und andere Arten. Aber typisch sind sie nicht.

Es gibt viele Gründe, arbeitslos zu sein

Typisch für Langzeitarbeitslose ist, dass sie unter Einschränkungen leiden: Manche sind kurz vor der Rente. Andere sind prinzipiell arbeitsfähig, aber nicht wirklich gesund. Die wenigsten haben eine Ausbildung, viele haben schon vieles versucht. Psychische Probleme, soziale Unverträglichkeiten, mangelndes Selbstbewusstsein, die Angst, dem Druck in der Firma nicht standzuhalten: Es gibt viele Gründe, warum Menschen in der Arbeitslosigkeit feststecken.

Gründe, nicht Entschuldigungen. Wer die Schule abgebrochen und keine Lehrstelle bekommen hat, ist kein Opfer der Gesellschaft. Wenn die Kurse und Maßnahmen des Jobcenters allenfalls mal vorübergehend in eine prekäre Beschäftigung münden, dann ist nicht das Jobcenter schuld. Viele Langzeitarbeitslose sind gescheitert – an den Anforderungen der Arbeitswelt, an falschen Freunden und toxischen Beziehungen, an sich selbst. Je länger sie draußen sind, desto schwieriger ist die Rückkehr in den Job. Wer sich mit seinen Kumpels morgens um 11 zum Frühstücksbier an der Tanke trifft, hat kaum Chancen, den Rückweg noch einmal zu schaffen. Weder mit noch ohne Prämie.

Eingerichtet in einem Leben ohne Arbeit

Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Realität. Die Verfechter der Anschubprämie nehmen immerhin zur Kenntnis, dass die Arbeitslosigkeit in vielen Fällen zur Gewohnheit geworden ist. Und dass Druck und Strafe, also der Entzug der Unterstützung, nicht automatisch zu mehr Beschäftigung führt, aber oft zu mehr Verwahrlosung. Anreiz statt Strafe: Wenn das funktionieren würde, wären die 1.000 Euro gut angelegt. 1.000 Euro statt 25.000 Euro, denn so viel kostet ein Langzeitarbeitsloser im Bürgergeld den Staat jährlich.

Die Anschubprämie der Regierung widerspreche aber einem "gesunden Gerechtigkeitsempfinden", findet SPD-Fraktionschef Mützenich. Deshalb könne man sie den Leuten nicht erklären. Eine Gegenfrage: Hat denn irgendjemand versucht, diese Prämie zu erklären? Es gibt ein Video von Robert Habeck dazu, knapp drei Minuten lang. Habeck doziert über die "Transferentzugsrate" und andere komplizierte Sachen, man wird nicht wirklich schlau daraus. Das ist wahrlich kein Höhepunkt der politischen Kommunikation. Der Rest der Ampel hat gar nicht kommuniziert.

Würde diese ominöse Prämie denn etwas bringen? Ich fürchte, nicht viel. Wahrscheinlich würden allenfalls ein paar Tausend Leute die Voraussetzungen erfüllen können. Sie müssten nämlich nicht nur ein Jahr in einer festen Beschäftigung nachweisen, sondern auch einen Job, der ihren Lebensunterhalt komplett abdeckt, ohne Bürgergeld, ohne Wohngeld, ohne alle staatlichen Hilfen. Also, da bin ich skeptisch.

Aber wissen kann ich das so wenig wie Habeck, Scholz und Mützenich. Deshalb diese Idee: Warum probiert man so etwas nicht erst einmal aus, zum Beispiel in einem Bundesland oder in ausgewählten Jobcentern? Nach zwei Jahren gibt es dann Ergebnisse und die Politik kann auf einer belastbaren Datenbasis entscheiden, nicht nur nach Gefühl. Ein Pilotprojekt also. So etwas ist in der Wirtschaft und in der Wissenschaft doch gang und gäbe.

Ein Zeichen von Angst

Dass diese Prämie schon wieder beerdigt wird, bevor auch nur ein einziger Arbeitsloser sie bekommt, ist ein Zeichen der Angst. Angst vor dem Populismus, vor allem vor der AfD. Es ist tatsächlich einfach, dagegen Empörung zu schüren, die Rechten berufen sich auf das gesunde Volksempfinden. Das gesunde Gerechtigkeitsempfinden der SPD läuft aufs Gleiche hinaus. Dass Vertreter der Wissenschaft die Prämie durchaus positiv sehen: geschenkt. Wissenschaft! Elfenbeinturm, kennen wir doch.

Es gab kürzlich schon einen sehr ähnlichen Fall. Erinnern Sie sich noch an die Steuervergünstigung für Fachkräfte aus dem Ausland? Wer nach Deutschland kommt, um in der Arztpraxis zu arbeiten oder Wärmepumpen zu installieren, sollte in den ersten drei Jahren eine Vergünstigung bei der Einkommensteuer bekommen. Das war eine Idee der FDP, im August, kurz vor den Wahlen im Osten. Lauter Protest von Sahra Wagenknecht: "Ein Steuervorteil für Ausländer wäre sozialer Sprengstoff." Die Idee beweise doch nur, dass die Bundesregierung keinerlei Gefühl für die Stimmung im Land habe.

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Es gehört zu den Kernaufgaben des SPD-Generalsekretärs, ein Gefühl für die Stimmung im Land zu haben. Deshalb erklärte Kevin Kühnert den Steuerrabatt umgehend für erledigt. So wie sein Nachfolger Matthias Miersch die Anschubprämie für erledigt erklärte.

Tja, die Politik nach Stimmungslage ist leichter zu erklären als die Prämie für Arbeitslose und die Steuervergünstigung für ausländische Fachkräfte. Man sollte nur dazu sagen, dass dann eben alles beim Alten bleibt: Nicht einmal ein paar Tausend Langzeitarbeitslose schaffen mithilfe der Prämie den Sprung in eine feste Beschäftigung. Und wir werden weiter auf den Termin beim Facharzt oder auf den Besuch des Installateurs warten. Wenn alle warten, dann ist das ja gerecht.

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Wie stehen Sie zur Idee einer Anschubprämie für Langzeitarbeitslose? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Prämie" und begründen Sie.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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