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HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Bitte um Kanzlerwechsel


Meinung
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Wahlen in Ostdeutschland
Näher an der AfD als an der CDU

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 02.09.2024Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240902-911-009390Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht: Näher an der AfD als an der CDU. (Quelle: Christoph Soeder/dpa)

Auf die CDU kommt es an, wie es vor allem in Thüringen weitergeht. Mit dem BSW mag sie sich arrangieren können, aber mit der Linken? Olaf Scholz hingegen verliert zunehmend an Bedeutung.

Zwei Bundesländer haben gewählt und die Bühne wackelt dermaßen, dass man den Drehschwindel bekommen könnte. Wie bitte geht’s hier weiter?

Die Rasanz, mit der das BSW plötzlich in den Kreis der Ehrbaren aufgenommen wird, ist verblüffend. Die Ernüchterung dürfte auf dem Fuß folgen. Sahra Wagenknecht besitzt die destruktive Kraft einer großen Egoistin mit hochfliegenden Ideen. Nimmt man ernst, was sie gestern Abend sagte, stehen demnächst im Koalitionsvertrag mit der CDU Sätze, wonach Deutschland weder Waffen an die Ukraine liefern soll noch amerikanische Mittelstreckenraketen aufstellen darf und ansonsten die Grenzen gegen Einwanderer schließen muss. Wo bleibt Gaza, wo der Weltfrieden?

BSW ist die rechte Partei linker Leute

Das BSW steht der AfD näher als der CDU. Es ist die rechte Partei linker Leute, die sich immer noch für links halten. Salon-Bolschewismus plus Fremdenfeindlichkeit. Im Übrigen versteht sich Sahra Wagenknecht recht gut mit Alice Weidel, die öffentlich wesentlich geschmeidiger auftritt als Björn Höcke, der gestern eine persönliche Transformation von der beleidigten Leberwurst zum Verteidiger der parlamentarischen Demokratie durchlebte. Hat ihm nicht geholfen. Im Grunde ist er eine Belastung für die AfD, weil ihn sein Nimbus als Faschist politisch isoliert.

(Quelle: Privat)

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Die deutsche Demokratie verändert sich gerade. Sie büßt ihren Richtungssinn ein. Das politische System tritt in ein neues Stadium ein, das Italien, Österreich, Frankreich und vor allem die USA schon erreicht haben. Gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft hat es das Liberale, das die deutsche Nachkriegsdemokratie auszeichnet, ziemlich schwer.

Dabei handelt es sich weniger um einen historischen Paradigmenwechsel als um die Überlagerung gravierender Probleme, die nach Lösungen verlangen. Ökologie tritt in den Hintergrund, ohne seine Dringlichkeit zu verlieren. Der Ausbau des Sozialstaats, Stichwort Bürgergeld, ist weit gediehen. Wichtiger erscheint es den Deutschen, den Kontrollverlust wettzumachen, der 2015 eintrat und der durch den Vertrauensverlust in die amtierende Ampel noch verschärft wurde.

Auf Friedrich Merz kommt Kniffliges zu

Politisch gesehen scheint eine Gründerzeit angebrochen zu sein. Wenn seltsame Gebilde wie das BSW aus dem Boden schießen können, sollten sich bald schon Nachahmer finden. Warum nicht aus der FDP eine rechte Partei wie die FPÖ in Österreich oder die SVP in der Schweiz zimmern? Den Versuch gab es vor langer Zeit, als Jürgen Möllemann (erinnert sich noch jemand an den?) umtriebig war.

Auf die CDU kommt es jetzt an. Wenn es einigermaßen gut läuft wie in Sachsen, liegt sie über 30 Prozent. 30 Prozent sind die neue Schallmauer. In Thüringen wird es noch schwieriger, eine Koalition zu bilden, die Stabilität wenigstens als Illusion verspricht. Hier CDU plus SPD plus BSW – dort CDU, BSW plus Linke: Darauf soll Segen liegen?

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Auf Friedrich Merz kommt Kniffliges zu. Die CDU hat ja ein Faible für Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Ein Bannfluch traf zum Beispiel die Linke. Was aber tun in Thüringen? Eine Minderheitsregierung, toleriert von AfD, SPD und Linken? Oder der Not gehorchend, Abrücken vom Beschluss? Und gibt es nicht auch genügend CDU-Mitglieder in Thüringen, die – Brandmauer hin oder – mit der AfD zumindest kooperieren wollen, wenn nicht koalieren?

AfD ist zur Kümmererpartei aufgestiegen

In Thüringen ist die AfD ohnehin eine Macht, besitzt sie doch eine Sperrminorität. Ohne sie wird kein Verfassungsrichter, kein Präsident des Rechnungshofes gewählt werden. Im Parlament fällt ihr als stärkste Fraktion eigentlich der Anspruch zu, den Präsidenten zu stellen. Wie verhält sich dann die CDU? Verwehren können die anderen Parteien ihr außerdem nicht, mehrere Ausschussvorsitzende zu benennen.

Die Geschäftsordnung in demokratischen Institutionen ist ein feiner Machthebel. Als parlamentarische Kraft lässt sich die AfD zumindest in Thüringen nicht mehr ausgrenzen. Sie dringt ins Innere des Systems vor, das sie auf rechts drehen möchte.

Für Ostdeutschland ist die AfD in Nachfolge der Linken zur Kümmererpartei aufgestiegen. Ihre Mitglieder und Sympathisanten sind im vorpolitischen Raum verwurzelt, gehören der Freiwilligen Feuerwehr, dem Schützen- oder Kulturverein an. Die AfD-Strategen haben die Devise ausgegeben, in die Handwerkskammer einzutreten und die Chance als Laienrichter zu nutzen. Wenn sich eine Partei derart weitgehend einnisten kann, bleibt sie ihrem Bundesland auch erhalten.

Exemplarische Wahlen mit exemplarischen Folgen

Exemplarische Wahlen haben exemplarische Folgen. Ab heute dreht sich in Berlin alles um den richtigen Umgang mit Flüchtenden. Was sich die Ampel im Geschwindeschritt einfallen ließ, wird sowohl von innen wie außen zerredet werden. Dafür sorgt schon Markus Söder, der das individuelle Recht auf Asyl abschaffen will.

Wie immer beim bayerischen Ministerpräsidenten verknüpft er die Sache furios mit seinen Ambitionen. Findet er dabei in der CDU Gefolgschaft, kann er Friedrich Merz die Kanzlerschaft noch streitig machen, die ihm eigentlich nicht mehr zu nehmen ist. Momentan ist Söder daran gelegen, die Entscheidung, die noch vor der Brandenburg-Wahl gefällt werden soll, hinauszuzögern.

Der Bundeskanzler nennt die beiden ostdeutschen Wahlen "bitter". Wo er recht hat, hat er recht. Wiederholt sich die Bitterkeit in Brandenburg, wo Olaf Scholz als Wahlkämpfer unerwünscht ist, gibt es mehrere Möglichkeiten: Neuwahlen (nicht einfach) oder Kanzlerwechsel oder weiter so bis zum bitteren Ende.

Dann doch lieber Kanzlerwechsel, oder?

Verwendete Quellen
  • Eigenen Beobachtungen
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