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Hans Modrow: Der Mann, der die DDR nicht retten durfte


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Zum Tod von Hans Modrow
Er konnte nicht fassen, dass Moskau keine Panzer schickte

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 11.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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"Er hat die Zeit der Deutschen Einheit mitgeprägt", sagt Giffey über Modrow. (Quelle: reuters)

Drei Monate lang regierte Hans Modrow sein Land. Mehr Zeit ließen ihm die Bürger nicht, die so schnell wie möglich die DDR loshaben wollten; natürlich auch Helmut Kohl nicht, der ihn für ein Leichtgewicht hielt.

Hans Modrow war ein milder Mann, der Metall in seine Stimme legte, um Missverständnissen vorzubeugen. Diese Gewohnheit hatte er sich zugelegt, weil die beiden Erichs, Honecker und Mielke, ihn ernst nehmen sollten, was sie allerdings nicht taten. Ihnen war der Genosse zu soft, zu unentschlossen, er sollte bleiben, was er war, Bezirksleiter der SED in Dresden, in der Provinz.

Modrows Stunde schlug erst, als die beiden Erichs und der dritte dazu, Egon Krenz nämlich, auf dem Friedhof des Sozialismus gelandet waren. Plötzlich stand der ewige Außenseiter im Zentrum der Ereignisse und versuchte sich als ehrlicher Makler, das muss man ihm zugutehalten, auch wenn er sein Land nicht retten durfte, wie sich alsbald erwies.

Am 19. Dezember 1989 nahm der bundesdeutsche Machtpolitiker Helmut Kohl diesen Modrow in Augenschein und befand ihn ebenfalls als zu weich, zu ideenlos, wie die DDR ökonomisch überleben könnte. Am Abend feierte Kohl dann mit Zehntausenden begeisterter DDR-Bürger die Vorwegnahme der Wiedervereinigung, ein dramatisches Ereignis unter nächtlichem Winterhimmel, das mich schwer beeindruckte.

Die tragische Rolle des Erblassers der Resterampe

Seither war Hans Modrow kaltgestellt. Die Geschichte räumte ihm nur noch die tragische Rolle des Erblassers der Resterampe DDR ein. Von ihm geblieben ist ironischerweise lediglich das "Modrow-Gesetz" vom 1. März 1990, mit dem sämtliche volkseigenen Betriebe und Kombinate in Kapitalgesellschaften übergeführt wurden.

Interessant ist, wie sich Modrows Ruf unter seinen ostdeutschen Landsleuten veränderte. Jahrzehntelang hatte er der SED-Nomenklatura angehört. Die Menschen, die seit Oktober auf die Straße gingen und "Wir sind das Volk" gegen Honecker/Mielke/Wolf/Modrow skandierten, machten keinen Unterschied zwischen den Erichs, Egons und ihm. Die kleinen, feinen Unterschiede fielen erst im Nachhinein ins Gewicht, als sich die Folgen der Transformation zum Kapitalismus in Massenarbeitslosigkeit und sozialer Entwurzelung niederschlugen.

Modrow hatte anderes gewollt, darauf kam es jetzt an. Ein Drei-Phasen-Modell zur Wiedervereinigung hatte ihm vorgeschwebt, gestreckt über viele, viele Jahre. Am Ende dann sollte das neue Gebilde Gesamtdeutschland Neutralität wahren. Denn da sich der Warschauer Pakt aufgelöst hatte, die militärische Organisation des Ostblocks, sollte sich konsequent auch die westliche Nato auflösen, das war die Überlegung, die nicht ganz von der Hand zu weisen war. Außerdem hatte Modrow die Idee aufgegriffen, dass den Bürgern der DDR Anteilsscheine an allen Betrieben und Unternehmen der DDR zustünden, die sie dann verkaufen durften, wenn sie wollten. Dem Volk sollten die volkseigenen Betriebe wenigstens nominell gehören.

Modrow rügte Michail Gorbatschow

Plausible Vorstellungen waren das zu ihrer Zeit. Die Geschichte ging allerdings kaltherzig, wie sie ist, darüber hinweg – in Gestalt der Regierung Kohl/Genscher/Waigel und deren Ausführungsorgan Treuhand. Doch die treibende geschichtliche Kraft waren diese Zehntausenden Demonstranten im Herbst 1989, die unbedingt die DDR loshaben wollten. Sie waren der eminente Beschleuniger, der auch über bedenkenswerte Vorstellungen hinwegfegte.

Noch in seinen letzten Interviews rügte Hans Modrow den Mann, auf den es in diesen geschichtlichen Augenblicken wirklich ankam: Michail Gorbatschow. Im Grunde konnte Modrow es nicht fassen, dass die glorreiche Sowjetunion, die Panzer in die DDR, nach Ungarn und die Tschechoslowakei zur Rettung ihres Nachkriegsimperiums geschickt hatte, so mir nichts, dir nichts weggab, was ohne sie keine Zukunft haben würde.

Modrow wollte noch im Oktober 1989 im alten Geist handeln, das gehört zu seiner Lebensgeschichte. Er entwarf Pläne zur gewaltsamen Unterdrückung der Demonstranten in Dresden. Er ließ Tausende Bürger verhaften, die zum Bahnhof geeilt waren, als die Freiheitszüge aus Prag Dresden passierten.

Das Milde war gepaart mit eisernen Zähnen. Seltsamerweise aber lag der metallene Modrow neben der historischen Spur. Milde in diesem Augenblick wäre taktisch klüger gewesen. Aber gutes Timing gehörte nicht zu seinen Stärken. Das erwies sich auch in einer Episode am 3. Dezember 1989, an die sich die Nachwelt erinnern sollte.

"Wenn wir die Partei retten wollen, brauchen wir Schuldige"

Überliefert hat sie Wolfgang Berghofer, der damals neben Modrow Oberbürgermeister der schönen Stadt Dresden gewesen war und im Westen ebenfalls als Mann mit Zukunft galt. "Genossen, wenn wir die Partei retten wollen, brauchen wir Schuldige", habe Modrow gesagt. "Die Schuldigen sind wir", will Berghofer eingewandt haben, was Modrow nicht beeindruckte: Die Massen müssten schnell einen Verantwortlichen präsentiert bekommen, der Schuldige solle das Ministerium für Staatssicherheit sein.

Stümperhaft, könnte man sagen, mit dem Wissen von heute. Die friedliche Revolution war Anfang Dezember 1989 über solche Vorstellungen längst hinweggegangen. Freundlicher formuliert, dachte Modrow noch immer innerhalb der DDR-Systemlogik, weil er sich ein Europa ohne DDR einfach nicht vorstellen konnte.

Hans Modrow blieb hell und wach und streitbar bis an sein Ende im Alter von 95 Jahren. Sein Land, die sozialistische DDR, konnte er nicht retten, aber das hätte ja auch wirklich niemand vermocht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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