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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Der Zoff zwischen Friedrich Merz und Olaf Scholz schadet Deutschland


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Zoff zwischen Merz und Scholz
Es ist ernst

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

08.02.2024Lesedauer: 4 Min.
Wann verteidigen Olaf Scholz und Friedrich Merz gemeinsam die Demokratie?Vergrößern des Bildes
Wann verteidigen Olaf Scholz und Friedrich Merz gemeinsam die Demokratie? (Quelle: imago images)

Das politische Klima im Land ist aufgeheizt. Die Bedrohung von innen und außen groß. Da gehen sich Kanzler und Oppositionschef mit kümmerlichen Argumenten persönlich an. Scholz und Merz sollten das bleiben lassen.

"Rebel without a Cause" war James Deans vorletzter Film und der, der ihn weltberühmt und unvergessen gemacht hat. Es geht um eine Auseinandersetzung zweier Halbstarker, die sich in der Schlüsselszene eine Mutprobe liefern und dabei in ihren Autos auf eine Klippe zurasen. Jim, gespielt von James Dean, springt kurz vor dem Abgrund aus dem Wagen, Buzz, sein Konkurrent und Widersacher, verhakt sich mit dem Ärmel seiner Jacke und stürzt mit dem Fahrzeug die Klippen hinab und in den Tod.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef und Mitglied der Chefredaktion von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. An dieser Stelle schreibt er jeden Donnerstag seine Kolumne "Einspruch!".

"Denn sie wissen nicht, was sie tun": An das Halbstarken-Epos mit James Dean musste ich denken, als ich vergangene Woche Friedrich Merz und Olaf Scholz im Bundestag beobachtet habe. Beide gingen sich in der Generaldebatte um den Kanzleretat in nie vorher erlebter Aggressivität wechselseitig an. Scholz, der Bundeskanzler, höhnte über die feige Mimose Merz, dessen Feigheit alles übertreffe, was er je erlebt habe. Und Merz, der Oppositionschef, verbat sich von Scholz jede weitere Avance der Zusammenarbeit. "Ersparen Sie sich und uns das!", polterte Merz in den Saal.

Es war ein Tiefpunkt politischer Kultur im Deutschen Bundestag, den Alice Weidel, die AfD-Chefin, noch traurig unterbot, indem sie den Mitgliedern mit einer zur Fratze verzerrten Miene entgegenschmetterte, sie allesamt hassten Deutschland.

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Keine Missverständnisse, bitte: Es soll hart zugehen im Bundestag, dem hohen Haus, der Stube unserer Demokratie. Aber in der Sache und argumentativ unterlegt. Stattdessen wurde es persönlich, es ging, wie es Arthur Schopenhauer meisterhaft in seiner "Eristischen Dialektik" ausgeführt hat, nicht "ad rem", also zur Sache, sondern "ad hominem" beziehungsweise "ad personam". Eine Methode, die man nach Schopenhauer am besten gar nicht einsetzt: Wenn man aber merke, dass der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Diese Vorgehensweise sei beliebt, und sie beherrsche ein jeder, weil man von der Sache nichts wissen muss.

Genialer Griesgram

Obendrein ist sie schäbig, darf man den genialen Griesgram Schopenhauer ergänzen. Und hochgefährlich ist sie in der jetzigen Lage auch.

Denn Scholz und Merz, die sich leider, wie es aussieht, wirklich nicht ausstehen können, haben gezankt über die Frage, wer schuld daran war, dass der Deutschland-Pakt beziehungsweise der Migrationspakt (gemeint war in etwa das Gleiche) zwischen Ampel-Regierung und der oppositionellen Union nicht zustande kam. Das letzte bisschen dünnes Tuch, das da noch existierte, haben die beiden im Bundestag verantwortungslos öffentlich zerrissen – beide jeweils an einer Seite zerrend wie Halbstarke und sich die Schuld am Riss gebend.

Dabei stehen sie beide gemeinsam vor einer Situation, in der es ganz bald geboten sein kann, dass sie sich in einer wie auch immer formalisierten Koalition wiederfinden. Nicht nur zur Migration, sondern einem inneren Gegner und einem äußeren Gegner gegenüberstehend, dem sie beide jeweils nur gemeinsam erfolgreich etwas entgegensetzen können.

Der "enemy within", der innere Feind, wie die Eiserne Lady Britanniens, Margret Thatcher, einmal polemischerweise die Gewerkschaften nannte, hatte beiden in Gestalt der Alice Weidel schon an jenem denkwürdigen Mittwoch im Plenum gezeigt, wo der gemeinsame Feind steht.

Es ist schlimm genug, dass eine Rede wie jene Weidels inzwischen wieder durch den Saal eines deutschen Parlaments hallt. Es könnte aber schlimmer kommen. In Brandenburg, Thüringen und Sachsen stehen dieses Jahr Wahlen an, bei denen die inzwischen unverhohlen völkisch-rechtsextreme AfD die Macht ergreifen könnte. Nur wenn alle demokratischen Parteien dagegen gemeinsam vorgehen, ist dieses furchtbare Szenario abzuwenden.

Sigmar Gabriel hat recht

Also sollten sich Scholz und Merz doch klarmachen, dass sie schon nächste Woche wieder in diesem Ziel vereint sein werden, vereint sein müssen. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte völlig recht, als er sich (zum Ärger vieler seiner Parteifreunde) für den CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer eingesetzt hat: weil der im Unterschied zur prekären Sachsen-SPD als einziger eine Chance hat, dafür zu sorgen, dass das schlammbraune Wasser in Dresden nicht bis in die Staatskanzlei schwappt.

In Karlsruhe türmen doch Ampel und Union auch schon gemeinsam die Sandsäcke vor dem Bundesverfassungsgericht: auf dass die Hüterin der Verfassung geschützt sei vor den Zugriffen von Nationalpopulisten wie in Polen oder Ungarn oder sogar den USA. Um das Grundgesetz zu ändern und das Bundesverfassungsgericht AfD-fest zu machen, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also genau dort, wo sich Merz und Scholz so argumentationsarm an den Hals gegangen sind.

Und dann ist da noch der äußere Gegner. Wladimir Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, seine drohenden Worte darüber hinaus und die etwaige Abkehr von Europa durch einen US-Präsidenten Donald Trump setzen Deutschland als Schlüsselland in der Europäischen Union enorm unter Druck. Zeitlich, finanziell, materiell, politisch etwas aus dem kargen Boden zu stampfen, das einem Aggressor Putin etwas entgegenzusetzen hätte.

Eine Art Notkoalition

Pointiert gesagt kann sich Friedrich Merz schon ganz schnell vor die Frage gestellt sehen, der Ampel in einer Art Kriegskoalition beizutreten. Das Bundeswehr-Sondervermögen mit den 100 Milliarden ist schon ein Vorbote davon.

Die Zeiten sind nicht danach, dass die zwei wichtigsten politischen Akteure dieses Landes ihre Mütchen persönlich aneinander kühlen. Deshalb, Herr Bundeskanzler und Herr Oppositionschef, kommen Sie beide bitte wieder zur Besinnung.

Oder, um es im James-Dean-Jargon zu sagen: Reißt euch zusammen. Kriegt euch wieder ein, Jungs. Diese Demokratie braucht euch jetzt. Beide. Bitte nehmt diese Verantwortung an. Und ernst. Es ist ernst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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