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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Künstliche Intelligenz mit ChatGPT und Co.: Sie wollen gefesselt werden


Meinung
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Technologie-Riesen warnen
Das gab es noch nie in der Geschichte der Menschheit

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 05.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Zukunftsvision eines KI-gesteuerten Roboters (Symbolbild): Droht die Gefahr, dass Künstliche Intelligenz die Weltherrschaft übernimmt? (Quelle: Mithilfe von künstlicher Intelligenz erstelltes Bild/Wirestock/imago-images-bilder)
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Künstliche Intelligenz gefährdet zum ersten Mal die Kontrolle der Menschen über die Maschine. Die Chefs der Digitalriesen flehen darum, von der Politik eingehegt zu werden. Zu Recht.

Vergangene Woche gab der globale Herrscher über die digitale Welt der analogen Sphäre ein Interview. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sprach Google-Chef Sundar Pichai auf einer ganzen Seite über die Folgen der Künstlichen Intelligenz. Für sein Unternehmen, für die Welt, für die Menschheit.

Nicht zum ersten Mal, aber so eindringlich wie selten zuvor bat der erste Mann des derzeitigen Marktbeherrschers, in Fesseln gelegt zu werden. "Künstliche Intelligenz ist zu wichtig, um sie nicht zu regulieren", postulierte Pichai. Man könnte auch sagen: zu gefährlich.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit droht eine menschengemachte Technologie ihrem Schöpfer zu entgleiten. Die Macht über ihn zu erringen. Bisher gab es gefährliche Technologien, Atomenergie etwa. Aber keine, die imstande war oder ist, dem Menschen die Hegemonie, die Kontrolle zu entreißen, ihm den Ausschaltknopf aus der Hand zu nehmen.

Hat Pichai einfach nur Sorge, dass ihm die nächste grundstürzende Revolution im Digitalen das Monopol seines Unternehmens entreißt, Google untergeht wie seinerzeit Kodak oder Nokia, weil etwas ganz Neues kam? Und schreit deshalb nach Rettung vor dem Monster, das ihn fressen wird?

Google mit besten Chancen

Nein. Eine aktuelle Studie der Investmentbank Morgan Stanley bescheinigt Google die besten Aussichten, wie in der Welt der Suchmaschinen auch bei der Künstlichen Intelligenz die Nase nach vorn zu bekommen. Das Unternehmen, das in allen Kategorien bei den Morgan-Stanley-Analysten am meisten punktet, heißt Google.

Der Branchengigant kann sich in den Kategorien Daten und Hardware mit seinen rund drei Milliarden Nutzern sowie über 2,6 Milliarden Android- und anderen Geräten deutlich von der Konkurrenz absetzen. In zahlreichen Bereichen ist Google weltweit führend, so etwa mit YouTube, Google Maps oder Gmail. Zusätzlich verfügt Google dank seiner KI-Entwickler-Tools über ein großes Partner- und Entwickler-Netzwerk, auf dem das Unternehmen weiter aufbauen kann.

Nur eine Seite vor dem Interview findet sich in der gleichen Ausgabe der "FAZ" eine weitere Schlagzeile zum Thema. "Sam Altman vergleicht Risiken Künstlicher Intelligenz mit Atomkriegen". Eine Gruppe von namhaften Unternehmern und Wissenschaftlern in den USA stößt da die gleiche flehende Bitte aus wie Pichai: Kontrolliert uns! Legt uns in Fesseln! Fallt uns in den Arm!

Sam Altman, muss man dazu wissen, ist der Chef von Open AI, jenem Unternehmen, das ChatGPT an den Markt gebracht hat. Das Programm hat weltweit Furore gemacht und das Thema ganz nach oben auf die Tagesordnung gesetzt. Weil jeder und jede selbst ausprobieren und staunen kann, was dieses Programm sogar in diesem frühen Stadium schon zu leisten imstande ist.

Das Neuland ist noch nicht eingezäunt

Das hat es noch nie gegeben. Dass Unternehmer darum bitten, reguliert zu werden. Sonst fordern sie mantraartig, von den Fesseln der Regulierung befreit zu werden, um endlich richtig loslegen zu können. Nicht einmal die Entwickler des "Manhattan Project" stießen solche Warnungen aus, sondern tüftelten still und leise in Los Alamos an der Technologie, die kurze Zeit später Hiroshima und Nagasaki nuklear verheerte.

Das real existierende Neuland Internet Angela Merkels ist noch nicht eingezäunt, da stellt KI die Politik vor die nächste riesenhafte Aufgabe. Für den europäischen Raum sehen der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA) vor, Wild West im digitalen Raum zu beenden, fairen Markt einzuführen und die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.

Das Internet existiert inzwischen seit vielen Jahrzehnten, etwas später kamen die dominanten und mit ihren Algorithmen über Wohl und Wehe anderer Unternehmen entscheidenden Suchmaschinen dazu. DMA und DSA wollen das ins Visier nehmen. Da enteilt das Neuland mit KI schon wieder in Riesenschritten. Politik und ihre Gesetze vollziehen sich weiter analog-linear. Die digitale Welt aber entwickelt sich exponentiell. Gegen diese Asymmetrie der Geschwindigkeiten war bislang kein Ankommen.

Sie warnen vor sich selbst

Es muss jetzt gelingen. Die Schwierigkeit besteht dabei nicht nur in der ungleichen Verteilung von Wissen. Pichai und Altman und auch Elon Musk warnen deshalb vor sich selbst, weil sie viel mehr wissen als die politisch Agierenden. Sie besteht auch darin, dass der Mensch die unselige Eigenschaft hat, die Gefahr von etwas Großem erst dann zu sehen, wenn es unübersehbar ist – und für das Gegensteuern zu spät. Das war beim Klima so, das wäre beinahe bei Corona so gewesen. Bei KI darf das definitiv nicht passieren.

Die Maschine darf nicht die Kontrolle über den Menschen bekommen. Sie muss ihm dienen. Ob als Roboter oder als künstliches Gehirn. Am Ende in einer Kombination aus beidem. Sonst wird die Dystopie von "Westworld" in ganz großem und verheerendem Maßstab Wirklichkeit. In dem Filmklassiker mit Yul Brynner von 1974 entwickeln Cowboy-Roboter in einem Freizeitpark ein Eigenleben, lassen sich nicht mehr von Besuchern zu deren Spaß abknallen, sondern erschießen die Besucher real ihrerseits, bevor die überhaupt den Revolver gezogen haben.

Damit die Maschine nicht wie in "Westworld" die Oberhand über den Menschen bekommt, muss die Politik schnell handeln – und hat zu wenig Ahnung von der Sache. Die Schöpfer schreien um Hilfe und stoßen auf Ahnungslosigkeit.

Vorschlag: Vielleicht sollte man Pichai und Co. an einen Runden Tisch holen. In diesem Fall doch einmal die Frösche fragen, wie man den Sumpf trockenlegt.

Wenn die Frösche schon zum ersten Mal ausdrücklich selbst darum bitten.

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