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Lützerath | Polizei äußert sich zur geplanten Räumung im Kohledorf


Besetztes Dorf Lützerath
Polizeichef warnt vor "hochgefährlichem" Szenario

Von dpa, t-online, ne

Aktualisiert am 09.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Proteste: Klimaaktivisten wollen einen weiteren Kohleabbau verhindern, um Lützerath zu schützen. (Quelle: t-online)
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Ab Mittwoch ist jederzeit mit dem Beginn der Räumung von Lützerath zu rechnen. Jetzt nennt die Aachener Polizei Details zu ihrem geplanten Einsatz.

Die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfs Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier soll nach Polizeiangaben frühestens ab Mittwoch erfolgen. Das sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach am Montag vor Journalisten. Rechtlich sei eine Räumung ab Dienstag möglich, es werde aber eine für denselben Tag angesetzte Informationsveranstaltung abgewartet. Es sei dann "ab übermorgen oder an den darauffolgenden Tagen" mit dem Beginn der Räumung zu rechnen.

Die Polizei stehe vor einem "schwierigen, herausfordernden Einsatz mit erheblichen Risiken", sagte Weinspach bei einer Pressekonferenz zu der bevorstehenden Räumung weiter. Das Dorf Lützerath bei Aachen soll der Erweiterung eines großen Tagesbaus weichen. Klimaaktivistinnen und -aktivisten protestieren gegen den Abriss.

Der hauptverantwortliche Einsatzleiter Wilhelm Sauer warnte in der Pressekonferenz, es sei möglich, dass der Tagebau selbst, große Geräte, Kohlekraftwerke, Kohlebunker oder Transportwege besetzt würden. Eine Besetzung solcher Großgeräte wäre "hochgefährlich", ebenso wie das Graben am Tagebau selbst. Die Kante sei nicht befestigt und es bestehe eine Absturzhöhe von 30 bis 40 Metern.

Polizei: Besetzung von Großgeräten wäre "hochgefährlich"

Sauer sagte weiter, in dem mittlerweile nicht mehr bewohnten Dorf seien Gebäude besetzt und Wohnstrukturen wie etwa Baumhäuser errichtet worden, außerdem "Widerstandsstrukturen" wie Gräben, Löcher und Barrikaden. Er betonte, dass "friedliche, demokratische Protestformen" der Polizei "mehr als willkommen" seien und von dieser beschützt und begleitet würden.

Steinkatapulte, Steinschleudern oder das Werfen von Steinen und Feuerwerk überschritten aber "deutlich die Grenze jedes hinnehmbaren Szenarios". Die Polizei stelle sich sowohl auf friedliche Demonstrationen als auch auf gewalttätige Proteste ein. Eine besondere Herausforderung für die Polizei bestehe in den besetzten Gebäuden: "Wir wissen nicht, ob irgendwelche Fallen aufgebaut sind", sagt der Einsatzleiter.

Informationsveranstaltung am Dienstag geplant

Am Dienstag bietet die Polizei in Erkelenz nahe Lützerath eine Informationsveranstaltung für alle Interessierten an. Sauer sagte, der einzige Maßstab des Handelns der Polizei sei "unser gesetzlicher Auftrag". Als Einsatzleiter sei er bereit dazu, "Zurückhaltung bis zum äußerst Machbaren zu üben". Die Polizei dürfe aber nicht zur "wehrlosen Zielscheibe von roher Gewalt" werden.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte im ZDF-"Morgenmagazin", er hoffe nicht, dass hinterher wieder die Debatte aufkomme, ob die Polizei das habe tun müssen. Es bleibe "keine andere Wahl".

Wie viele Polizisten bei der Räumung des Kohledorfes im Einsatz sein werden, ließen der Polizeipräsident und der Einsatzleiter offen. "Sonst wird diese Zahl sofort bewertet", sagte Sauer – und dazu würden die Grundlagen fehlen. Er räumte aber ein, dass Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern anreisen. Am Sonntag hatte der "Spiegel" unter Berufung auf interne Polizeiberichte entsprechende Pläne enthüllt – t-online hatte berichtet.

Mangelnde Transparenz befürchtet

Im Rahmen der Pressekonferenz äußerten zudem mehrere Journalisten Bedenken, dass eine uneingeschränkte Berichterstattung über die Räumung nicht möglich sei. Die Polizei sieht vor, dass bestimmte Bereiche des Einsatzgebietes für Medienschaffende nur in Begleitung von Einsatzkräften betreten werden dürfen. Während ein Sprecher der Polizei auf Sicherheitsgründe verweist, sehen sich einige Journalisten damit in ihrer Pressefreiheit eingeschränkt.

Auch die Aktivisten hatten zuvor Kritik am Vorgehen der Polizei geübt. Etwa sei ein Reisebus, der von Hamburg nach Lützerath unterwegs war, am frühen Sonntagmorgen von der Hamburger Polizei gestoppt worden. Die etwa 50 Passagiere seien überprüft und Sekundenkleber sei beschlagnahmt worden, mit drei Stunden Verspätung sei der Bus schließlich losgefahren. An Bord war offenbar auch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die der Polizei via Twitter prompt eine "Kriminalisierung einer klimabewegten Zivilgesellschaft" vorwarf. Was Neubauer am Sonntag außerdem sagte, lesen Sie hier.

Grünen-Politikerin hofft auf Einlenken von RWE

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger aus Mönchengladbach befürchtet, dass es bei der Räumung viele Verletzte geben könnte. Die Proteste seien demokratisch legitim – es sei wichtig, dass nicht noch mehr Kohle abgebaut werde, sagte sie im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Ihre Hoffnung sei, "dass der Kohlekonzern RWE, der hier für dies alles verantwortlich ist, noch ein Einsehen hat, sich noch einmal an den Tisch begibt, dass wir noch mal miteinander reden".

In Keyenberg bei Lützerath eröffnete ein Bündnis verschiedener Klimaschutzgruppen derweil ein Camp, das Anlaufstelle für alle sein soll, die den Protest unterstützen möchten. Dort sollten Workshops, Vorträge und Bildungsangebote stattfinden, kündigte das Bündnis an. Sprecherin Charly Dietz von der Gruppe "Ende Gelände" erklärte: "Wer denkt, mit Zäunen und einem Großaufgebot der Polizei den Protest gegen den Kohletagebau unterbinden zu können, hat die Klimagerechtigkeitsbewegung massiv unterschätzt."

Bündnis: Räumung wäre "fatales Signal für Klimaschutz"

Ein weiteres Bündnis verschiedener Organisationen, darunter die Europäische Energiewende Community und die deutsche Sektion der Gruppe Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, forderte am Montag, die Zerstörung von Lützerath zu stoppen. Die Räumung wäre ein "fatales Signal für den Klimaschutz", hieß es – "in einer Zeit, in der durch die Erderhitzung bereits die Fortexistenz der menschlichen Zivilisation auf dem Spiel steht".

Aktivistinnen und Aktivisten verschanzen sich seit Längerem in Lützerath, zahlreiche zusätzliche Protestierende kamen in den vergangenen Tagen in den Ort. Nach einem zunächst friedlich verlaufenen Dorfspaziergang und einem Konzert wurden Polizisten am Sonntag mit Steinen beworfen.

Verwendete Quellen
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