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Clankrieg in Brandenburg: Wie eine Mordserie eine Kleinstadt erschütterte


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Clankrieg in Brandenburg
Wie eine europaweite Mordserie eine deutsche Kleinstadt erschütterte


Aktualisiert am 04.10.2020Lesedauer: 4 Min.
Blick auf Forst in Brandenburg: Nicht weit von dem alten Wasserturm geschah ein Doppelmord. Er ist Teil eines Kriegs zweier Clans.Vergrößern des Bildes
Blick auf Forst in Brandenburg: Nicht weit von dem alten Wasserturm geschah ein Doppelmord. Er ist Teil eines Kriegs zweier Clans. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die Blutspur zieht sich durch ganz Europa. Seit Jahren kämpfen zwei Clans aus einem Dorf am Mittelmeer um die Vorherrschaft im Kokaingeschäft. Spuren führen bis zum serbischen Regierungschef.

"Nichts", aber auch "wirklich nichts", will der zuständige Oberstaatsanwalt sagen. Zu den näheren Umständen eines Doppelmordes im beschaulichen Forst in der Lausitz soll bloß nichts bekannt werden. Zumindest, wenn es nach der Cottbusser Behörde geht. Ermittlungstaktische Gründe.

Daran hat sich nichts geändert, seit vor über einem Jahr zwei tote Männer mit Schusswunden in einem Haus an der dortigen Amtsstraße gefunden wurden, nicht weit entfernt vom alten Wasserturm, der das Stadtbild prägt. Vier Tage lang sicherte die Polizei die Spuren. Das "deutsche Manchester", das auf seine lange Tradition als Textilstadt stolz ist, war in ungewohntem Aufruhr.

"Damit müssen wir vorsichtig sein"

Ja, Waffen habe man gefunden, ließ die Behörde damals verlauten. Und ja, eine Cannabis-Plantage auch. Doch mehr Gerüchte wollten die Ermittler nicht bestätigen. Immerhin: Ein helles Fahrzeug werde gesucht, neueren Typs, besetzt mit mehreren Personen. Mögliche Fluchtrichtung: Berlin oder Cottbus. Ob es gefunden wurde? Bis heute ist das nicht bekannt. Einen Satz lässt sich der Sprecher nun viele Monate später aber doch noch entlocken: "Bei so internationalen Sachen müssen wir vorsichtig sein."

Er verrät damit kein Geheimnis. Bereits Stunden nach dem Fund der Leichen gab es unzählige Spekulationen. Medienberichte aus dem Ausland fanden auch den Weg in die deutsche Presse. "Mafiamorde" hieß in den Zeitungen das, was die Staatsanwaltschaft "Tötungsverbrechen" nannte. Die Spuren führten vom brandenburgischen Forst auf den Balkan – und zu einer Mordserie, die noch immer ganz Europa erschüttert.

Weltkultur und Drogenkrieg

Im Zentrum steht eine kleine Stadt an der Mittelmeerküste, im Land der schwarzen Berge. Knapp 1.600 Kilometer Autobahn trennen den kleinen Touristenort in Montenegro von der deutschen Stadt an der Grenze zu Polen. Kotor ist noch viel kleiner als Forst in der Lausitz. Nur mit allen umgebenden Gemeinden hat das Örtchen ein paar tausend Einwohner mehr. Berühmt ist es für sein Weltkulturerbe, seine Geschichte als Handelsstadt und auch für all die Besucher, die in jedem Sommer in die Stadt, die Bucht und die Bergketten kommen.

Weniger bekannt sind die beiden Clans der Kleinstadt: Kavač und Škaljari. Sie stiegen einst gemeinsam ins globale und milliardenschwere Kokaingeschäft ein – und überziehen sich nun mit einer blutigen Fehde. "Ich werde niemals verstehen können, wie es der internationalen Gemeinschaft möglich ist, nicht auf diese kriminellen Aktivitäten zu reagieren", zitiert das "Organized Crime and Corruption Reporting Project" den ehemaligen Gemeindepräsidenten. "Jeder wusste davon."

Mehr als 41 Menschen, auch Unbeteiligte, starben laut Recherchen des Journalistenbüros bislang in dem Krieg um Drogen, Geld und Einfluss. In den Niederlanden und Österreich, in Montenegro, Serbien und Griechenland, in Deutschland, Spanien und Bosnien-Herzegowina. Die beiden Toten in der Lausitz, die dem Škaljari-Clan zugerechnet werden, waren nicht die letzten.

Mindestens fünf Opfer seit Januar

Immer wieder berichtet vor allem das serbische Investigativ-Projekt "Krik" über die Morde: Im Januar erschossen Unbekannte demnach zwei Rädelsführer der Škaljari in einem Restaurant in Athen, wo sie mit ihren Familien zu Mittag aßen. Der mutmaßliche Anführer des Kavač-Clans überlebte im Mai einen Anschlag in der Ukraine nur knapp. Im Juli dann starben zwei Škaljari-Verbündete durch Schüsse bei einem Hinterhalt auf Korfu. Auch Deutschland erreichte die Mordserie erneut – in Form eines Patienten, der Hannover tagelang in den Ausnahmezustand versetzte.

Es sind nur die jüngsten Opfer des brutalen Machtkampfes, der Berichten zufolge seinen Ausgang vor sechs Jahren im spanischen Valencia nahm. Dort, so heißt es, sei eine Auseinandersetzung über eine Lieferung von 200 Kilogramm Kokain in Gewalt eskaliert. Seitdem sind die einstigen Verbündeten tief gespalten – und Geschäftsinteressen vermischen sich mit persönlichen Motiven.

Rache und Signal

"Da die Clans dazu tendieren, hauptsächlich Familie und Freunde zu rekrutieren – und da Väter, Brüder und Cousins getötet wurden – sitzt der Wunsch nach Rache tief", schreibt Politikberater Walter Kemp in einer Expertise. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der organisierten Kriminalität in Südosteuropa, zunächst für die Staatenkonferenz OSZE, später für die Vereinten Nationen. Neben der Blutrache habe die Gewalt strategische Bedeutung: Sie sei ein Signal nicht nur an die Konkurrenz – sondern auch an staatliche Autoritäten.

Denn tatsächlich spielen in den Berichten auch immer wieder Bezüge der Clans zu Politikern und Polizei eine Rolle. Das Bindeglied: organisierte Hooligan-Gruppen der Belgrader Fußballclubs. Sie übernehmen demnach den Straßenverkauf der Drogen und verschaffen den Clans personelle Schlagkraft.

Die Spur zum Staatschef

Der Kavač-Clan, so heißt es, habe sich mit den Ultras von Partizan Belgrad verbündet – und die wiederum gelten seit vielen Jahren als Verbündete des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić. "Fußball-Hooligans wurden genutzt, um Schutz für politische Führer zu stellen", schreibt Kemp zur Situation. "Im Gegenzug werden ihnen die Zügel für kriminelle Aktivitäten locker gelassen."

Und für den Kavač-Clan scheint sich die Verbindung in die Politik auszuzahlen. Zwar hat der serbische Staatschef der organisierten Kriminalität schon vor Jahren den Krieg erklärt – genau einen Tag nachdem ein einflussreicher Hooligan erschossen wurde. Verfolgt werden allerdings laut Berichten hauptsächlich Mitglieder des Škaljari-Clans. Auch deswegen setzten sie sich vermutlich zunehmend ins europäische Ausland ab. Wo sie dann von Killern aufgespürt wurden.

Verwendete Quellen
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