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Von der Leyen setzt Orbán matt: EU-Präsidentschaft faktisch stillgelegt


Von der Leyen kontert Ungarns Ministerpräsident
Orbáns Freundin macht Schluss


16.07.2024Lesedauer: 3 Min.
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Küss' die Hand, gnä' Frau: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zu besseren Zeiten. (Quelle: IMAGO/JONAS ROOSENS/imago)

Die Europäische Union und ihre Kommissionspräsidentin legen die lose Kanone Viktor Orbán an die Kette. Für den Moment: Gut so. Aber das Problem ist damit nicht gelöst und bleibt bis mindestens Frühjahr 2026.

Wer sich fragt, ob Viktor Orbán jemals in eine Art europäischen Liebestaumel verfallen ist, dem kann geholfen werden: Als seinerzeit nach langen Mühen und Qualen die vormalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Überraschungskandidatin auf dem Parkett erschien, da war die Deutsche unter all den Blumen fast nicht mehr zu sehen, die ihr Orbán von Budapest aus zuwarf.

Lange her. Und längst vergessen. Die Liebe ist erkaltet, und mehr noch: in einen offenen Rosenkrieg mutiert. Nachdem der ungarische Ministerpräsident seine rotierende Ratspräsidentschaft als Freibrief begriffen hatte, im Alleingang Weltpolitik auf dem EU-Ticket zu machen, hat die amtierende Kommissionspräsidentin einen Handkantenschlag vorbereitet und dann durchgeführt: Niemand wird sich auf ministerieller Ebene für die Dauer des ungarischen Vorsitzes im EU-Rat versammeln. Es wird so laufen: Ungarn lädt ein, und die Länder schicken Spitzenbeamte ohne jede Prokura. Damit ist Orbáns EU-Ratspräsidentschaft verödet wie eine Krampfader am Bein.

Der Vorgang ist ebenso unerhört wie zweischneidig. Vergleichbares fällt einem allenfalls ein, als seinerzeit im Jahre 2000 ein FPÖ-mitregiertes Österreich sich in der Gemeinschaft wiederfand. Die EU beschloss damals (maßgeblich betrieben von der deutschen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder), die bilateralen diplomatischen Beziehungen zu Österreich auf das absolute Minimum zu reduzieren. Das bedeutete:

Keine bilateralen Besuche auf höchster Ebene (Präsidenten, Premierminister, Minister). Keine Unterstützung österreichischer Kandidaten für internationale Positionen. Einschränkungen bei der Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene in internationalen Organisationen.

Der Egotrip – zielsicher ins Abseits

Was die ehemalige Lieblings-Kommissionspräsidentin Viktor Orbán nun angedeihen lässt, geht weit darüber hinaus und ist eine Lehrstunde in europäischer Demokratie. Die EU, so der Hinweis nach Budapest, ist keine Erbmonarchie oder -autokratie, in der jedes Mitglied für sechs Monate das als Politik vorgibt, was es für richtig hält. Im Falle von Orbán ein nicht abgestimmtes Treffen mit dem Kriegsherrn Wladimir Putin in Moskau und dem China-Autokraten Xi in Peking – als Ratspräsident wohlgemerkt.

Da konnte einem schon mal das Frühstücksbrot im Munde stecken bleiben bei den Morgennachrichten, wie zum Beispiel Bundeskanzler Olaf Scholz sogleich mit der trockenen Bemerkung bestätigte, dass er von dieser Reise nichts wusste. Orbáns Trip (mit einer Zwischenlandung vorher in der Ukraine) war ein derartiges No-Go, dass die gesamte versammelte Europäische Union im übrigen erst mal sprachlos war und blieb – bis "vdL", so von der Leyens Spitzname, mit dieser Sanktion angemessen im Namen der Mehrheit reagierte.

So nicht, Freundchen: Der Schritt ist notwendig und richtig. Eine langfristige Lösung ist er nicht. Die wäre nur da, wenn die Regularien im Falle eines solchen Regelverstoßes es hergäben, ein Land wegen Fehlverhaltens aus der Union auszuschließen. Eben das sieht der Sanktionskatalog der Gemeinschaft aber nicht vor. Was dazu führt, dass sich Orbán so aufführt, wie er sich aufführt. In Wahrheit hat er die europäische Idee in ihrem Kern nie verstanden oder verstehen wollen. Die EU, das war für ihn immer eine riesengroße Kasse, aus der er sich bezahlen – und am Ende auch Zustimmungen abkaufen lässt.

"Hallo, Diktator!"

Der Egotrip bei Putin hat dem Vorgänger von Ursula von der Leyen viele, viele Jahre später recht gegeben. Am 22. Mai 2015, beim Gipfel der östlichen Partnerschaft in Riga, begrüßte Jean-Claude Juncker Orbán mit den Worten "Hallo, Diktator!" und einem leichten Klaps aufs Ohr. Damals war das hochumstritten. Heute weiß man gesichert: Dieser Autokrat wird kein ordentliches Mitglied der Europäischen Union mehr. Alle Hoffnung kann sich mittelfristig nur darauf richten, dass Ungarn einen Weg wie Polen nimmt und auch in Budapest nach den Radikal-Nationalen wieder die Europäer politisch das Sagen bekommen.

Ungarn wählt im Frühjahr 2026. Ergebnis derzeit offen. Sicher hingegen ist, dass die EU mit dem Paria Orbán solange geschwächt und gespalten bleiben wird. Mindestens bis dahin. Vielleicht noch länger.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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