Nach Verwirrung in der Partei Union bietet Ampel Gespräche über Impfpflicht an
Nach anfänglichem Durcheinander in der Unionsfraktion herrscht nun Klarheit: Aus den Reihen von CDU und CSU kommt kein Gesetzentwurf zur Impfpflicht. Stattdessen sind nun alle Augen auf die Ampelregierung gerichtet.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat der Ampelregierung Gespräche über eine Impfpflicht angeboten. Wenn man eine solche Impfpflicht mache, brauche dies "einen breiten demokratischen Konsens und nicht eine Situation, wo man dann vier Gruppenanträge hat und ein Gruppenantrag sich dann irgendwo knapp durchsetzt", sagte Brinkhaus am Dienstag in Berlin vor hybriden Beratungen der Unionsfraktion. Zuvor hatte die Äußerung eines CSU-Abgeordneten über Arbeiten an einem eigenen Antrag der Union zur Impfpflicht für Verwirrung gesorgt.
Brinkhaus sagte, es sei wichtig, dass die die Regierung tragenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP schnell Gespräche mit der Union aufnehmen würden. "Wir sind dazu bereit." Die Impfpflicht müsse zudem unabhängig von der aktuellen Virusvariante diskutiert werden. Man wisse nicht, was die nächste Variante sei und ob ein Impfstoff dagegen wirke. Es müssten die Parameter klassifiziert werden, "wann wir ganz grundsätzlich in eine Impfpflicht hineingehen".
SPD will noch im Januar einen Vorschlag machen
Die SPD hat indes angekündigt, Ende Januar einen konkreten Vorschlag für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland machen zu wollen. Unmittelbar nach der ersten "Orientierungsdebatte" im Bundestag, die in zwei Wochen stattfinden soll, würden Abgeordnete der SPD Eckpunkte für einen Gesetzentwurf vorlegen, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich am Dienstag in Berlin. Diese Eckpunkte könnten dann Grundlage für einen Gruppenantrag zusammen mit Abgeordneten anderer Fraktionen sein.
Bis zu einer Entscheidung im Bundestag sollte sich das Parlament nach Ansicht Mützenichs danach nicht länger als zwei Monate Zeit lassen. "Wir werden das im März abgeschlossen haben, ganz klar", sagte er. "Und ich gehe auch davon aus, dass eine Mehrheit meiner Fraktion der Einführung einer Impfpflicht zugeneigt (ist) und dem auch zustimmen wird."
Ankündigungen von Scholz bleiben wohl unerfüllt
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich eine Impfpflicht Anfang Februar, spätestens aber Anfang März gewünscht – doch daraus wird wohl nichts. Die SPD strebt zwar an, bis Ende März wenigstens den Gesetzgebungsprozess abzuschließen; greifen würde sie dann – wenn sie kommt – erst später.
Der Prozess verzögert sich auch, weil die Bundestagsabgeordneten in der auch ethisch heiklen Frage frei und unabhängig von ihren Fraktionen entscheiden sollen. Anders als im sonst üblichen Verfahren müssen sich Abgeordnete erst zu Gruppen mit gemeinsamer Position zusammenfinden und entsprechende Anträge formulieren.
Klarstellung der Union
Die Spitze der Unionsfraktion hatte zuvor klargestellt, dass CDU und CSU im Bundestag derzeit keinen eigenen Gesetzesvorschlag für eine Impfpflicht vorlegen werden. Die Fraktion arbeite aktuell nicht an einem solchen Gesetzentwurf und auch nicht an einem Antrag für den Bundestag, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), am Dienstag in Berlin vor einer virtuellen Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU am Nachmittag. Er wies damit entsprechende anderslautende Äußerungen des CSU-Gesundheitspolitikers Stephan Pilsinger zurück.
Pilsinger hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt: "Unser Ziel ist es, einen eigenen Unionsantrag auf den Weg zu bringen. Daran arbeite ich mit anderen Gesundheits- und Rechtspolitikern unserer Fraktion." Weil der größte Teil der Covid-Intensivpatienten älter als 50 Jahre sei, könne man mit einer Impfpflicht für alle ab 50-Jährigen das Gesundheitssystem effektiv schützen und dennoch den Freiheitseingriff für die Gesellschaft so gering wie möglich halten."
Am Dienstag ruderte Pilsinger dann zurück und erklärte: "Ich werde mich als Bundestagsabgeordneter an keiner interfraktionellen Gruppe beteiligen oder einen eigenen Antrag einbringen." Er erwarte von der Bundesregierung, "dass sie einen rechtssicheren, durchsetzbaren und kontrollierbaren Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Impfpflicht vorlegt. Die Union wird sich dann in der Debatte damit auseinandersetzen und diesen bewerten."
"Die Regierung muss einen Gesetzesvorschlag vorlegen"
Frei hatte zuvor betont, die Unionsfraktion werde nicht die Arbeit der Regierung übernehmen. "Wenn die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine Impfpflicht ein Mittel ist, aus dieser Pandemie herauszukommen, dann muss sie dafür auch einen Gesetzesvorschlag vorlegen." Mit Blick auf die Äußerungen Pilsingers räumte er ein, das Bild der Unionsfraktion "hätte etwas geschlossener sein können".
Das Thema Impfpflicht sei "zunächst mal" auch keine Gewissensentscheidung, ergänzte Frei. Diese gelte für die Unionsfraktion in der Regel bei "Fragen von Leben und Tod" wie etwa beim Thema eines assistierten Suizids. Zudem entscheide ein Bundeskanzler nicht darüber, was Gewissensentscheidungen im Parlament seien, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf Olaf Scholz (SPD). "Es reicht auch nicht, wenn der Abgeordnete Lauterbach einen Vorschlag macht", ergänzte Frei vor dem Hintergrund einer entsprechenden Ankündigung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Er sei grundsätzlich offen für eine Impfpflicht, sagte Frei. Entscheidend sei aber, wie eine hohe Impfquote erreicht werden könne. Zudem müsse eine Impfpflicht durchsetzbar sein. "Für eine Regelung, die am Ende nicht durchsetzbar ist, wäre ich nicht zu haben."
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Fragen der Union blieben unbeantwortet
Die Union habe der Bundesregierung essenzielle Fragen zum Thema bereits vor Weihnachten gestellt, aber keine Antwort darauf erhalten, kritisierte Frei. Deswegen habe die Fraktion Ende vergangener Woche eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, in der es etwa darum gehe, wie einen Impfpflicht ausgestaltet werde, wie die exakte Zielsetzung sei, wie die Pflicht durchgesetzt werden könne und ob es ein Enddatum gebe.
Die Bundesregierung müsse die Anfrage nun innerhalb von zwei Wochen beantworten. Solange solche Fragen nicht geklärt seien, könne die Unionsfraktion keinen Vorschlag machen.
"Dieses Durcheinander ist nicht angemessen"
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte die Union auf, für Klarheit in den eigenen Reihen zu sorgen. Der "Rheinischen Post" (Mittwoch) sagte er: "Derzeit weiß dort die eine Hand nicht, was die andere macht." Die Ministerpräsidenten der Union seien klar für eine Impfpflicht, der designierte Parteichef Friedrich Merz laviere herum. "Dieses Durcheinander ist diesem wichtigen Thema nicht angemessen."
Die Vorsitzende der Ärzteorganisation Marburger Bund, Susanne Johna, und der Präsident des Verbands Leitender Krankenhausärzte, Michael Weber, sprachen sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" für eine allgemeine Impfpflicht aus, Johna auch für eine zeitliche Befristung.
- Nachrichtenagentur dpa