Widerstand aus anderen Parteien Drei AfD-Kandidaten scheitern als Ausschuss-Vorsitzende
Der AfD-Politiker Martin Hess sollte den Ausschuss leiten, der für Rechtsextremismus und die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständig ist. Doch die Stimmen reichten nicht – auch weitere Parteikollegen scheiterten.
Die drei Kandidaten der AfD für Vorsitzposten in Ausschüssen des Bundestags sind am Mittwoch allesamt durchgefallen. Der AfD-Abgeordnete Martin Hess erhielt bei der geheimen Abstimmung im Innenausschuss nur sechs Stimmen, 40 Mitglieder stimmten mit Nein, wie die Nachrichtenagentur AFP von Teilnehmern erfuhr. Auch die AfD-Kandidaten für die Vorsitzposten im Gesundheits- und im Entwicklungshilfeausschuss scheiterten.
Die AfD reichte demnach keinen neuen Personalvorschlag im Innenausschuss ein, der Posten bleibt damit vorerst vakant. Bis auf weiteres werde der Innenausschuss nun von der dienstältesten Abgeordneten, der Linken-Parlamentarierin Petra Pau, geleitet, hieß es weiter.
Eine geheime Wahl hatte es zuvor auch im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gegeben. Im Gesundheitsausschuss fiel der von der AfD-Fraktion für den Vorsitz nominierte Abgeordnete Jörg Schneider ebenso durch wie der AfD-Abgeordnete Dietmar Friedhoff im Entwicklungsausschuss.
Chrupalla beklagt "systematische Ausgrenzungspolitik"
AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla warf den anderen Fraktionen eine "systematische Ausgrenzungspolitik" vor und den "willkürlichen Bruch einer parlamentarischen Tradition". Damit untergrüben sie das Vertrauen in die Demokratie.
Ko-Fraktionschefin Alice Weidel verwies darauf, dass ihrer Fraktion seit Jahren schon die Wahl eines eigenen Bundestagsvizepräsidenten verwehrt wurde. "Nun hat man die nächste Stufe gezündet, dass sogar die uns zustehenden Ausschussvorsitze uns verwehrt werden", sagte sie. "Das ist ein Bruch der demokratischen Teilhabe."
Abgestimmt wird bei Widerspruch
Eine Abstimmung in den Ausschüssen ist möglich, wenn Abgeordnete Widerspruch gegen die Berufung einlegen. So war es im Januar 2018 beispielsweise auch in der konstituierenden Sitzung des Rechtsausschusses. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner erhielt damals in geheimer Wahl die notwendige Mehrheit. Im November 2019 wurde Brandner allerdings wieder abberufen, nachdem ihm Abgeordnete anderer Fraktionen aufgrund von Äußerungen in sozialen Medien attestiert hatten, er habe weder menschlich noch politisch die notwendige Eignung für den Vorsitz.
Besondere Kritik hatte die Personalie im Innenausschuss auf sich gezogen. Der Innenausschuss ist für Themen wie Rechtsextremismus, Asylpolitik sowie die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitsbehörden, darunter auch der Verfassungsschutz, zuständig. Der Vorsitzende des Ausschusses leitet die Sitzungen und hält auch Kontakt zu den Behörden, hat also Zugang zu sensiblen Informationen. Teile der AfD werden vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet.
Widerstand und Protest bei Linke und Union
Bereits vor der Sitzung wurde vehementer Widerstand in anderen Parteien gegen die Wahl des AfD-Politikers laut. Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali kündigte an: "Die Linke wird niemals einen Kandidaten der AfD für ein solches Amt unterstützen.“ Auch aus der Union gab es scharfe Kritik – allerdings nicht allein an einer möglichen Wahl des AfD-Kandidaten, sondern auch an den Ampel-Parteien.
Denn die Vorsitzendenposten in den Ausschüssen werden nach der Größe der Fraktionen vergeben. Vor der AfD waren in der ersten Runde noch SPD, Grüne und FDP am Zug, die allerdings andere Ausschüsse wählten. So kam die AfD nicht nur zum Innenausschuss, sondern auch zum in der Pandemie zentralen Gesundheits- sowie dem Entwicklungsausschuss.
Mächtige Position als Vorsitzender
Hess war Polizeihauptkommissar, nach eigener Aussage hat er 27 Jahre Diensterfahrung. Er sei im Bereich der inneren Sicherheit mit entsprechender Fachkompetenz beschlagen. "Ich bin mir der großen Verantwortung des Amtes bewusst und werde es fair, sachlich und überparteilich ausüben", sagte er vor der Sitzung des Ausschusses.
Bundestagsausschüsse sind so etwas wie das Parlament im Kleinen. Sie sind entsprechend dem Kräfteverhältnis im Plenum besetzt und beraten über die Gesetzentwürfe ihres jeweiligen Bereichs. Sie hören Experten an und bringen die Gesetzentwürfe in eine Beschlussfassung, die dann vom Plenum verabschiedet werden kann. Die Ausschussvorsitzenden bereiten die Sitzungen vor, berufen sie ein, leiten sie und halten üblicherweise auch guten Kontakt zu den Behörden, der Innenausschussvorsitzende etwa zu den Sicherheitsbehörden.
- Nachrichtenagentur dpa