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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kühnert bei "Markus Lanz" "Wie der Mensch Olaf Scholz tickt, weiß ich nicht"
Wer ist Olaf Scholz? Darüber sprach SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bei "Markus Lanz". Dabei ging er auch auf sein vermeintlich distanziertes Verhältnis zum jetzigen Bundeskanzler ein.
Seit dem 8. Dezember 2021 ist Olaf Scholz, ehemaliger SPD-Generalsekretär, Ex-Finanzminister unter Kanzlerin Merkel und früherer Hamburger Bürgermeister, der neue deutsche Bundeskanzler.
Für seine Kandidatur von vielen belächelt, setzte sich Scholz schlussendlich gegen seinen Konkurrenten Armin Laschet (CDU) durch. Für viele ist der Hanseat menschlich jedoch immer noch die große Unbekannte. Aus diesem Grund stand eine Charakteranalyse des Neo-Kanzlers im Mittelpunkt der Mittwochssendung von "Markus Lanz".
Die Gäste:
- Kevin Kühnert, Politiker (SPD)
- Lars Haider, Journalist "Hamburger Abendblatt"
- Ulrike Herrmann, Journalistin "taz"
- Veronika Grimm, Ökonomin
Kevin Kühnert analysiert Olaf Scholz
Der Tenor unter den Gesprächsgästen an diesem Abend: So ganz einfach lässt sich Olaf Scholz nicht einordnen. "Man weiß eigentlich gar nicht wirklich, wer Olaf Scholz ist", meinte etwa "taz"-Journalistin Ulrike Herrmann. Einer, der das eigentlich wissen sollte, ist Ex-Juso-Vorsitzender und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Politisch sei es durchaus transparent, wofür Scholz stehe, erklärte dieser — gestand aber auch ein: "Wie der Mensch Olaf Scholz tickt, weiß ich nicht — aber das ist für unsere Zusammenarbeit auch nicht so wichtig".
Dass Scholz nicht unbedingt der impulsivste und offenste Gesprächspartner ist, kommentierte Kühnert folgendermaßen: "Ich will mir kein Urteil anmaßen. Aber Olaf Scholz ist niemand, aus dem es heraussprudelt. Das kann man mit dem hanseatischen Naturell erklären, aber das kann auch eine sehr noble Eigenschaft sein".
Kanzler-Biograf: "Scholz ist der Meister gewesen, Dinge nicht zu sagen"
Auch, dass der heutige Bundeskanzler oft sehr unverbindliche Antworten gibt, wurde ausführlich thematisiert. Journalist und Scholz-Biograf Lars Haider erklärte, dass dies zu Scholz’ Zeiten als Generalsekretär noch viel ausgeprägter gewesen sei: "Scholz ist der Meister darin gewesen, Dinge nicht zu sagen. Sie hätten Scholz damals fragen können, welcher Tag ist und er hätte gesagt: 'Die Woche hat viele Tage!‘"
Markus Lanz hatte dafür ein anderes Bild parat: Der Kanzler wirke wie jemand, der einen zweiten Gehirnstrom habe. "Da gibt es den Hauptgehirnstrom, der läuft. Und der zweite kontrolliert, was der erste macht", so der Moderator. Kühnert relativierte dies etwas: "Wenn ich mit ihm rede stelle ich ihm in der Regel politische Fragen. Ich bekomme sehr präzise Antworten".
Scholz habe die "Sorge, dass sich Sätze verselbstständigen", meinte Haider daraufhin. Diese Angst sei seit dem für ihn katastrophalen G20-Gipfel in Hamburg noch einmal gewachsen. Als Bundeskanzler müsse er ohnehin noch diplomatischer vorgehen: "Im Zweifel sagt er einen Satz über China, dann gibt es diplomatische Verwicklungen, dann brechen Börsenkurse ein. Insofern wird er jetzt noch vorsichtiger sein".
Ulrike Herrmann hält Scholz für einen guten Redner im Großen, aber für einen eher schlechten Smalltalk-Partner: "Es gibt das häufiger, dass Leute im großen Rahmen vor Parteisälen wunderbar funktionieren und alle in ihren Bann ziehen, aber auf einer Geburtstagsparty nicht in der Lage ist, normal zu reden. So würde ich auch Herrn Scholz einordnen”.
Olaf Scholz heute " heute fast schon ein Entertainer"
Hermann war es auch, die Kühnert auf die Zeit seines Parteieintritts ansprach. Damals hatte die SPD unter Kanzler Gerhard Schröder und Generalsekretär Scholz gerade das umstrittene Maßnahmenpaket mit Hartz IV und der Riesterrente beschlossen — allesamt Dinge, die Kühnert eigentlich diametral widersprechen müssten, meinte die Journalistin. Dieser blockte ab: Er sei bei seinem Parteieintritt gerade mal fünfzehn Jahre alt gewesen und habe sich für andere Dinge interessiert. Welche das gewesen seien? Unter anderem das Demonstrieren gegen den Irakkrieg, so Kühnert.
Mittlerweile seien vieler jener Akteure von damals wieder in Schlüsselrollen tätig, kritisierte Hermann. "Frank-Walter Steinmeier hat als Kanzleramtschef alles von diesen fatalen Politprogrammen konzipiert. Heute ist er unser Bundespräsident. Alle denken, er war der Versöhner der Nation, dabei war niemand so gefährlich für die Spaltung der Nation wie Steinmeier".
Scholz habe bei der Umsetzung dieser Maßnahmen jedoch eher eine geringe Rolle gespielt. Vielmehr, so Haider, habe er sich als Generalsekretär wie ein Bollwerk vor Schröder geschmissen. Den Namen "Scholzomat" würde er heute nicht mehr verdienen: "Wenn man das mit seiner Zeit als Generalsekretär vergleicht, ist Olaf Scholz heute fast schon ein Entertainer".
"Zwischen Scholz und Kühnert steht es eins zu eins"
Kühnert wurde auch zu seinem Verhältnis zu Scholz befragt. "Sie haben da ja einen Konflikt. Sie haben alles dafür getan um Kanzler Olaf Scholz zu verhindern. Jetzt müssen genau sie Olaf Scholz mit allem, was sie haben, verteidigen”, meinte Lanz.
Kühnert, der ursprünglich tatsächlich gegen eine Kandidatur von Scholz war, zeigte sich in seiner neuen Rolle als Generalsekretär diplomatisch: "Er muss funktionieren können als Kanzler, wenn wir das, was wir im Koalitionsvertrag festgesetzt haben, umsetzen wollen. Deswegen ist mein Tun maßgeblich darauf ausgerichtet, dass er Erfolg haben kann". Haider glaubt indes an ein gesittetes Verhältnis zwischen Scholz und Kühnert: "Ich glaube, zwischen den beiden steht es eins zu eins".
Kühnert musste FDP die soziale Wohnbauförderung erklären
Daraus, dass er nicht mit allem, was im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP vereinbart wurde, glücklich ist, machte Kühnert keinen Hehl: "Es ist Licht und Schatten in so einer Koalition". Er sei mit vielem, was man im Koalitionsprogramm durchgesetzt habe, sehr zufrieden, räumte aber zugleich ein: "Deutlich mehr gewünscht und erwartet hätte ich mir im Bereich des Mietrechts". Der FDP habe er sogar das Konzept der sozialen Wohnbauförderung erklären müssen.
Besondere Erwähnung fand übrigens auch ein Geschenk, dass Kühnert 2018 vom damaligen Parteisekretär Lars Klingbeil bekommen hatte — ein SPD-Toaster, der das Parteilogo auf das Toastbrot brennt. Besagter Toaster (es gibt übrigens auch SPD-Waffeleisen) ist auf einem Tweet von Klingbeil aus dem Jahr 2018 verewigt.
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Ob der der Server des SPD-Shops daraufhin bereits tatsächlich überlastet war, wie ein Twitter-User behauptete, ist nicht bekannt.