Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach der "Katastrophe" in Thüringen Wolfgang Schäuble: CDU sollte "dem Druck nicht nachgeben"

Nach dem Eklat in Thüringen und dem Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer sucht die CDU nach Richtung und Führung. Nun äußert sich auch Bundestagspräsident Schäuble – und findet klare Worte.
Die CDU steckt in der Krise: Nachdem die CDU gemeinsam mit der FDP und der AfD Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt hatte, zog die Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer die Konsequenzen und trat zurück. Nun hat sich erstmals Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zu den Ereignissen geäußert: Gegenüber der Zeitung "Die Zeit" sprach er von einer "Katastrophe" in Thüringen und widersprach Forderungen, möglichst schnell einen neuen Parteivorsitzenden zu wählen.
Im Interview mit der Wochenzeitung sagte Schäuble, seine Partei müsse "die Kraft haben, dem Druck einiger Medien nicht nachzugeben und über die personellen Fragen erst Ende des Jahres zu entscheiden". Auch einige Politiker aus Reihen der CDU hatten zuvor gefordert, eine Entscheidung schon vor der Sommerpause zu treffen. Die Partei dürfe nicht so weitermachen, wie in den "Siebziger- und Achtzigerjahren", sondern müsse Antworten auf die kommenden Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte bieten: "Damit haben wir ja noch gar nicht richtig angefangen".
Vorwürfe an AKK "völlig unsinnig"
Der zurückgetretenen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer macht der Bundestagspräsident keine Vorwürfe – das sei "völlig unsinnig". Anschuldigungen, sie hätte sich im Vorfeld der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen nicht durchsetzen können, wehrte er mit einem Hinweis auf das Grundgesetz ab: "Entschuldigung, Abgeordnete sind nur ihrem Gewissen unterworfen. (...) Deswegen kann ich auch nicht aus Berlin sagen: Ihr macht das jetzt so – auch nicht als Koalition, auch nicht als Parteivorsitzende oder Kanzlerin."
Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ging Schäuble in dem Interview härter ins Gericht. Dass Kramp-Karrenbauer jetzt nicht mehr als Kanzlerin kandidieren will, läge auch daran, dass Merkel den Parteivorsitz aus der Hand gegeben hat – entgegen der Tradition. "Es sei ein Risiko, hat sie gesagt, aber es könne gut gehen. Seit gestern wissen wir: Es ist nicht gut gegangen".
Die jetzige Krise läge aber nicht nur bei seiner eigenen Partei, sondern daran, "dass wir in den letzten Jahren zu wenig gestritten haben, ob in Volksparteien oder Koalitionen". Der CDU-Politiker betonte, das Politik zwar Kompromisse brauche, "aber eben auch Streit, Alternativen und Entscheidungen. Und dazu braucht man Führung und Charisma".
Entscheidung in Thüringen war ein Fehler
Bezüglich der Entscheidung der Thüringer CDU, nicht mit den Linken eine Regierung zu bilden, sagte Wolfgang Schäuble gegenüber der "Zeit", dies sei zwar richtig gewesen – "Nun haben wir aber eine Situation, wo AfD und Linkspartei zusammen über 50 Prozent haben. Dann darf man sich nicht nur auf eine Verhinderung beschränken, sondern muss eine Regierung ermöglichen, notfalls auch eine Minderheitsregierung". Dies seit in anderen europäischen Ländern schon lange ein erfolgreiches Modell.
Dass seine Partei trotzdem die Minderheitsregierung von Bodo Ramelow (Linke) blockierte und stattdessen gemeinsam mit der AfD für den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich stimmte, bezeichnete Schäuble als Fehler: "Ich hätte sowas nicht für möglich gehalten, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass man so wenig vorhersieht, was für unabsehbare Folgen eine solche Geschichte haben kann".
- Vorabmeldung der "Zeit": Wolfgang Schäuble: Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas wie in Thüringen möglich ist