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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nähe zur Partei Fall Lübcke: Hauptverdächtiger half AfD beim Wahlkampf

Immer mehr Hinweise auf Verbindungen zwischen den Hauptverdächtigen im Mordfall Lübcke und der AfD: Jetzt bestätigt die Partei, dass Stephan E. sogar beim örtlichen Verband mit angepackt hat.
Stephan E., Hauptverdächtiger im Mordfall Walter Lübcke, hat nach Recherchen des NDR bei der AfD in seiner Heimat Kassel auch beim Plakatieren geholfen und dort mehrfach Parteiveranstaltungen besucht. Damit wird die Nähe der Hauptverdächtigen zur AfD immer deutlicher.
t-online.de hatte enthüllt, dass ein Video im mutmaßlichen Youtube-Kanal von Stephan E.s Freund Markus H. offenbar vom gemeinsamen Besuch einer AfD-Demo in Erfurt stammt. Auf dem Kanal gibt es auch ein Video vom Vortag der Bundestagswahl, das zum Wählen der AfD aufruft. Diverse Videos dokumentieren außerdem, dass die beiden bei einer von der AfD zum "Trauermarsch" im September 2018 erklärten Kundgebung in Chemnitz dabei waren.
AfD: Er war Partei vor Ort vollkommen unbekannt
Die neuen Erkenntnisse des NDR belegen nun, dass sich Stephan E. auch bei der örtlichen AfD eingebracht hat. Ein Parteisprecher bestätigte das. Der AfD-Sprecher sagte aber auch, dass E. dem Kreisverband zu dem Zeitpunkt vollkommen unbekannt gewesen sei. Das erscheint zunächst plausibel: E. war in den vergangenen Jahren kaum öffentlich aufgefallen und lebte ein bürgerliches Leben.
Nach den Erkenntnissen über Stephan E.s Teilnahme bei Veranstaltungen und als Helfer prüfte die AfD Kassel-Stadt offenbar umgehend, ob E. Mitglied bei ihr werden wollte oder es gar war. Das war er demnach nicht. Es wäre für die Wahrnehmung der AfD verheerend gewesen, auch wenn damals keine öffentlichen Erkenntnisse gegen eine Mitgliedschaft gesprochen hätten.
AfD hatte im September jede Nähe zurückgewiesen
Die AfD hatte in der Vergangenheit sogar jede Verbindung abgestritten. Im September 2019 hatte der Bundesverband Medien per Anwalt erklärt, dass eine Nähe zwischen dem Mordverdächtigen und der Partei "in keinster Weise bestand oder besteht". Bereits damals war bekannt, dass E. laut taz der Bundes-AfD 150 Euro gespendet hatte.
Der Parteisprecher bestätigte der dpa nun, dass der Sprecher des Kreisverbands Kassel-Stadt bei der Berichterstattung über den Lübcke-Mordfall Stephan E. wiedererkannte: Der Mann mit der Baseballmütze auf dem Foto hatte mehrfach AfD-Veranstaltungen besucht. Deshalb habe der Kreissprecher Thomas Schenk umgehend die Polizei darüber informiert. E. war demnach mindestens bei drei AfD-Veranstaltungen in Kassel. Dabei habe E. sich immer zurückgehalten und in den hinteren Reihen gesessen, berichtet der NDR.
Polizei über Hilfe von E. informiert
Auch bei der AfD-Demo in Chemnitz im September 2018 zeigen t-online.de vorliegende Bilder ihn und seinen mutmaßlichen Komplizen Markus H. ganz am Ende des Zuges. Der Kasseler AfD-Kreissprecher Schenk war wie Stephan E. auch bei dieser Demo dabei. Allerdings gibt es bisher keine Anhaltspunkte, dass sie zusammen dort waren oder sich trafen.
Schenks Vorgänger Manfred Mattis informierte dem NDR zufolge die Polizei darüber, dass Stephan E. der Partei einmal beim Plakatieren während des Wahlkampfes 2018 geholfen hatte. Mattis war in der Vergangenheit mit großer Nähe zu Kagida aufgefallen, dem örtlichen Pegida-Ableger mit bekannten Rechtsextremen. Nach der Ermordung von Lübcke hatte Mattis vergeblich einem Stadtverordneten der Grünen die folgende Aussage verbieten wollen: "Plastisch gesprochen hat Lübcke beantwortet, was die AfD’ler allen voran Herr Mattis bei Kagida gehetzt hat."
Der Kagida-Vorsitzende, ein früheres AfD-Mitglied, war bei der Einwohnerversammlung in Lohfelden mit Regierungspräsident Lübcke ebenso unter den Zuhörern wie Stephan E. und Markus H.. H. filmte mit, wie Lübcke auf Provokationen von Kagida-Mitgliedern reagierte. Nach Zwischenrufen wie "Scheiß-Staat" fielen dabei die Worte: "… es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen." Recherchen von t-online.de ergaben: H. lud bei Youtube das Video mit der Szene hoch, die dann Morddrohungen gegen den Regierungspräsidenten auslösten.
AfD verbreitete von Markus H. gefilmte Szene
Offenbar hatte Markus H. die AfD in einem Forum auch in höchsten Tönen gelobt. Es ging um einen Beitrag, in dem zu lesen war, dass die AfD "jetzt ihr hässliches Gesicht gezeigt" habe. Als Antwort kam unter dem Namen "Professor Moriatti", unter dem auch das Video der Einwohnerversammlung hochgeladen worden war: "Was für den einen das hässliche Gesicht ist, ist für den anderen das hübscheste Antlitz überhaupt."
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H. und Stephan E. hatten von der AfD Hilfe bekommen bei ihrem Plan, per Video Hass auf Lübcke zu schüren. Die AfD hatte über ihren Hauptaccount auf Facebook den Link zum mutmaßlich von H. aufgenommenen Video der Einwohnerversammlung verbreitet. Es fand sich allerdings auch in einigen Medien, und es gibt keinerlei Hinweise, dass die AfD Informationen zu den Urhebern hatte. Nach dem Mord verschwand das Posting.
Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss getötet worden. Der früher als Neonazi bekannte Stephan E. soll nach bisherigen Ermittlungen der Schütze sein. Bisher gibt es keine Belege für die Anwesenheit eines weiteren Mannes am Tatort.
E. legte ein umfassendes Geständnis ab, das er später aber widerrief. Zuletzt erklärte sein Anwalt, E. sei gemeinsam mit Markus H. bei Lübcke gewesen. Gegen H. wird bisher wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord ermittelt.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- fr.de: Rechtsextreme Ordner bei Kagida-Demo
- tagesschau.de: Stephan E. war offenbar für AfD aktiv