Mögliche Koalitionsverhandlungen in Thüringen Vertrag ohne die Linke – Streitpunkt ausgeklammert
CDU, BSW und SPD haben ihre Sondierungen in Thüringen abgeschlossen. Regieren wollen sie mit einem neuen Modell zur Mehrheitsbeschaffung.
Knapp sieben Wochen nach der Landtagswahl in Thüringen rücken Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, BSW und SPD in greifbare Nähe. Spitzenvertreter der drei Parteien stellten am Freitag in Erfurt ein gemeinsames Sondierungspapier mit inhaltlichen Schwerpunkten einer möglichen Regierungszusammenarbeit vor. Eine Tolerierungs - oder Duldungsvereinbarung mit der Linken als langjähriger Regierungspartei sei nicht vorgesehen.
Bei der Wahl am 1. September wurde die AfD stärkste Kraft, während Grüne und FDP aus dem Landtag schieden. Die Regierungsbildung ist deshalb erschwert. Mit der vom Thüringer Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuften AfD mit ihrem Vorsitzenden Björn Höcke will keine andere Partei koalieren.
Das neue Konsultationsverfahren
Die Landes-CDU mit ihrem Vorsitzenden Mario Voigt führte in den vergangenen Wochen zunächst sogenannte Optionsgespräche und anschließend Sondierungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD. Eine solche sogenannte Brombeer-Koalition hätte keine Mehrheit im Landtag – es fehlt eine Stimme. Die Linke bot wiederholt ihre Unterstützung an, um für stabile Verhältnisse zu sorgen. Der amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), dessen rot-rot-grüne Koalition abgewählt wurde, brachte unter anderem ein "Fairness-Abkommen" ins Spiel.
Nach Angaben des parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, wird es allerdings "keine gesonderte Vereinbarung" mit der Linkspartei geben. Auch die Wahl des Ministerpräsidenten könnten die drei Parteien "allein gewährleisten", sagte er am Freitag in Erfurt. Ein bundesweiter Unvereinbarkeitsbeschluss verbietet der CDU eine gezielte Zusammenarbeit mit der Linken wie auch mit der AfD. Bühl sagte, es solle künftig ein sogenanntes Konsultationsverfahren geben, um alle fünf Fraktionen im Parlament frühzeitig in Gesetzesvorhaben einer möglichen Regierung einzubinden.
Notfalls werden Gesetzesinitiativen beerdigt
Mit einem Votum bei dem neuen Beteiligungsverfahren könne die Regierung dann weiterarbeiten, das Vorhaben entsprechend anpassen oder es beerdigen, sagte Bühl. Mit diesem Verfahren werde auch der Wählerwille respektiert, der für schwierige Mehrheitsverhältnisse gesorgt habe, sagte Bühl. Alle drei Partner einer möglichen Brombeer-Koalition schlossen erneut eine Zusammenarbeit mit der Thüringer AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke aus.
Sollten die Landesvorstände von CDU, BSW und SPD dem Sondierungspapier zustimmen, wollen die Parteien kommende Woche den organisatorischen Rahmen und einen Zeitplan für Koalitionsgespräche abstecken.
Wagenknechts Forderungen für Frieden
Einer der Knackpunkte sind die vom BSW und vor allem dessen Parteichefin Wagenknecht gestellten Bedingungen für mögliche Bündnisse in Thüringen, aber auch in Sachsen und Brandenburg, wo ebenfalls Regierungen unter BSW-Beteiligung angestrebt werden. Das BSW fordert ein Bekenntnis für Frieden, diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine und gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.
Der Streitpunkt wurde bislang aber ausgeklammert. "Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen", heißt es in dem Papier.
Die Wagenknecht-Partei erwartet nach Angaben des parlamentarischen Geschäftsführers der Thüringer BSW-Fraktion, Tilo Kummer, dass das Friedensthema "ein wesentlicher Bestandteil" eines Koalitionsvertrages sein wird. Ohne das "wird es eine Koalition mit uns nicht geben", sagte Kummer in Erfurt. In dem Sondierungspapier steht dazu bislang nur: "Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen."
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Katharina Schenk, sagte, das gemeinsame Papier sei "durchaus als Aufbruchsignal" zu verstehen.
Die Thüringer Linken haben das Ergebnis der Sondierungen von CDU, BSW und SPD kritisiert. "So wird das nichts", sagte der Co-Vorsitzende der Linken, Christian Schaft, der Deutschen Presse-Agentur. Bei den Sondierungen habe sich offenkundig die CDU durchgesetzt, die eine Zusammenarbeit mit den Linken kategorisch ablehnt. Das vorgestellte Sondierungspapier bestehe inhaltlich aus vielen Belanglosigkeiten. "Viel Wollen, wenig Konkretes", sagte Schaft. Das, was in dem Papier vernünftig sei, hätten die drei Parteien bei Rot-Rot-Grün abgeschrieben. "Und das Papier hat keine Antwort, wie die schon jetzt matschige Brombeere eine Mehrheit finden will."
- Nachrichtengenturen dpa und afp