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AfD-Umfragewerte: Experte zeigt sich besorgt über Vormarsch der Rechten


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Experte zu neuen Parteien
Das schadet "fast automatisch der AfD"

InterviewVon Charlotta Siemer

Aktualisiert am 14.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel (Archivbild): Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht in der AfD eine große Gefahr für die Demokratie.Vergrößern des Bildes
Die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel (Archivbild): Politikwissenschaftler Hajo Funke sieht in der AfD eine große Gefahr für die Demokratie. (Quelle: RAINER UNKEL)

Die AfD ist in immer mehr Bundesländern auf dem Vormarsch – so auch in Brandenburg. Rechtsextremismusforscher Hajo Funke schlägt Alarm.

Die AfD erreicht ein Jahr vor den Landtagswahlen in Brandenburg einen neuen Spitzenwert in dem Bundesland. Zu dem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage von infratest dimap im Auftrag von rbb24 Brandenburg aktuell und Antenne Brandenburg. Demnach würden 32 Prozent der Befragten die AfD wählen, wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre. Das ist der bislang höchste Umfragewert dieser Partei in Brandenburg. Mehr zu der Umfrage lesen Sie hier.

Die Bundesregierung ist an dem Erfolg der AfD mit schuld, sagt Politikwissenschaftler Hajo Funke. Im Interview mit t-online erklärt er, was die AfD so stark macht, warum das für die Demokratie gefährlich ist und was eine mögliche Wagenknecht-Partei für die AfD bedeuten würde.

t-online: Herr Funke, die AfD ist nun auch in Brandenburg mit Abstand stärkste Kraft. Was ist da los?

Hajo Funke: Das liegt zum einen an der Schwäche der brandenburgischen Landesregierung, zum anderen aber auch an der Bundesregierung. Viele Menschen im Land sind unzufrieden. Und wenn das so bleibt, könnten die Zustimmungswerte für die AfD sogar noch sehr viel höher steigen. Aber so muss es auch nicht kommen.

Warum nicht?

Man sieht das an der Gegenwehr in der Bevölkerung. In Oranienburg, nördlich von Berlin, gab es beispielsweise eine große Kundgebung gegen das Auftreten des rechtsextremen thüringischen AfD-Landeschefs Björn Höcke. Es hängt also auch sehr davon ab, wie aktiv die Demokraten sind – und wie sehr sie die AfD als zerstörerische Gefahr für die Demokratie ansehen.

Hajo Funke (Archivbild)
Hajo Funke (Archivbild) (Quelle: Janine Schmitz/photothek.net/imago-images-bilder)

Hajo Funke ist Rechtsextremismusforscher und lehrte bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2010 am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin.

Wie zerstörerisch ist denn die Brandenburger AfD?

Die Partei ist in Brandenburg eine besonders radikale Version. Es gibt einen Flügel, der Höcke nahesteht. Die Partei ist in Teilen rechtsradikal, auch rechtsextrem, rassistisch und sogar im gewaltbereiten Spektrum anzusiedeln. Das ist eine Gefahr für die Demokratie.

Sind die Unterstützer der Partei alle Rechtsextreme?

Nein, das lässt sich so nicht verallgemeinern. Wir erleben eine Krise der demokratischen Parteien und eine Krise der Ampelkoalition – die sich viel zu oft streitet. Überhaupt gibt es derzeit viel zu viele Krisen, die nicht gelöst werden: die soziale Krise, die Rezession, die ökologische Krise und natürlich auch der Krieg in der Ukraine, der noch nicht absehbar zu einem Ende kommt.

Und wozu führt das?

Das führt dazu, dass die Regierung auf viele Menschen schwach wirkt. Weil sie die Krisen in ihren Augen nicht gut löst. Das ist die Hintergrundmusik für alle, die aus Frust, Wut und Enttäuschung dann die AfD wählen. Hinzu kommen die Überzeugungstäter. Das sind Leute, die aus rechtsextremer oder aus fremdenfeindlicher Gesinnung die Partei wählen. Beide Gruppen zusammen sind eine ganz gefährliche Mischung, auch weil die Spitze dieser Partei – in Brandenburg, aber auch in anderen Bundesländern – eindeutig rechtsextrem ist. Die wollen eine neue "ethnisch reine" völkische Republik.

Spitzenwerte erzielt die AfD vor allem in Ostdeutschland. Warum ist das so?

Die Wiedervereinigung in Deutschland 1990 hatte zum Teil schreckliche Folgen für Menschen in den ostdeutschen Bundesländern. 69 Prozent der Arbeitsplätze waren damals innerhalb von zwei Jahren verschwunden. Das lag natürlich an der schlechten Wirtschaft, aber definitiv auch an den schlechten Strategien der damaligen Regierung. Bei vielen sitzt noch heute der Schock und der Frust darüber tief. Einige haben gar ein Trauma davongetragen. Und das hat dann vor allem bei der älteren Generation, aber auch bei den Jüngeren zu einer Distanz zur Demokratie geführt, die bisher nicht aufgehoben ist. Und dann kommen die eben genannten neuen Probleme hinzu – nicht nur im Osten Deutschlands, sondern im gesamten Land. Ich glaube: Wir erleben gerade die größte Krise der Demokratie seit 1949.

Sind die Menschen alle an die AfD "verloren" oder gibt es noch ein Zurück?

Natürlich gibt es ein Zurück, selbst unter Rechtsextremen. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Menschen, die sich früher beispielsweise mit der Skinhead-Kultur identifiziert haben, sich später von rechtsextremen und gewaltbereiten Überzeugungen abgewendet haben. Das passiert beispielsweise durch größere Chancen in der Gesellschaft, die sie bekommen.

Das heißt?

Es hängt an der Politik. Die muss nicht nur von 20 Prozent für gut befunden werden, sondern es müssen Mehrheiten sein, die der Regierung Vertrauen oder zumindest Achtung entgegenbringen und nicht unzufrieden sind. Das ist gegenwärtig nicht der Fall und wird durch die multiplen Krisen in Deutschland erschwert. Kurzum: Es braucht den Protest gegen die AfD und eine Politik, die die Probleme der Menschen ernst nimmt, auf der lokalen Ebene wie in Oranienburg. Die demokratischen Parteien müssen die vielen Krisen kooperativ und nicht im bisherigen Parteienstreit angehen. Außerdem braucht es eine breite öffentliche Bewegung – auch in den Medien gegenüber der rechtsextremen Gefahr.

Wie könnte sich denn die Gründung einer Wagenknecht-Partei auf die Werte der AfD auswirken? 57 Prozent der AfD-Anhänger hielten eine Wagenknecht-Partei der Umfrage zufolge ja für gut.

Die Werte zeigen, dass mehr als die Hälfte der AfD-Parteianhänger nicht notwendig rechtsextrem orientiert sind, sondern auch anderen Angeboten folgen würden, die ihres Erachtens tatsächlich ein Stück weit die aktuellen Probleme anders ansehen und klären wollen. Alles, was an neuen Politikangeboten kommt, schadet fast automatisch der AfD.

Herr Funke, vielen Dank für dieses Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Hajo Funke am 14.09.2023
  • rbb24.de: "AfD führt mit großem Abstand – Regierungsparteien verlieren"
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