Habeck geht auf Lindner los Es kracht
Die Ampelkoalition ist sich uneinig – besonders in sozialen Fragen. Wirtschaftsminister Habeck kritisiert die Entlastungspläne von Finanzminister Lindner deutlich.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht auf Konfrontationskurs zu Steuerplänen von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Er sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Die kalte Progression ist für viele Menschen ein Ärgernis, klar. Aber die Frage ist, welches Problem müssen wir in diesem Herbst prioritär lösen? Reiche Haushalte und Menschen mit geringeren Einkommen zahlen die gleichen hohen Energiepreise. Nur: Reiche können das verkraften. Wer wenig verdient, nicht. Wir sollten also nach dem Prinzip handeln, dass kleinere Einkommen absolut mehr profitieren als hohe. Wir müssen einen demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern."
Habeck sagte, man werde sich in der Koalition über eine politische Logik unterhalten müssen. "Ich sehe nicht, wie wir in dieser Situation vertreten können, dass diejenigen, die weniger Unterstützung brauchen, absolut mehr entlastet werden. Wenn man sich darauf verständigen könnte, dann kann man sich über die Instrumente noch fachlich die Karten legen. Und es gibt auch ein Datum, mit dem das verbunden ist: der 1. Oktober." Ab dann soll die staatliche Gasumlage gelten. "Die Stadtwerke stellen ihre Rechnungen. Da muss zeitgleich ein Entlastungspaket vorliegen", so Habeck.
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Habeck kritisiert Lindners Pläne zur kalten Progression
Lindner hatte Pläne zum Ausgleich der kalten Progression im Volumen von zehn Milliarden Euro vorgelegt, von denen nach seinen Worten 48 Millionen Menschen profitieren würden. Die Pläne wurden von Politikern aus SPD und Grünen als sozial unausgewogen kritisiert. Mit kalter Progression bezeichnet man eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgefressen werden, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führen. Dann fallen höhere Steuern an, obwohl die Kaufkraft real gar nicht steigt.
Habeck sagte mit Blick auf stark gestiegene Energiepreise: "Wer so wenig Geld hat, dass er von Sozialtransfers lebt oder Wohngeld bekommt, sollte von den Mehrkosten für Energie durchschnittlich voll entlastet werden, untere und mittlere Einkommen anteilsmäßig." Dies sei die Logik, nach der die Bundesregierung agieren sollte. "Das gibt uns als Land eine gute Chance, stark und geschlossen aus dem Winter herauszukommen."
Habeck: Geld ist da
Habeck verteidigte zugleich die geplante staatliche Gasumlage ab Herbst. "Die Alternative wäre gewesen, dass Gasimporteure insolvent gehen und damit die Gasversorgung zusammenzubrechen droht", sagte der Minister. "Unter den politischen Rahmenbedingungen, unter denen diese Koalition arbeitet – keine Steuererhöhungen, nächstes Jahr ein ausgeglichener Haushalt –, ist die Umlage die logische Konsequenz. Auch sie folgt dem Solidarprinzip. Das schließt ein, dass der Staat darüber nicht noch zusätzlich Mehrwertsteuer einnehmen sollte. Da sind wir uns einig und werden diesen Punkt lösen." Vor allem Lindner pocht darauf, dass 2023 wieder die Schuldenbremse eingehalten wird.
Auf die Frage, ob der deutsche Staat überhaupt genug Geld für den Ausgleich der steigenden Energiepreise hat, antwortet Habeck unter anderem mit der Übergewinnsteuer: "Wenn Preise steigen, hat der Staat automatisch mehr Einnahmen – etwa die aus den Mehrwertsteuern für Strom und Gas. Die sollten für die Entlastung verwendet werden. Und der Staat könnte noch mehr Geld einnehmen. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich meine, manche Konzerne, die allein durch den Krieg hohe Übergewinne machen, können einen stärkeren Beitrag leisten." Es sei genug Geld vorhanden. Geld, mit dem die Konzerne selbst nicht gerechnet hätten und ein Teil davon solle dazu dienen können, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten, so Habeck.
- Nachrichtenagentur dpa
- sueddeutsche.de: "Robert Habeck im SZ-Interview: Das ist ein großer Kraftakt" (kostenpflichtig)