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Annalena Baerbock und das Sondervermögen: Eine klare Niederlage


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Annalena Baerbock
Das tut richtig weh


Aktualisiert am 31.05.2022Lesedauer: 5 Min.
Annalena Baerbock: Eine klare Niederlage für die Außenministerin.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Eine klare Niederlage für die Außenministerin. (Quelle: Thilo Schmuelgen/reuters)

Die Grünen gelten wegen ihrer Wahlerfolge als einzige Profiteure der Ampel. Doch nun haben sie eine Niederlage erlitten – allen voran Annalena Baerbock. Die Folgen könnten gravierend sein.

So richtig mag sich Annalena Baerbock noch nicht von ihrer Wortschöpfung verabschieden. Wochenlang hatte die Außenministerin betont, das "Sondervermögen Bundeswehr" müsse die "Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit" stärken. Was schlicht ein Code für das grüne Hauptanliegen war: Die 100 Milliarden Euro dürfen bloß nicht nur in die Armee fließen.

Baerbock persönlich hatte das in den ursprünglichen Gesetzentwurf der Ampel hineinverhandelt. Also macht sie am Montagmorgen einfach weiter damit, obwohl da längst klar ist, dass sie gescheitert ist: Das Sondervermögen wird nun eben doch komplett in die Bundeswehr gesteckt. Nicht in Cybersicherheit, nicht in die Ertüchtigung von Nato-Partnern, schon gar nicht in den Zivilschutz.

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Als Baerbock also im Deutschlandfunk erklären muss, warum das alles irgendwie doch ein Erfolg ist, sagt sie nicht nur die üblichen Dinge, mit denen sich Politikerinnen eine solche Lage schönreden: Man habe eben "ein Gesamtpaket geschnürt", es sei doch insgesamt "ein guter Kompromiss", so etwas. Sie spricht auch völlig unbeeindruckt weiter von der "Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit". So, als sei nichts geschehen.

Dabei ist ziemlich viel geschehen. Nach wochenlangen Verhandlungen hatte sich die Ampelkoalition am Sonntagabend mit der Union endlich darauf geeinigt, wie das Sondervermögen denn nun aussehen soll. Der Kompromiss lässt Union und FDP jubeln, weite Teile der SPD können ebenfalls damit leben. Für die Grünen, für die hochgelobte Außenministerin Annalena Baerbock selbst, ist es schlicht eine Niederlage. Mit noch unabsehbaren Folgen.

"Ziemlich entsetzt"

Wer sich am Montag bei den Grünen im Bundestag umhört, der bekommt schnell den Eindruck einer Fraktion in Aufruhr. Mancher, der sonst immer sehr schnell etwas zu sagen hat, mag erst mal gar nichts sagen. Es gebe da gerade noch einige Diskussionen, heißt es vieldeutig.

Andere reden zumindest hinter vorgehaltener Hand nicht lange drumherum. "Ziemlich entsetzt" oder "extrem wütend" sind nur ein paar der Worte, die fallen. Die wenigsten wollen sich namentlich zitieren lassen, zu groß ist traditionell die Funkdisziplin bei den Grünen.

Doch selbst bei den offiziellen Äußerungen liest man die Frustration nicht nur zwischen den Zeilen heraus. So wie bei der verteidigungspolitischen Sprecherin der Grünen, Sara Nanni. "Es ist gut für die Bundeswehr, dass es eine Einigung gibt", sagt Nanni t-online zwar. Doch sie sagt eben auch: "Ob Deutschland damit sicherer wird, hängt auch davon ab, ob die Regierung bei Cyber- und Zivilschutz noch nachliefert."

Und genau das war ja das Ziel des Sondervermögens: Deutschland sicherer zu machen.

Wer sich nicht an eine Fraktionsdisziplin halten muss wie die Grüne Jugend, der wird noch sehr viel deutlicher: "Mit diesem Ergebnis kann man sich nicht zufriedengeben", sagt Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich t-online. "Ständig müssen wir uns an allen Ecken und Enden anhören, dass kein Geld da sei, und nun werden mit einem Fingerschnippen 100 Milliarden allein für die Bundeswehr locker gemacht. Wir bleiben dabei: Große runde Summen schaffen keine Sicherheit."

Und sie sagt: "So etwas kommt dabei heraus, wenn man sich auf Verhandlungen mit der Union einlässt."

Uneinig in der Ampel

Die Union ist gerade mal wieder nicht wohlgelitten bei den Grünen. Zumindest nicht auf Bundesebene. Dabei gehört zur Wahrheit, dass auch die Ampelregierung nicht geschlossen für Annalena Baerbocks "Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit", also für ein breites Verständnis von Sicherheitspolitik, gestritten hat.

Die FDP hat sogar öffentlich gesagt, dass sie das eigentlich genauso sieht wie die Union: Dass die 100 Milliarden der Bundeswehr und niemandem anders zustünden. In der SPD gab es beim linken Flügel zwar Sympathien für die grünen Ideen, ein Teil des Geldes auch in Cybersicherheit und die Ertüchtigung von Nato-Partnern zu investieren. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz gehört diesem linken Flügel nun mal nicht an. Und der entscheidet letztlich.

Der Eindruck einiger Grüner, dass am Ende eben doch nur die Grünen wirklich für das breite Sicherheitsverständnis gekämpft hätten, erscheint also durchaus plausibel.

"Das war nicht an der Sache orientiert"

Da sie die Koalitionspartner zumindest öffentlich nicht hart angehen wollen, bekommt am Montag die Union die Kritik ab. Es sei den Grünen "natürlich wichtig" gewesen, gesteht Fraktionschefin Katharina Dröge ein, auch Cybersicherheit und die Ertüchtigung von Partnern "aus dem Sondervermögen zu finanzieren".

Doch die Union sei dazu nicht bereit gewesen. "Sie hätte hieran eine Einigung scheitern lassen", sagt Dröge und deutet zumindest an, was ohnehin seit Wochen gemurmelt wird: Dass man bei Friedrich Merz nie so genau wisse, was er eigentlich inhaltlich wolle. Ihm sei vor allem wichtig, dass er die Ampelkoalition blamieren könne. Oder wie Dröge es etwas freundlicher formuliert: "Das war aus unserer Sicht nicht an der Sache orientiert."

Für die Grünen jedoch, das sagt Dröge eben auch, sei es keine Option gewesen, das ganze Sondervermögen deshalb scheitern zu lassen. Also nun eben der Kompromiss. Schweren Herzens.

Woher sollen die Milliarden für Cybersicherheit kommen?

Für Cybersicherheit und die Ertüchtigung von Partnern, sagt die Grünen-Fraktionschefin dann noch, habe man nun einen anderen Weg gefunden. Was sie nicht sagt: Dieser andere Weg ist ziemlich unsicher und könnte im schlimmsten Fall auf Kosten anderer Projekte gehen. Auch deshalb wollten die Grünen das Geld ja unbedingt im Sondervermögen verankert wissen.

Denn Cybersicherheit und die Ertüchtigung soll jetzt aus dem regulären Haushalt für 2023 finanziert werden. Genau wie der Zivilschutz, bei dem sich die Grünen schon im Laufe der Verhandlungen davon verabschiedet hatten, ihn durch das Sondervermögen aufzustocken.

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Die Grünen machen am Montag schon mal auffallend deutlich, dass sie sich dabei nicht mit Symbolbeträgen abspeisen lassen wollen. Annalena Baerbock spricht am Morgen von einer "größeren Summe", Katharina Dröge wird konkreter: Einen "zweistelligen Milliardenbetrag" müsse es allein für die Cybersicherheit geben, und noch mal einen "einstelligen Milliardenbetrag" für die Ertüchtigung von Nato-Partnern.

Klingt gut, nur gibt es da ein kleines Problem. Die Ampelregierung will mit dem nächsten Haushalt unbedingt wieder die Schuldenbremse einhalten, allen voran Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner. Auch ohne die zusätzlichen Milliarden für Cybersicherheit und Ertüchtigung haben sich viele bei Grünen und SPD schon gefragt, wie das funktionieren soll.

Spätestens jetzt ist mancher alarmiert – weil mehr Geld an der einen Stelle angesichts der Schuldenbremse wohl zwangsläufig bedeutet, dass an der anderen Stelle etwas wegfällt. Grüne-Jugend-Chefin Sarah-Lee Heinrich spricht deshalb aus, was viele auch in der Bundestagsfraktion denken: "Wenn Christian Lindner nun darauf pocht, die Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten zu wollen und zusätzliche Steuern für Reiche ablehnt, versucht er damit die Tür für eine Politik der sozialen Kälte zu öffnen."

Über Schuldenbremse und Steuererhöhungen, so viel scheint jetzt umso sicherer, wird die Ampelkoalition in den nächsten Monaten also noch ausführlich streiten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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