Stattdessen Bestellung bei Bombadier Bundeswehr storniert Drohnen-Kauf bei US-Konzern
Die Bundeswehr hat einen milliardenschweren Auftrag an ein US-Konzern zur Beschaffung von Aufklärungsdrohnen gekippt. Zeitgleich sorgt die Vorstellung des jährlichen Wehrberichts für hitzige Debatten.
Die Bundeswehr gibt das milliardenschwere Projekt zur Beschaffung von Triton-Aufklärungsdrohnen des US-Konzerns Northrop Grumman auf. Stattdessen will sie drei Flugzeuge des Typs Bombardier Global 6000 kaufen und mit Militärsensoren ausstatten. Ausschlaggebend dafür sei einerseits, dass Triton nicht wie der Nato zugesagt bis 2025 fertig würde, heißt es in einer vertraulichen Unterrichtung der Obleute des Verteidigungsausschusses, die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorlag. Zudem sei die Drohne mit geschätzten Kosten von rund 2,4 Milliarden Euro nicht finanzierbar.
Andere Nationen nutzten die Global 6000 bereits für militärische Einsätze. Die Bundeswehr selbst betreibt drei Maschinen des Typs für den Transport von Regierungsmitgliedern.
Drei Flugzeuge sollen aufgerüstet werden
"Es ist vorgesehen, drei Flugzeuge mit einem signalerfassenden Missionssystem auszustatten", heißt es in der Unterrichtung. "Dieses soll unter weitgehender Verwendung der durch die deutsche Industrie bereits für das damalige Projekt Euro Hawk entwickelten Sensorik erfolgen." Die Sensoren dafür sollte der Airbus-Konzern liefern, der seither aber weite Teile der entsprechenden Sparte verkaufte. Bei Triton wäre die Sensorik im Innern der Drohne vor allem von der bayerischen Firma Hensoldt gekommen, während Airbus für die Gesamtintegration und die Auswertungsstationen am Boden verantwortlich gezeichnet hätte.
Ob es bei dieser Verteilung bleibt, geht aus der Unterrichtung nicht hervor. Frühere Investitionen könnten in Teilen genutzt werden, heißt es darin lediglich. Die Kosten reduzierten sich so signifikant. Der Haushaltsausschuss solle voraussichtlich im zweiten Quartal 2020 über den Kauf der Flugzeuge entscheiden.
Nachfolger des gescheiterten Euro-Hawk-Projekts
Triton sollte ursprünglich ab 2025 an die Bundeswehr ausgeliefert werden und wie ein gigantischer Datenstaubsauger aus 20.000 Metern Höhe den Funkverkehr belauschen und die Sensoren gegnerischer Flugabwehr aufspüren. Triton war der Nachfolger des Entwicklungsprojekts Euro Hawk, bei dem der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maiziere 2013 die Reißleine zog, als sich abzeichnete, dass die Drohne in Deutschland wohl nur mit enormen Mehrkosten oder gar nicht zugelassen werden könnte. Er geriet wegen der Affäre stark unter Druck. Der Euro Hawk basierte auf einer älteren Variante der Global-Hawk-Drohne von Northrop Grumman, Triton dagegen auf einer wesentlich neueren Version.
Der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner begrüßte den Beschluss, auch wenn bis dahin viel Zeit verstrichen sei. "Es ist gut, dass die Ministerin endlich mal ein überdimensioniertes und überteuertes Rüstungsprojekt stoppt und stattdessen auf eine günstigere und risikoärmere Lösung setzt", erklärte er. "Ich hoffe, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) diesen Ansatz auch bei anderen Projekten wie (der Flugabwehr) TLVS, die bereits vor Beauftragung kostenmäßig völlig aus dem Ruder laufen, wählt."
Wehrbeauftragter fordert schnellere Materialbeschaffung
Der Mangel an Personal und einsetzbarer Ausrüstung stellt derweil nach Einschätzung des Wehrbeauftragten des Bundestags die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in Frage. Es gebe bei der Bundeswehr "zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie", sagte Hans-Peter Bartels (SPD) bei der Vorstellung seiner jährlichen Wehrberichts. Bartels forderte, die Beschaffung von Material radikal zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Bei der Beschaffung einfache Ausrüstungsgegenstände wie Stiefel, Westen oder Helme müsse die Bundeswehr nach dem "Ikea-Prinzip" verfahren: "Aussuchen, bezahlen und mitnehmen", sagte Bartels. Die Truppe setze immer noch zu sehr auf maßgeschneiderte Lösungen - "und dann dauert ein Rucksack eben Jahre". Das Beschaffungswesen der Bundeswehr sei "teilweise dysfunktional".
Bartels berichtete davon, dass sich viele Soldaten mit eigenem Geld moderne Ausrüstung kauften, weil sie mit dem Standardmaterial nicht zufrieden seien. "Fast alle Soldaten kaufen Dinge selbst", sagte der Wehrbeauftragte. Er berichtete von einem Panzergrenadier, der dafür 3000 Euro aus eigener Tasche ausgab.
In seinem Wehrbericht schreibt Bartels zudem, dass "mehr als 20.000 Dienstposten oberhalb der Mannschaftsebene nicht besetzt" seien. Die Zahl der jährlichen Neueinstellungen von Soldaten sei "auf einem Allzeittief", kritisierte er.
Auf die Frage, wie lange die Bundeswehr in ihrem derzeitigen Zustand einem Angriff standhalten könnte, entgegnete Bartels: "Die Bundeswehr als Ganzes wäre heute nicht aufgestellt oder gerüstet für kollektive Verteidigung."
- Nachrichtenagenturen Reuters, afp