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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit zwischen Scholz und Macron Habeck richtet deutlichen Appell an Macron
Olaf Scholz schließt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus, Emmanuel Macron will nicht mal Bodentruppen ausschließen. Deutschland und Frankreich zeigen sich strategisch uneinig.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in der Debatte über europäische Bodentruppen für die Ukraine deutlich widersprochen. "Das ist ausgeschlossen", sagte Habeck am Rande der Grünen-Fraktionsklausur in Leipzig zu Macrons Äußerungen vom Vortag. "Das ist immer die klare Linie gewesen, dass wir nicht Kriegspartei werden in der Ukraine." Das heiße, dass deutsche Soldaten nicht in die Ukraine gehen.
Habeck appellierte stattdessen an Macron, mehr zu tun. "Ich freue mich, wenn sich Frankreich Gedanken macht, wie es die Ukraine stärker unterstützen kann", sagte Habeck. "Aber wenn ich einen Hinweis geben darf, dann: Liefert mehr Waffen. Macht das, was ihr jetzt machen könnt, gebt der Ukraine die Munition und die Panzer, die zur Verfügung gestellt werden können, jetzt. Es ist wirklich der Zeitpunkt gekommen, die Ukraine nicht allein zu lassen."
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), kritisierte die strategischen Differenzen zwischen Berlin und Paris deutlich. Denn anders als Macron hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag abermals eine Hilfe an die Ukraine ausgeschlossen, nämlich die von Taurus-Marschflugkörpern.
"Deutschland muss diese Einschätzung definitiv nicht teilen, aber auffällig ist schon: Macron gibt den Antreiber. Der Bundeskanzler den Bremser", sagte Strack-Zimmermann t-online. "Für Europa übrigens fatal. Was für ein Bild, die Freunde argumentieren völlig unterschiedlich. Wird Putin freuen."
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), zeigte sich ebenfalls besorgt. "Im Agieren von Scholz und Macron zeigt sich leider, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit auf höchster Ebene nicht rund läuft", sagte Hofreiter t-online. "Wir brauchen dringend eine gemeinsame europäische Initiative für das, was jetzt in der Ukraine gebraucht wird, damit sie sich gegen die russischen Angriffe wehren kann." Die Gipfelbeschlüsse von Paris seien ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Hofreiter kritisierte sowohl Macron als auch Scholz. "Die Vorstöße des französischen Präsidenten sind der aktuellen Lage nicht angemessen", sagte Hofreiter. Sie sorgten für Unruhe und Uneinigkeit in einer Zeit, in der schnelles gemeinsames Handeln gefragt sei. "Scholz sorgt sich um eine Eskalation des Konflikts. Ich teile diese Sorge, befürchte aber der Kanzler bewirkt mit seinem Verhalten das Gegenteil dessen, was er erreichen will", sagte Hofreiter. "Denn Scholz sendet eine Botschaft der Schwäche, indem er der Ukraine dringend benötigte Waffen vorenthält. Putin nutzt jede Schwäche aus."
Scholz' Nein, Macrons Vielleicht
Am Montagmorgen hatte Bundeskanzler Scholz bei der Chefredaktionskonferenz der Nachrichtenagentur dpa zunächst ausführlich seine erneute Ablehnung der Taurus-Lieferung begründet. "Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland", sagte Scholz. Aus seiner Sicht wäre der Einsatz von Taurus aber nur unter Beteiligung des eigenen deutschen Personals möglich. Deshalb stehe das nicht auf der Tagesordnung.
Am Montagabend nach Abschluss der Ukraine-Hilfskonferenz in Paris, an der auch Scholz teilgenommen hatte, vertrat Macron dann eine ganz andere strategische Linie als sein Partner aus Deutschland. Nichts sei ausgeschlossen, um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern, sagte Macron.
"Wir werden alles tun, was nötig ist"
"Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu entsenden", sagte Macron. "Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann."
Macron ergänzte seine Worte mit einer offensichtlichen Spitze gegen Scholz. Viele Menschen, die heute "nie, nie", sagten, seien dieselben, die vor zwei Jahren gesagt hätten, "nie, nie Panzer, nie, nie Flugzeuge, nie, nie Raketen mit längerer Reichweite". Es war auch der deutsche Kanzler, der bei einer Lieferung lange gezögert hatte.
In der SPD wird nun darauf hingewiesen, dass Deutschland tatsächlich deutlich mehr Waffen an die Ukraine liefert als Frankreich.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa