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Angela Merkel will harten Lockdown – Opposition attackiert Kanzlerin


Lindner zu Ausgangssperren
"Rein symbolische Einschränkungen"

Von dpa, sje

Aktualisiert am 09.12.2020Lesedauer: 5 Min.
Christian Lindner: Der Fraktionsvorsitzende der FDP kritisierte Kanzlerin Merkel scharf.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner: Der Fraktionsvorsitzende der FDP kritisierte Kanzlerin Merkel scharf. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die Generaldebatte im Bundestag ist die Gelegenheit für die Opposition, mit der Regierung abzurechnen. Kanzlerin Merkel muss für ihren Corona-Kurs viel Kritik einstecken. Doch sie gibt sich kämpferisch.

Heißer Schlagabtausch im Bundestag: Am Mittwoch fand im Parlament die Generaldebatte zum Haushalt statt – traditionell Gelegenheit für die Opposition mit der Politik der Regierung abzurechnen. Überschattet wurden die Reden von der Corona-Krise. Gleichzeitig rechneten etliche Oppositionspolitiker mit Bundeskanzlerin Merkel ab – es war ihre letzte Generaldebatte, im September nächsten Jahres wird neu gewählt.

Bezüglich der aktuellen Corona-Lage im Land erklärte Kanzlerin Merkel, dass ihr die nach wie vor steigenden Zahlen Sorgen bereiten. Daher forderte sie, auch in Hinblick auf die neuesten Empfehlungen der Wissenschaftsakademie Leopoldina, nach Weihnachten eine Verschärfung des Lockdowns. Bis zum 10. Januar sollten Geschäfte geschlossen werden. Auch bei den Schulen müsse man über längere Ferien oder Digitalunterricht nachdenken. "Sonst entgleitet uns die Pandemie wieder und wieder", so die Bundeskanzlerin.


Das Weihnachtsfest sei dabei von besonderer Bedeutung: "Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und es anschließend das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben."

Trotz ihrer Lockdown-Forderung betonte die Kanzlerin die Bedeutung einer freiheitlichen Demokratie bei der Bekämpfung der Pandemie. Es seien nicht Verbote der Schlüssel zum Erfolg, es sei vielmehr "das verantwortliche Verhalten eines jeden Einzelnen und die Bereitschaft mitzumachen", sagt Merkel. Und die große Mehrheit der Deutschen habe gezeigt, dass sie bereit sei, die Regeln einzuhalten. "Dafür bin ich von Herzen dankbar, und das sollten wir alle miteinander sein."

Impfstoff ein "Hoffnungsschimmer"

Sie dämpfte die Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Pandemie, sobald ein Impfstoff zugelassen wird. "Wir werden im ersten Quartal noch nicht so viele Impfungen durchführen können, dass wir eine signifikante Änderung der Situation in der Bevölkerung spüren können", sagte sie. Dennoch seien sie ein "Hoffnungsschimmer".

In Hinblick auf den Haushalt verteidigte Merkel die Abkehr von der schwarzen Null. Die Neuverschuldung mit dem neuen Haushalt sei notwendig: "Wir leben in einer Pandemie. Wir leben damit in einer Ausnahmesituation", sagte die CDU-Politikerin. "Und wir müssen etwas dafür tun, dass wir in dieser besonderen Situation auch besonders handeln, und das drückt dieser Haushalt aus." Deutschland sei ein wirtschaftlich starkes Land. Das wolle man auch in der Krise erhalten.

Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender des Koalitionspartners SPD, unterstützt die Lockdown-Pläne der Kanzlerin: Angesichts der derzeitigen Zahlen seien "weitere Beschränkungen geboten und verantwortbar". Um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzumildern, müsse man auch über höhere Steuern für Vermögende sprechen: "Breite Schultern müssen einen außerordentlichen Beitrag leisten, das ist nur gerecht", sagte er.

SPD geht auf Konfrontation mit der Union

Mützenich griff die Union jedoch auch scharf an: In Hinblick auf das Vorhaben großer Teile der CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt, mit Hilfe der AfD eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zu verhindern, sagte er: "Mit einer rechtsextremistischen Partei gemeinsame Sache zu machen, ist eine Grenzüberschreitung." Weiter: "Wer sich auf die AfD einlässt, geht daran zugrunde, und damit die Demokratie." Er habe dabei in den letzten Tagen Stimmen aus der Bundespartei vermisst.


Zudem kritisierte der SPD-Politiker Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Sie sollten nicht immer wieder das Zwei-Prozent-Ziel bedienen." Die Nato-Staaten hatten sich auf das Ziel verständigt, ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts zu steigern, was Deutschland jedoch seit Jahren deutlich verfehlt. Es sei eine "vollkommen falsche Herangehensweise", auf Abschreckung und militärische Stärke zu setzen.

"Sie vernichten ganze Branchen"

Die Redner der Opposition schlugen deutlich schärfere Töne an: Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD begann ihre Rede mit der Frage an Angela Merkel: "Wie viel Unheil wollen Sie in ihrer verbleibenden Amtszeit noch anrichten?" Sie warf der Kanzlerin einen "planlosen und grotesken Umgang" mit der Pandemie vor. "Sie sperren die Bürger ein und vernichten ganze Branchen", sagte Weidel. Nach der "Holzhammermethode" werde ein Lockdown verhängt, der mehr Unheil anrichte als er Nutzen habe.

"Frau Merkel, kommen Sie heraus aus Ihrem geistigen Wandlitz", kritisiert sie die Politik der Kanzlerin. Damit spielt die AfD-Politikerin auf den berüchtigten DDR-Rückzugsort an, in dem hochrangige Politiker im ehemaligen Ostdeutschland Westfernsehen schauten und wie in einer Wagenburg abgekapselt von der Öffentlichkeit ein luxuriöses Dasein frönten.

In einem Rundumschlag griff sie unter anderem die Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung an. "Nach 15 Merkel-Jahren ist Deutschland ein Land, das seine Grenzen nicht gegen illegale Einwanderung schützen will, aber seine Bürger mit Ausgangssperren überzieht und Heerscharen von Polizisten zur Kontrolle der Maskenpflicht im Zugverkehr abkommandiert." Sie warf der Kanzlerin vor, das Gespür für die Nöte der Bürger verloren zu haben. Merkel sei, "die beste Kanzlerin, die Grüne und Linke je hatten", führte sie aus, begleitet von zahlreichen empörten Zwischenrufen von Abgeordneten anderer Fraktionen.

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Auch Christian Lindner von der FDP kritisierte die Corona-Politik der Kanzlerin scharf. (Die Szene sehen Sie auch hier im Video.) "Die Halbwertzeit der Ankündigungen, Erklärungen und Verhaltensregeln wird immer kürzer. Und damit wird auch die wichtigste Ressource in dieser Krise immer knapper, nämlich die Berechenbarkeit staatlichen Handelns." Er bekannte sich zwar zu Maßnahmen wie Maske-Tragen uns Abstand-Halten, stellte aber einzelne Schritte der Pandemiebekämpfung wie Ausgangssperren in Frage. "Das sind rein symbolische Einschränkungen, die erstens unwirksam sind, zweitens unverhältnismäßig in die Freiheit der Menschen eingreifen und die drittens dem Publikum nur ein planvolles Vorgehen simulieren sollen."

Corona darf nicht Ausgangspunkt für nächste Schuldenkrise werden

Lindner kritisierte die Höhe der Schuldenaufnahme im Haushalt 2021 als völlig überzogen. Es sei möglich, diese zu halbieren – "und zwar ohne Voodoo und Zaubertricks." Deutschland dürfe nicht mehr Schulden machen als unbedingt notwendig und müsse so Stabilitätsanker in der Europäischen Union bleiben. "Wir haben eine fiskalische Vorbildfunktion für Andere in Europa", sagte der FDP-Politiker und warnte: "Die Coronakrise darf nicht der Ausgangspunkt der nächsten Euro-Schuldenkrise werden."

Zuspruch bekam Merkel hingegen von den Grünen: Bundesvorsitzende Annalena Baerbock sagte, dass sie der Forderung nach weiterreichenden Beschränkungen zustimme. Gleichzeitig forderte sie aber mehr Perspektive von der Regierung. Sie verlangt einen klaren Plan für die nächsten Monate: "Wann kommt was? Von einer Ministerpräsidentenrunde zur nächsten zu hangeln – das kann so nicht weitergehen." Von der Bundesregierung wünschte sie sich mehr Pragmatismus. Dabei denkt sie vor allem an die Schulen und Kinder: "Man kann Unternehmen mit Geld retten – aber Kinder nicht". "Gute Politik heißt zu handeln, und zwar im realen Leben", so Baerbock.

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Zudem forderte sie von der Regierung, die Ziele der Pandemiebewältigung nicht am Status quo vor der Krise zu orientieren. Man müsse dem Grundsatz "Build back better" folgen: "Mit den Milliardenpaketen muss jetzt auch der Grundstein dafür gelegt werden, dass es in Zukunft besser wird." Vor der Krise sei nicht alles gut gewesen, es hätten etwa Pflegekräfte gefehlt. "Einfach nur zu sagen, wir nehmen Geld in die Hand, und knüpfen dann an, wo wir vor der Krise waren – dann haben wir nichts gelernt. Das ist keine vorausschauende Politik."

Schärfere Kritik kam von den Linken. Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte an die Bundesregierung gerichtet: "Ihre Politik, die treibt seit Jahren den Keil der sozialen Spaltung immer tiefer in unsere Gesellschaft, und so machen Sie auch in dieser Pandemie weiter." Sie nannte die November-Soforthilfen für von der Schließung betroffene Betriebe "Zu-Spät-Hilfen". "So sichert man keine Existenzen, so schafft man keine Sicherheit." Die Linken-Politikerin warf der Regierung vor, auch jetzt in der Krise vor den Lobbyisten einzuknicken.

Mohamed Ali erneuerte die Forderung der Linken für eine einmalige Vermögensabgabe für "Superreiche, Multimillionäre und Milliardäre" in der Corona-Krise. Zudem müsse es "anständige" Löhne und Arbeitsbedingungen in Kliniken, Pflegeeinrichtungen, für Paketzusteller, LKW-Fahrer und Beschäftigte im Einzelhandel geben. Im Gegenzug kritisierte sie die Erhöhung der Rüstungsausgaben als unnötig. "Oder kann mir hier irgendjemand erklären, wie Kriegsgerät uns bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen soll?"

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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