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Asylstreit in der Union: "Deutschland droht irre zu werden"


Harte Fronten im Asylstreit
"Deutschland droht irre zu werden"

Von dpa, pdi

Aktualisiert am 17.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel und Horst Seehofer im Bundestag: Die Kanzlerin beharrt im Asylstreit weiterhin auf einer europäischen Lösung. Seehofer hält dagegen.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Horst Seehofer im Bundestag: Die Kanzlerin beharrt im Asylstreit weiterhin auf einer europäischen Lösung. Seehofer hält dagegen. (Quelle: ap)

Wer gibt nach - Merkel oder Seehofer? Bislang zeigt im Asylstreit von CDU und CSU keiner der beiden Politiker Kompromissbereitschaft. Dabei steht letztlich sogar die Regierungskoalition auf dem Spiel. Und sogar noch mehr.

Im hitzigen Unionsstreit um die Asylpolitik lässt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kein Abweichen von ihrer Position und damit Zugehen auf die CSU erkennen. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft beharrte sie am Samstag auf einer europäischen Lösung und blieb damit weiter auf Konfliktkurs zu ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser pocht darauf, Flüchtlinge - quasi im nationalen Alleingang - an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden.

Merkel beharrt auf europäischer Lösung

Nach einem Medienbericht betrifft dies derzeit etwa ein Viertel aller Asylbewerber. Bis Ende Mai hätten in diesem Jahr rund 78.000 Menschen Asyl in Deutschland beantragt, schreibt die "Passauer Neue Presse" und beruft sich dabei auf Zahlen des Innenministeriums, das diese nicht bestätigen wollte. Bis Mitte Juni seien 18.349 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen worden, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst waren. Sie hätten nach den geltenden Dublinregeln ihr Asylverfahren in dem EU-Staat durchlaufen müssen, in dem sie registriert worden waren.

Allerdings sind diese Zahlen weit niedriger, als zur Hochzeit der Flüchtlingskrise ab Sommer 2015. Damals kamen pro Tag bis zu 10.000 Menschen nach Deutschland.

Merkel betonte in ihrem Podcast, das Thema Migration sei "eine Herausforderung, die auch eine europäische Antwort braucht. Und ich halte dieses Thema für eines der entscheidenden für den Zusammenhalt Europas."

Die CSU-Führung will nicht mehr auf eine europäische Lösung warten, nachdem es Merkel seit Beginn der europäischen Flüchtlingskrise 2015 nicht gelungen ist, eine umfassende Einigung mit den EU-Partnern zu erzielen. Merkel setzt nun auf den EU-Gipfel am 28. und 29. Juni.

Offene Diskussion über die Asylpolitik

Der früherer Außenminister Sigmar Gabriel warf CDU und CSU vor, "unglaublich verantwortungslos" zu handeln. "Sie verhalten sich wie Oppositionsparteien, obwohl sie die Verantwortung für die Regierung tragen - etwas, was man bislang nur von der SPD kannte", schrieb er in einem Beitrag im "Tagesspiegel" und warnte: "Wer jetzt eine Regierungskrise in Deutschland herbeiführt, wird Europa zum Beben bringen."

Außerdem beklagt der frühere SPD-Chef, dass es nicht schon früher eine offene Diskussion über die Asylpolitik gab. "Weil wir uns nicht getraut haben, aufgeklärt und ohne Schaum vor dem Mund über die Möglichkeiten und Grenzen der Chancen und Risiken der Flüchtlingszuwanderung zu diskutieren, haben wir ein schwarzes Loch hinterlassen. Deutschland droht irre zu werden an dieser Frage", schrieb er auf seiner Homepage.

Merkel hatte bereits in den Vortagen die Möglichkeit ins Auge gefasst, mit einzelnen Ländern wie Italien oder Griechenland bilaterale Abkommen zu schließen, um dort bereits registrierte Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen zu können. Man sei sich zwar grundsätzlich einig, dass Asylanträge jeweils im Erstankunftsland der Migranten in Europa bearbeitet werden sollten. Die Zurückweisung sei aber in diesem Fall nicht das richtige Mittel, "weil es eine unilaterale Maßnahme ist".

"Spaltung Europas"

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ergänzte in diesem Zusammenhang, solche bilateralen Vereinbarungen erreichten im Grund das gleiche Ziel, wie es die CSU habe, aber in einem europäischen System. Vorbild könnte ein bestehendes Abkommen zwischen Frankreich und Italien sein.

Seehofer war am Vortag mit Kramp-Karrenbauer aneinander geraten. Diese hatte in einem Brief an die Parteimitglieder geschrieben, dass die von Seehofer geforderten Zurückweisungen an der Grenze die Gefahr bergen, "Europa weiter zu spalten und zu schwächen". Seehofer hielt ihr daraufhin in der "Süddeutschen Zeitung" vor, nicht seine CSU, sondern die CDU sei es gewesen, "die mit der Flüchtlingsentscheidung 2015 die Spaltung Europas herbeigeführt hat".

Fast wortgleich argumentierte am Samstag auch der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland: "Die deutsche Kanzlerin und ihre CDU haben Europa gespalten", erklärte er in einer schriftlichen Mitteilung. "Jetzt nach einer europäischen Lösung zu rufen, ist nicht nur wohlfeil und unrealistisch, es ist geradezu grotesk. Deutschland bricht mit seiner Asylpraxis europäisches Recht - und das seit Jahren."

Ende der Koalition?

Im Krisenjahr 2015 waren rund 890 000 Flüchtlinge weitgehend unkontrolliert nach Deutschland eingereist. Das verschärfte die Überforderung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), was nun auch der Behördenleiterin Jutta Cordt den Posten kostete. Sie hatte das Amt erst Anfang 2017 übernommen. Die 54-jährige Beamtin werde von ihren Aufgaben entbunden, teilte das Bundesinnenministerium am Freitagabend mit.

Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Ingo Senftleben rief die CSU zur Mäßigung und Kompromissbereitschaft auf. Eine Einigung sei zwingend notwendig, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). "Denn jedem ist doch klar: Ohne Einigung stellt sich automatisch die Frage nach der Zukunft der Unionsgemeinschaft." Dies käme auch dem Ende der Regierungskoalition gleich. "Und das würde ein politisches Erdbeben nach sich ziehen." Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber hielt im Redaktionsnetzwerk Deutschland dagegen: "Die Frage nach der Zukunft der Fraktionsgemeinschaft stellt sich für die CSU nicht. Die stellt sich allenfalls denjenigen, die den Weg des zuständigen Bundesinnenministers nicht mitgehen wollen."

Verwendete Quellen
  • dpa, Reuters, afp
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