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Zum journalistischen Leitbild von t-online.ARD-Wahlarena "War nicht meine Frage": Studentin bringt Merz ins Schleudern

In der ARD-Wahlarena stellten sich die vier Kanzlerkandidaten den Fragen des Publikums. Dabei kam es zu teils unterkühlten, teils auch humorvollen Interaktionen zwischen den Parteichefs.
An massiver Kritik an den Spitzenkandidaten seitens des Publikums mangelte es am Montagabend nicht – und die Gründe dafür waren vielfältig. Von der Wohnungsnot über die Asylpolitik bis hin zu steigenden Energiepreisen forderten die Bürger klare Ansagen von den Kanzlerkandidaten – und zeigten sich oft unzufrieden mit den Antworten. Dabei ging es mitunter durchaus hitzig zur Sache.
Gäste
- Olaf Scholz, SPD
- Friedrich Merz, CDU
- Alice Weidel, AfD
- Robert Habeck, Bündnis 90/Die Grünen
Den Anfang machte CDU-Chef Friedrich Merz. Er musste sich zunächst einer Reihe von Finanz- und Steuerfragen stellen, stellte aber auch fest, dass ein Thema im aktuellen Wahlkampf überraschend wenig Beachtung findet: "In diesem Wahlkampf wird erstaunlicherweise relativ wenig über Klimapolitik diskutiert", konstatierte der CDU-Chef. Dies erklärte er so: "Wenn Migrationskrise und Wirtschaftskrise plötzlich die Hauptthemen werden, dann rückt das Thema Klimaschutz ein bisschen weiter nach hinten."
Angesprochen auf sein eigenes Klimaschutz-Konzept, betonte er, dass Deutschland trotz seines vergleichsweise geringen Anteils an der Weltbevölkerung eine überproportionale Verantwortung trage: "Ich sage, wenn wir doppelt so viele CO₂-Emissionen pro Kopf haben wie der Weltdurchschnitt, dann haben wir ein Problem, und das müssen wir lösen."
Es gehe darum, Innovationen und technische Fortschritte zu erzielen. Wenig überraschend kritisierte er die Klimapolitik der Ampelregierung. Er betonte, dass der Klimaschutz mit der Bevölkerung gestaltet werden müsse: "Wir brauchen die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung für einen Weg, den wir gemeinsam gehen wollen."
Als Beispiel nannte er den Ausbau der Windkraft in Nordrhein-Westfalen, den er als "Wildwuchs" ohne Rücksicht auf die Bevölkerung bezeichnete: "Wenn es so gemacht wird, wie teilweise jetzt, dann verlieren wir die Bevölkerung auf diesem Weg."
Merz: "Wir sind uns in dieser Frage nicht einig"
Merz beantwortete auch Fragen zur Asylpolitik. Mit einer Studentin kam es zu einer hitzigen Diskussion. Die junge Frau verwies auf das Attentat von Aschaffenburg und argumentierte, dass viele Täter vergangener Anschläge psychisch krank gewesen seien. Anstatt den Fokus auf den Migrationshintergrund zu legen, müsse mehr in die psychologische Versorgung investiert werden – insbesondere für Menschen mit Migrationsgeschichte, die oft erst Jahre nach ihrer Ankunft Zugang zu therapeutischer Betreuung erhielten.
Merz entgegnete, dass die Anzahl der in Deutschland aufgenommenen Menschen "abstrakt für sich genommen zu hoch" sei. Zwar räumte er ein, dass psychische Erkrankungen eine Rolle spielten, stellte aber die Gegenfrage, ob es richtig sei, "so weiterzumachen wie in den letzten Jahren". Die Studentin hakte nach und wollte wissen, ob sich die CDU auch um eine bessere psychologische Versorgung für bereits in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund kümmern werde.
Merz kam kurz ins Schleudern, wollte darauf keine eindeutige Antwort geben, er erklärte stattdessen "dass diejenigen, die keinen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland haben, das Land so schnell wie möglich verlassen".
Den Vorwurf der Studentin – "Das war nicht meine Frage" – konterte Merz mit den Worten: "Das ist aber meine Antwort". Dann fasste er zusammen: "Wir sind uns in dieser Frage nicht einig."
Publikumskritik an Scholz: "Sie hatten Jahre Zeit, das aufzuholen"
Anschließend war Olaf Scholz an der Reihe. Der amtierende Kanzler musste sich an diesem Abend unter anderem massiver Kritik einer Frau aus dem Publikum zu den Themen Wohnungsnot und steigende Mieten stellen. Die Frau schilderte, dass sie bereits zweimal wegen Eigenbedarfskündigungen umziehen musste und ihre Miete sich nahezu verdoppelt habe. "Ich möchte bitte nicht das Wort Mietdeckel hören – ich will wissen, was Sie konkret tun werden", forderte sie von Scholz.
Scholz betonte, dass er für ein starkes Mietrecht eintrete und bestimmte Regelungen, die zu übermäßigen Mieterhöhungen führten, abschaffen wolle – etwa das Modell der möblierten Wohnungen. Das Thema Mietpreisbremse erwähnte er dennoch – und sprach sich für eine Verlängerung sowie eine verpflichtende Mietspiegelregelung aus. Für die Fragestellerin war das eine unzureichende Antwort. "Sie hatten sozialen Wohnungsbau angekündigt und nicht mal die Hälfte geschafft", warf sie Scholz vor. Der Kanzler räumte ein, dass die Baukosten zuletzt stark gestiegen seien und die Zielvorgaben schwer zu erreichen gewesen seien. Doch die Frau blieb hartnäckig: "Sie hatten Jahre Zeit, das aufzuholen."
Scholz gab sich, wie gewohnt, überzeugt von den eigenen Errungenschaften und den Leistungen seiner Kanzlerschaft. Die Kritik einer Therapeutin mit afghanischem Hintergrund, die eine bessere psychosoziale Versorgung für Migranten forderte und bemängelte, dass es keine ausreichende Finanzierung für psychotherapeutische Weiterbildungen gebe, ließ er nur bedingt gelten.
Gleichzeitig nutzte er die Gelegenheit, sich selbst für zwei Maßnahmen zu loben: Zum einen habe seine Regierung dafür gesorgt, dass Menschen, die hier leben, die deutsche Sprache sprechen und arbeiten, schneller die Staatsangehörigkeit erwerben können. Zum anderen habe Deutschland für die Zuwanderung von Arbeitskräften "das modernste Gesetz der Welt" geschaffen.
Scholz: "Dann muss man das austragen"
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Als die Fragestellerin jedoch konkret wissen wollte, warum die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung nicht im Wahlprogramm stehe, wich Scholz aus und verwies auf die Zuständigkeit der Länder.
Scholz betonte außerdem die Wichtigkeit eines guten Verhältnisses zu den USA. "Das ist seit Jahrzehnten auch ein Stück Lebensversicherung für Deutschland. Und das ist auch wichtig gewesen, weil wir ja nach 1945 und nach dem Faschismus auch den USA zu verdanken haben, dass wir in Deutschland wieder eine Demokratie entwickeln konnten."
Dennoch gab es auch Kritik an den USA: "Wenn zum Beispiel sich ein Vizepräsident einmischt in den deutschen Wahlkampf und sagt, extrem rechte Parteien sind gar nicht so schlimm. Ich sage, wir finden extrem rechte Parteien schlimm und wollen mit denen auch nicht zusammenarbeiten. Und dann muss man das austragen. Und das Gleiche gilt für die Frage der Wirtschaftsbeziehungen."
Alice Weidel: "Es ist alles gesagt"
Als Dritte stellte sich AfD-Chefin Alice Weidel den Fragen des Publikums. Ob sie denn an diesem Abend etwas über Olaf Scholz gelernt habe, wollte das Moderatorenduo zunächst wissen. Weidel verneinte trocken: "Ich habe ihn erlebt. In zwei Regierungen – und es ist alles gesagt." Scholz quittierte dies nicht minder kühl: "Frau Weidel bleibt sich treu, und ich weiß, warum ich sage: Mit dieser Partei darf man in Deutschland nicht zusammenarbeiten."
Ein Krankenhauspfarrer aus Kiel kritisierte, dass die AfD mit Begriffen wie "Remigration" ausländische Fachkräfte verschrecke, die in der Pflege dringend gebraucht würden. Die AfD-Chefin betonte, dass man wieder zwischen "Asyl" und Zuwanderung unterscheiden müsse und forderte eine konsequente Abschiebung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht. Das hypothetische Beispiel eines Pflegeazubis, der aufgrund seines Duldungsstatus laut AfD-Sicht dennoch abgeschoben werden müsse, wollte Weidel zunächst nicht konkret beantworten. Der Staat müsse sich an seine eigenen Gesetze halten. "Das tut der Staat seit zehn Jahren nicht. Es wird gegen das Grundgesetz verstoßen, gegen das Asylgesetz, gegen internationale Regeln."
Weidel: "Es wird gegen das Grundgesetz verstoßen"
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Weidel wurde auch mehrfach zum Thema gleichgeschlechtliche Partnerschaften befragt. Mehrere Personen im Publikum sahen einen Widerspruch zwischen ihrem persönlichen Lebensstil und dem AfD-Leitbild der Ehe zwischen Mann und Frau. Ein junger Mann aus Niedersachsen wollte wissen, wie Weidel als homosexuelle Frau Mitglied einer Partei sein könne, in der einige Mitglieder LGBTQ-Rechte in Frage stellen. "Mitglieder Ihrer Partei wollen Homosexuelle vielleicht mal wieder ins Gefängnis oder ins KZ stecken", meinte er. Weidel antwortete darauf nur allgemein und erklärte, dass sie wolle, dass junge Menschen in Freiheit aufwachsen können, ohne einen übergriffigen Staat, der ihnen vorschreibe, was sie zu tun und zu lassen hätten. "Ich wünsche Ihnen, dass Sie frei nach Ihrer Fasson leben können – so wie ich das auch kann."
Weidel ging auch auf das traditionelle Familienbild ihrer Partei ein. "Es ist ein Leitbild der Familie von Vater, Mutter, Kind. Es ist ein Leitbild, das auch ich mitvertrete, weil ich glaube, dass die Familie die Keimzelle unserer Gesellschaft ist. Gleichzeitig ist es aber so, dass Lebenspartnerschaften von Homosexuellen, von Frau und Frau, Mann und Mann, gleichgestellt sein sollten, ohne das Institut der Ehe zwischen Mann und Frau zu berühren."
Ob sie denn glaube, dass Björn Höcke das ebenfalls so sehe, fragte die Fragestellerin. Weidel lachend: "Ich nehme die Frage gerne mit. Ich glaube schon." Sie gestand auch ein, dass in ihrer Partnerschaft besonders das Thema Erbrecht oft diskutiert werde. "Wie ist das eigentlich erbschaftsrechtlich, wenn ich bei einem Anschlag versterbe?", so Weidel.
Habeck zu Weidel: "Weiter so"
Etwas lockerer als das Aufeinandertreffen von Scholz und Weidel lief im Anschluss die kurze Interaktion mit Robert Habeck ab. Auf die Frage des Moderatorenteams, ob man einander einen Rat geben könne, antwortete Habeck mit spürbarem Sarkasmus: "Weiter so, würde ich sagen." Weidel zeigte sich da freundlicher: "Ich wünsche Ihnen alles Gute. Viel Glück. Habe ich auch gestern Abend gewünscht. Ist doch alles gut."
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Habeck musste sich zunächst der Kritik eines Hausbesitzers stellen, der die Solarpflicht in Niedersachsen als enorme finanzielle Belastung beschrieb. Der Mann erzählte, dass er sein Dach sanieren müsse, aber keinen Kredit dafür bekomme, da Banken keine sicheren Förderzusagen abwarten könnten. Die Verpflichtung, eine Solaranlage zu installieren, erhöhe die Kosten massiv und sei schlicht nicht zu stemmen. Habeck erwiderte, dass Solaranlagen langfristig Geld sparen oder sogar Gewinne erwirtschaften könnten. Das Argument, dass die Bank dies in ihre Kreditentscheidung einbeziehen müsse, wollte der Hausbesitzer nicht gelten lassen: "Dann gehen wir zusammen zur Bank und klären das", so der Mann scherzhaft.
Habeck räumte an diesem Abend aber auch durchaus Selbstkritik ein – etwa beim Thema Baukonjunktur. Er erklärte, dass die Regierung bereits seit Ende 2022 wusste, dass eine Wirtschaftskrise drohte, aber versäumt habe, rechtzeitig ein großes Konjunkturpaket zu schnüren. "Da hätten wir ein großes Konjunkturpaket packen sollen und zumindest eins bauen im Bereich, wo Mieten niedrig sind, staatlich unterstützen sollen durch eine Gemeinnützigkeit, also Zuschüsse oder besser steuerliche Abschreibung, damit der Baumarkt nicht in die Knie geht." Das sei ein Fehler gewesen, den frühere Regierungen in Krisenzeiten, etwa mit der Abwrackprämie, vermieden hätten.
- ARD "Caren Miosga" vom 17.2.2025