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Lügen über Adolf Hitler: Experte ordnet Weidel-Gespräch mit Musk ein


Experte über umstrittenes Gespräch
Was Musk wirklich von Weidel will

InterviewVon Julian Seiferth

Aktualisiert am 10.01.2025 - 13:23 UhrLesedauer: 4 Min.
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Alice Weidel (l.) und Elon Musk: Die beiden sprachen fast eineinhalb Stunden lang miteinander. (Quelle: IMAGO/Guido Schiefer/imago)
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Im Gespräch mit Elon Musk verbreitet Alice Weidel unwidersprochen Lügen, auch über Adolf Hitler. Politikwissenschaftler David Sirakov analysiert ihre Strategie und Musks Interesse an der AfD.

Die AfD-Chefin spricht mit dem reichsten Mann der Welt auf seiner eigenen Social-Media-Plattform – und verbreitet dabei unter anderem Lügen über das deutsche Bildungssystem und Adolf Hitler. Widerspruch von Musk erfährt sie kaum.

Doch was bringt diese riesige Bühne der politischen Rechten? Im t-online-Gespräch erklärt der Politikwissenschaftler David Sirakov, warum Musk sich so sehr für Weidel interessiert und ob die Hitler-Äußerung ihr schaden wird.

t-online: Herr Sirakov, Elon Musk hat sich fast eineinhalb Stunden lang mit Alice Weidel unterhalten. Warum interessiert er sich für sie?

David Sirakov: Musks Interesse an den Rechtsextremen in Europa insgesamt ist eine Melange aus Kapital- und Wirtschaftsinteresse sowie eigener rechtskonservativer Gesinnung. Wir haben in den vergangenen Jahren einem Unternehmer bei seiner eigenen Radikalisierung zuschauen müssen.

Was will Musk von den europäischen Rechten?

Eigentliches Ziel sind meiner Ansicht nach seine anarchokapitalistischen Vorstellungen. Er möchte überall in der Welt frei von staatlichen Regulierungen unternehmerisch tätig sein. Hierzu braucht es aus seiner Sicht eine Schwächung von staatlichen Strukturen. Von den rechten und rechtsextremen Parteien erhofft er sich die größte Unterstützung hierfür. Deshalb spricht er sich für Milei in Argentinien, Reform UK in Großbritannien und die AfD in Deutschland aus.

Der US-Wahlkampf war in Deutschland ein wichtiges Thema. Interessieren sich die Amerikaner auch für den Wahlkampf in Deutschland?

Das hängt natürlich davon ab, wen Sie betrachten oder fragen. Das Ende der Ampelkoalition und die Neuwahlen sind Themen in den großen überregionalen Tageszeitungen in den USA. Nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung nimmt das wahr. Das Leben des Durchschnittsamerikaners wird davon nicht tangiert. Die breite amerikanische Öffentlichkeit interessiert sich daher auch nicht für den deutschen Wahlkampf.

Hat sich das Gespräch denn dann für Weidel gelohnt?

Sie wird diesen PR-Coup ausschlachten und ihre Social-Media-Präsenzen damit fluten. Es war für Alice Weidel die Möglichkeit, unwidersprochen irreführende und Falschbehauptungen ebenso wie Relativierungen ihrer in Teilen gesichert rechtsextremen Partei zu verbreiten. Zudem hatte sie die Aufmerksamkeit des reichsten Unternehmers der Welt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob dieser Auftritt zu mehr Wählerstimmen führt.

Warum?

Teilgenommen haben überwiegend englischsprachige oder englisch verstehende Accounts, die ohnehin schon ein rechtskonservatives Weltbild vertreten.

David Sirakov
David Sirakov (Quelle: privat)

Zur Person

David Sirakov ist Politikwissenschaftler und Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, einer Bildungseinrichtung mit Fokus auf die transatlantischen Beziehungen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der US-Innenpolitik, mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung und den Aufstieg des Populismus in Europa und den USA sowie die Außenpolitik der USA.

Viele reden heute über Weidels unwahre Aussage über Adolf Hitler, den sie wahrheitswidrig als Linken, Sozialisten und Kommunisten bezeichnete. Wird ihr das eher schaden oder nützen?

Ich glaube nicht, dass ihr das schaden wird. Auch dieses Gespräch, das wir beide führen, ist Teil der Berichterstattung darüber. Das sind alles Dinge, die zur populistischen Rhetorik dazu gehören. Wir sehen das auch bei anderen rechten Politikern: Es ist der stetige Versuch, rhetorische Grenzen zu überschreiten und eins draufzusetzen. Sie will die Grenzen des Machbaren austesten und erweitern. Das war ja nicht das einzig Bemerkenswerte – ihr Gespräch mit Elon Musk war in vielen Punkten vollkommener Unsinn und ein wilder Ritt durch Verschwörungsmythen.

Ist Weidel in den USA mit ihrer These über Hitler anschlussfähig?

Nein. Zwar sind die Kenntnisse in den USA über die deutsche Geschichte und solche tiefer gehenden Aspekte eher rudimentär, doch handelt es sich bei Weidels Äußerung um eine "dog whistle".

Sie meinen eine vermeintlich harmlos daherkommende Einlassung, die für eine bestimmte Zuhörerschaft gedacht ist.

Genau, in diesem Fall eine rechtsextreme. In diesen Kreisen wird Weidels Behauptung über Hitler häufig getätigt. Sie soll im Kern die politische Linke diskreditieren. Natürlich ist das historischer Unsinn, der vielfach widerlegt wurde. Aus der Selbstbezeichnung auf den tatsächlichen Kern zu schließen, ist ohnehin ein sehr schlechter Ratgeber. Die Deutsche Demokratische Republik etwa war alles andere als demokratisch.

Warum zielt Weidel ihrerseits so stark auf ein englischsprachiges Publikum? Vor einigen Tagen gab sie ja bereits einem rechten US-Magazin ein Interview, in dem sie unter anderem von deutscher Sklaverei gegen die USA sprach und über angebliche "sexuelle Fantasien" politischer Gegner herzog.

Sie zielt auf den reichsten Mann der Welt. Dass dieses Gespräch auf seiner Plattform X stattfand, war ein – vielleicht willkommener – Nebeneffekt.

Das Gespräch wird wohl auch von der Bundestagsverwaltung daraufhin überprüft, ob es sich möglicherweise um eine illegale Wahlkampfspende handelt.

Weidel verspricht sich Unterstützung von Musk – sei es finanziell oder geldwert, beispielsweise durch höhere Aufmerksamkeit auf X. Wir können seit geraumer Zeit beobachten, wie dortige Aufmerksamkeit in die mediale Berichterstattung fließt. Unser Gespräch zeigt das ja auch anschaulich.

Dort äußern sich schließlich nicht nur Musk, sondern unter anderem auch Donald Trump. Die beiden gehören zu den mächtigsten Menschen der Welt.

X entwickelt sich zunehmend zu einer Kommunikationsplattform für Rechtsextreme und Verschwörungserzählungen. Deshalb muss darüber nachgedacht werden, ob wirklich jeder Post von Trump, Musk oder anderen tatsächlich einen entsprechenden Nachrichtenwert hat.

Herr Sirakov, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit David Sirakov
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