Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Pläne für neue Parteijugend Diese Aussage von Faeser sorgt jetzt für Turbulenzen in der AfD
Die AfD plant eine stärkere Einbindung ihrer Jugendorganisation in die Mutterpartei. Teile der Jungen Alternative aber protestieren. Jetzt erschwert eine Aussage von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) das Vorhaben zusätzlich.
Der Aufschrei war laut, von einer "Überrumpelungstaktik", "völligen Entmachtung" und "Gleichschaltung" war die Rede. Jetzt aber scheint eine Vollblockade aus der rechtsextremen AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) vorerst abgewendet: Sie will sich in der Diskussion um ihre Zukunft und eine stärkere Eingliederung in die Mutterpartei nun offenbar einbringen.
Der Ausgang dieses Prozesses aber ist ungewiss – unter anderem, weil gerade eine aktuelle Aussage von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zu einem JA-Verbot die Runde in der AfD macht. Die taugt, um die bisherige interne Argumentation der AfD-Spitze über den Haufen zu werfen.
Faesers Aussage aber ist umstritten – nicht nur in der AfD, sondern auch bei den größten Kritikern der Partei.
"Keine generelle Sperre"
Zuerst einmal klingt nun vieles nach Kooperation: Der Bundeskonvent der JA, in dem sich die Vorsitzenden der JA-Landesverbände sowie des JA-Bundesverbands am Mittwochabend zusammengeschaltet haben, hat nach Informationen von t-online eine Satzungskommission eingerichtet. Sie soll bis zum 19. Dezember Änderungen am gerade öffentlich gewordenen Vorschlag der Mutterpartei oder womöglich einen eigenen Antrag für die Integration der Jugendpartei in die AfD erarbeiten.
Das bestätigte der Bundesvorsitzende der JA, Hannes Gnauck. "Natürlich gibt es kritische Stimmen in der JA", sagte Gnauck t-online. "Aber ich nehme eine große Konstruktivität wahr, es gibt keine generelle Sperre."
In einigen JA-Verbänden – vor allem in den radikalsten wie Brandenburg, Thüringen und Nordrhein-Westfalen – ist die Skepsis allerdings weiterhin groß gegen eine Eingliederung in die Mutterpartei, wie sie dem AfD-Bundesvorstand vorschwebt. Die Brandenburger JA-Vorsitzenden bezeichneten das Ansinnen in einem Schreiben an ihre Mitglieder zuletzt als "Armutszeugnis", das die Auflösung der JA bedeute und dem man keinesfalls zustimmen wolle. Sie dürften auf einen eigenen Entwurf dringen, der der JA sehr viel mehr Freiheiten einräumt, als der Bundesvorstand es bisher vorsieht.
Vorstand will mehr Kontrolle
Der AfD-Bundesvorstand will die Jugendorganisation enger in die Partei einbinden. Sie soll in Zukunft nicht mehr wie bisher ein eigenständiger Verein sein, sondern weitgehend den Regeln und Schiedsgerichten der Mutterpartei unterworfen werden. Ein entsprechender Antragsentwurf der AfD-Spitze wurde Anfang der Woche öffentlich, zuerst berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) darüber.
Die AfD-Spitze wünscht sich in dem Entwurf weitreichende Durchgriffsrechte: So soll der JA-Vorstand zum Beispiel mit einer Zweidrittelmehrheit durch den AfD-Bundesvorstand abgewählt werden können. Alle JA-Mitglieder sollen außerdem auch Mitglieder der AfD werden. Das ist bisher nur bei rund der Hälfte der 2.400 JA-Mitglieder der Fall.
Auch Höcke war für den Schutz vor einem Vereinsverbot
Auch in den rechtsextremen Lagern der AfD, die der JA traditionell am nächsten stehen, gibt es generell Befürworter für den Plan, die Junge Alternative stärker in die AfD einzugliedern. Sie führen als stärkstes Argument dafür allerdings nicht größere Kontrolle an, sondern einen größeren Schutz der Jugendorganisation vor einem Vereinsverbot. Auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke befürwortete mit dieser Argumentation in der Vergangenheit eine stärkere Anbindung der JA an die AfD.
Vereine nämlich können vom Innenministerium relativ einfach verboten werden – die Hürden hierfür liegen jedenfalls sehr viel niedriger als für ein Verbot von Parteijugenden beziehungsweise Parteigliederungen. Der Verfassungsschutz stuft die Junge Alternative bereits seit Frühjahr 2023 als "gesichert rechtsextrem" ein, die Sorge vor einem Verbot ist seither groß.
Das Argument, die JA vor einem Verbot schützen zu wollen, wird auch vom AfD-Bundesvorstand als Argument für die Neustrukturierung angeführt – als Gewinn für die JA. "Oberste Priorität ist der Schutz der jungen Leute vor einem Vereinsverbot", sagte Hannes Gnauck gerade der "Welt". Er ist nicht nur Bundesvorsitzender der JA, sondern auch Mitglied im Bundesvorstand der AfD und soll während der Restrukturierung zwischen beiden Gremien vermitteln.
Faeser-Aussage stützt These extremster JA-Verbände
Das Misstrauen gegen diese Argumentation allerdings ist bei der JA groß. Grundlegend wird sie von den extremsten und kritischsten JA-Verbänden angezweifelt: Schon jetzt werde die JA von Gerichten – zum Beispiel im letzten Verfahren gegen den Verfassungsschutz – als Parteijugend und "Teilorganisation" der AfD zugerechnet. Deswegen falle sie auch unter Schutz vor einem Vereinsverbot, heißt es unter anderem im Schreiben der Brandenburger Vorsitzenden an ihre Mitglieder.
"Wahrheitswidrig" werde parteiintern behauptet, die JA sei ohne Restrukturierung "einem Vereinsverbot schutzlos ausgeliefert", so die Brandenburger weiter. Es würden "falsche Tatsachen kommuniziert oder wesentliche richtige Tatsachen weggelassen". Und es dränge sich "der Verdacht auf, dass hier eine Drohkulisse aufgebaut werden soll, unter der sich unsichere Mitglieder fügen sollen".
Überraschenderweise scheinen die Rechtsextremisten in diesem Punkt dieselbe Auffassung zu haben wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin nämlich wurde im nicht öffentlich tagenden Innenausschuss des Bundestags in dieser Woche kritisch befragt, warum sie die JA als Verein noch nicht verboten habe. Die Innenministerin führte nach Informationen von t-online mit Blick auf bisherige Gerichtsentscheidungen an, dass die JA bereits Parteienprivileg genieße und ein Vereinsverbot so stark erschwert oder gar unmöglich würde.
Renner (Linke): "Bequeme Ausrede für die Innenministerin"
Allerdings kritisieren Abgeordnete, die sich mit dem Thema schon intensiv befasst haben, Faeser für diese Aussage allerdings scharf. "Ich halte das Argument für vorgeschoben, die Rechtsprechung ist hier keineswegs eindeutig", sagte die Linken-Abgeordnete Martina Renner t-online. Sie ist für die Gruppe die Linke im Bundestag Sprecherin für antifaschistische Politik und Obfrau im Innenausschuss.
"Es ist vielmehr eine bequeme Ausrede für die Innenministerin, warum sie in der Frage bisher völlig untätig geblieben ist", so Renner. "Das ist nur schwer verständlich mit Blick auf die Gefahr, die von der JA ausgeht." Ein Verbot nach Vereinsgesetz habe sofortigen Effekt: So könnten waffenrechtliche Erlaubnisse umgehend eingezogen und Mitglieder der JA aus der Bundeswehr ausgeschlossen werden, sagt Renner.
Hitzige Diskussionen bei der AfD
Für die AfD-Spitze könnte Faesers Aussage im Ringen mit ihrer Jugendorganisation nun zum Problem werden. Die nämlich kursiert bereits in der AfD – im Innenausschuss sitzen schließlich auch AfD-Abgeordnete.
In manchem Landesvorstand wird darüber nach Informationen von t-online schon hitzig diskutiert. Gut möglich ist, dass man der JA nun andere Angebote machen muss, um sie zur Restrukturierung zu bewegen – zum Beispiel eine bessere finanzielle Ausstattung der JA.
Knapp aber ist die Zeit, um eine Einigung zu finden: Am Samstag tagen auf einer Klausur in Berlin Landes- und Bundesvorsitzende und diskutieren auch über die JA-Änderung. Und die Anträge für den Bundesparteitag Mitte Januar müssen in genau zwei Wochen fertig sein.
- Eigene Recherchen