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AfD vs. Verfassungsschutz: Der Spitzenprovokateur vor Gericht


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AfD gegen Verfassungsschutz
Der Spitzenprovokateur vor Gericht


11.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Maximilian Krah: Der Spitzenkandidat meldet sich vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster zu Wort. (Quelle: IMAGO/Rüdiger Wölk/imago)
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Die AfD steht in Münster wieder gegen den Verfassungsschutz vor Gericht. Dieses Mal sagt ihr Spitzenkandidat für die Europawahl aus.

Maximilian Krah ist krank, seine Nase ist rot, er hustet immer wieder laut. Und er fühlt sich "ausreichend missverstanden", wie er betont. Deswegen sitzt der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl am Donnerstagmorgen in der ersten Reihe in Sitzungssaal 1 des Oberverwaltungsgerichts in Münster und berichtet: von seinen slowakisch sprechenden Kindern, von seiner sorbisch sprechenden Mutter, von seinem chinesischstämmigen Mitarbeiter.

Im Verfahren gegen den Verfassungsschutz in Münster geht es für die AfD um viel. Vielleicht um alles. Es ist der vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen Rechtsstreits der AfD gegen die Einstufung und Beobachtung durch den Verfassungsschutz als "rechtsextremistischer Verdachtsfall".

Zugleich will die Partei mit ihrem Widerstand verhindern, dass sie weiter nach oben gestuft wird, hinein in die Kategorie "gesichert rechtsextrem", und danach noch enger beobachtet wird. Die Vorbereitungen dazu laufen in der Behörde laut Medienberichten schon. Und im Bundestag wartet so mancher auf die Entscheidung aus Münster, um ein Verfahren anzustrengen, mit dem die AfD ganz verboten werden könnte.

Krah tritt als Vertreter des Bundesvorstands der AfD auf – und heute zugleich als Zeuge, der die Partei entlasten soll. Dabei gilt der Jurist aus Sachsen als einer der Radikalsten in der AfD. Er ist Vertreter des Höcke-Flügels, seine Verbindungen zur rechtsextremen Szene sind eng, in den sozialen Medien und bei Interviews äußert er sich so völkisch wie nur wenige seiner Kollegen.

Eine Art Provokateur vom Dienst, der fleißig daran arbeitet, Grenzen einzureißen, den Diskurs nach weit, weit rechts zu verschieben.

Das Volk ist das Problem

Der Verfassungsschutz zitiert vor Gericht in Münster und in seinen Schriftsätzen Krah und viele, viele andere Funktionäre. Vor allem zum Volksbegriff, den die AfD verwende, hat sie ihn am letzten Verfahrenstag Mitte März häufig angeführt – mit Zitaten, in denen Krah sich gegen illegale Einwanderung wende, gegen einen "Melting pot" in Deutschland, gegen die fortschreitende "Afrikanisierung" Deutschlands.

Es sind Belege für einen von drei großen Gründen, die der Verfassungsschutz für eine Beobachtung der AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln ins Feld führt: Die AfD unterscheide zwischen einem rechtlich definierten Staatsvolk und einem ethnischen deutschen Volk. Also: zwischen Deutschen ohne Migrationshintergrund und Deutschen mit Migrationshintergrund.

AfD-Funktionäre diskriminierten Letztere immer wieder, setzten sie pauschal herab – und behandelten sie so als "Bürger zweiter Klasse", wie Verfassungsschutz-Anwalt Wolfgang Roth ausführt. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz, so Roth, das Gleichbehandlung und Menschenwürde garantiere und Diskriminierung aufgrund von Herkunft untersage.

"Das ist ein großer Popanz"

Krah, der gerne über Ethnien, Kultur und Gene spricht, in diesem Kontext vor Gericht zu bringen, scheint auf den ersten Blick für die AfD riskant. Doch Krah ist selbst Jurist, redegewandt und vehementen Widerspruch gewohnt. Vor seinem Einzug ins Europaparlament für die AfD übernahm er als Rechtsanwalt am liebsten hochbrisante Fälle mit eindeutiger politischer Ausrichtung – so verteidigte er einen Bischof wegen Holocaust-Leugnung oder Männer, die in Sachsen einen Flüchtling an einen Baum gefesselt hatten.

Krah also spricht über zwei seiner acht Kinder, die er in der Schule Slowakisch lernen lasse. Über seine Mutter, die Sorbisch spricht. Über seinen Mitarbeiter mit chinesischen Wurzeln, der in der AfD nie schlechte Erfahrungen gemacht habe. Über zwei seiner TikTok-Videos, die sich an Deutschtürken richteten und besonders erfolgreich gewesen seien. Die Botschaft ist klar: Er könne gar kein Rassist sein.

Lange spricht Krah auch über die Sorben, eine kleine anerkannte Minderheit in Deutschland, und Südtirol als Provinz Italiens, in der auch Deutsch als Sprache verankert ist. Krah will aus solchen Beispielen ableiten, dass die Unterscheidung zwischen Pass und Ethnie, zwischen Staatsbürgerschaft und Herkunft, doch in Ordnung ist – so lange sie eben nicht zu Diskriminierung führe. Und Diskriminierung liege ihm wie der AfD fern, behauptet er. "Das Leben ist bunt, es lebe die Vielfalt", ist der Gipfel seines Vortrags.

Schützenhilfe erhält Krah von Peter Boehringer – auch er sitzt im Bundesvorstand der AfD. Er betont: Von den Zitaten, die der Verfassungsschutz bringe, von der Unterscheidung zwischen Staatsbürgern und ethnischen Deutschen, finde sich nichts im Programm der AfD. "Das ist ein großer Popanz", schimpft Boehringer.

Der Fundus an Zitaten ist groß

Der Verfassungsschutz widerspricht nicht bei Boehringers Einschätzung zum AfD-Programm. "Die Programme sind entsprechend vorsichtig formuliert", sagt Anwalt Roth. Die Funktionäre der AfD aber unterschieden in der Breite deutlich zwischen Staatsbürgern und ethnischem Volk und werteten nicht-ethnisch Deutsche so ab. Roth führt ein Zitat nach dem anderen an, sein Fundus ist groß, die Zitatgeber zahlreich und prominent.

So kritisierten AfD-Funktionäre zum Beispiel die Geburtenrate von Migranten, zeichneten Schreckensbilder vom "Großen Austausch" und der "Umvolkung". Es sind unter Rechtsradikalen in wie außerhalb der AfD beliebte Narrative, die den Untergang des deutschen Volks durch Migration oder zunehmende Vermischung mit anderen Ethnien herbeifabulieren. Und der Gegensatz zu Krahs Behauptung "Das Leben ist bunt": eine ziemlich braune Angelegenheit.

Das alles täten AfD-Vertreter in Reden, in Tweets, in Interviews. In so ziemlich allen anderen möglichen Formen der öffentlichen Äußerungen – nur eben im Parteiprogramm nicht. Der Vorwurf des Verfassungsschutzes, aus dem Juristischen übersetzt: Die AfD wisse ganz genau, was sie sagt und tut, wie verfassungsrechtlich schwierig das ist und welche Folgen es für sie haben könnte. Genau aus diesem Grund halte sie ihr Programm größtenteils sauber.

"Diskursives Pingpong-Spiel" und noch kein Ende in Sicht

Es geht zwischen Kläger- und Beklagtenbank immer wieder hin und her. Häufiger aber als in den ersten beiden Verhandlungstagen im März schreiten am Donnerstag die Richter ein.

Als "diskursives Pingpong-Spiel" bezeichnet Richter Thomas Jacob, was er beobachtet. Die Fronten seien inzwischen argumentativ geklärt: Die AfD stütze sich auf ihre Programmatik. Der Anwalt des Verfassungsschutzes sage: Gemeint sei aber etwas anderes – die AfD habe eine "hidden agenda", also geheime Pläne.

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Das sei einer der "Knackpunkte" dieses Verfahrens, sagt Jacob – und das nicht nur beim Volksbegriff, sondern auch beim kurz darauf folgenden Part "islam- und ausländerfeindliche Äußerungen". "Die Argumente liegen auf dem Tisch und wir müssen es bewerten."

Wie sehr dabei Äußerungen im Verfahren wie die von Krah überhaupt eine Rolle spielen, ist fraglich. Die Schriftsätze, die die Richter über Monate und Monate vorab für das Verfahren durchgearbeitet haben, sind meterlang. Auch den Anwalt des Verfassungsschutzes unterbrechen sie immer wieder: Man kenne die Zitate, er brauche sie nicht einzeln vortragen, wirklich – man habe sie gelesen, äußerst gründlich.

Dennoch kann es noch lange dauern, bis es zu einem Urteil kommt. 457 Beweisanträge hat die AfD bereits angekündigt, die am Donnerstag noch kein Thema waren. Am Freitag sollen AfD-Mitglieder mit Migrationshintergrund aus Ostdeutschland aussagen und bezeugen, dass die AfD nicht rassistisch sei.

Das Gericht hat inzwischen entsprechend geplant – und 12 weitere Verhandlungstermine bis Anfang Juli angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen beim Prozess in Münster
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