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Friedrich Merz: CDU-Chef erntet Kritik wegen populistischer Behauptung


Kritik an CDU-Chef
"Merz entwickelt sich zur echten Gefahr für die innere Sicherheit"

Von dpa, afp, t-online, job, ann

Aktualisiert am 28.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Friedrich Merz (Archivbild): Der CDU-Chef distanziert sich klar von der AfD.Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Der CDU-Chef hat erneut Empörung ausgelöst. (Quelle: Chris Emil Janssen/imago-images-bilder)
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Nehmen Asylbewerber den Deutschen die Zahnarzttermine weg? CDU-Chef Friedrich Merz erntet für seine Falschaussagen heftigen Gegenwind.

CDU-Chef Friedrich Merz hat mit seinen Falschbehauptungen über Zahnarztbesuche von Asylbewerbern große Empörung ausgelöst. Im "Welt-Talk" hatte er die Bundesregierung mit drastischen Worten dazu aufgefordert, Anreize für Migration zu reduzieren und gesagt: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine." Warum Merz' Behauptung falsch ist, lesen Sie hier. Den ganzen Welt-Talk können Sie zudem hier nachschauen.

Video | Merz provoziert im Welt-Talk mit Aussage über Asylbewerber
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Quelle: t-online

Linken-Chefin: "Die Rhetorik von Merz ist brandgefährlich"

Linken-Chefin Janine Wissler kritisiert CDU-Chef Friedrich Merz für seine Äußerungen scharf. "Friedrich Merz entwickelt sich zu einer echten Gefahr für die innere Sicherheit", sagte Wissler t-online. "Seit Monaten liefert er sich einen ekelhaften Überbietungswettbewerb mit der AfD und schürt ganz bewusst Stimmung gegen Migranten."

Dabei scheue Merz auch vor Falschbehauptungen nicht zurück, wie sich nun wieder zeige, so Wissler. Denn Asylsuchende hätten erst nach anderthalb Jahren den gleichen Anspruch auf medizinische Versorgung wie Sozialhilfeempfänger. Dass Menschen lange auf Arzttermine warten müssten und die Kassen nicht die vollen Kosten übernehmen, habe "überhaupt nichts mit Zuwanderung zu tun", so Wissler.

"Die Rhetorik von Friedrich Merz ist brandgefährlich, er schürt Stimmungen, die in Gewalt und Terror umschlagen", so Wissler weiter. Ob Merz' Aussagen zu "kleinen Paschas", "Sozialtourismus" oder jetzt zu den Zahnärzten: "Solche Parolen hat man vor 20 Jahren in der Öffentlichkeit nur von der NPD gehört, heute drischt sie der Vorsitzende einer Volkspartei, die das Wort christlich im Namen trägt." Die Mitglieder der CDU sollten sich überlegen, wie lange sie einen Vorsitzenden, der Rechts-Außen-Positionen vertrete, noch akzeptieren wollten.

Grünen-Politiker Hofreiter sieht "neuen Tiefpunkt"

Grünen-Politiker Anton Hofreiter warf Merz vor, zuletzt "wiederholt eine rechtspopulistische Wortwahl gebraucht" zu haben. "Seine jüngsten Äußerungen sind ein neuer Tiefpunkt", sagte Hofreiter t-online.

Die "nachweisbar falschen Aussagen" ließen nur zwei Möglichkeiten zu: "Entweder glaubt Friedrich Merz selbst an rechte Fake News oder er lügt mit Absicht. Beides ist eines Vorsitzenden einer großen demokratischen Partei unwürdig", sagte Hofreiter. "In unserer polarisierten Zeit braucht es dringend anständige Konservative, die sich klar von Rechtspopulisten und Rechtsextremen abgrenzen."

Faeser: Erbärmlicher Populismus

Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin für die Hessen-Wahl, widersprach Merz ebenfalls deutlich. "Das ist erbärmlicher Populismus auf dem Rücken der Schwächsten. Wer so spricht, spielt Menschen gegeneinander aus und stärkt nur die AfD", schrieb sie auf X, ehemals Twitter. "Und es ist falsch: Denn Asylsuchende werden nur behandelt, wenn sie akut erkrankt sind oder unter Schmerzen leiden."

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang schrieb auf X: "Friedrich Merz spielt ganz bewusst Gruppen gegeneinander aus, verbreitet dabei Falschinformationen. So wird kein einziges Problem gelöst, aber Hass geschürt."

Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, forderte eine Entschuldigung. "Merz sollte den Anstand haben, sich dafür zu entschuldigen", sagte sie der "Rheinischen Post". "Hier wird bewusst die Entgleisung nach rechts gesucht." Merz spiele mit dem Feuer. "Das ist brandgefährlich."

Aus der CDU erhielt Merz Rückendeckung. "Friedrich Merz hat Recht", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, der "Rheinischen Post". Die Kritik an Merz sei "scheinheilige Empörung".

"Politische Polterei" – Zahnärztekammer widerspricht CDU-Chef

Die Bundeszahnärztekammer kritisierte Merz' Aussagen als unzutreffend. "Ich kann die Aussagen von Friedrich Merz ehrlich gesagt nicht nachvollziehen", sagte der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Christoph Benz, am Donnerstag der "Wirtschaftswoche".

Benz erklärte, dass es "keinen Zusammenhang" zwischen Zahnarztterminen und Zuwanderung gebe. "Beim Zahnarzt kriegt man in der Regel problemlos Termine", sagte er. Wartezeiten im ländlichen Bereich seien auf die geringe Zahnarztdichte zurückzuführen. "Wer starke Schmerzen hat, wird aber immer bevorzugt behandelt", betonte der Zahnärztechef und warnte vor "problematischen Pauschalaussagen". "Die derzeit übliche politische Polterei löst keine Probleme. Ich würde mich über mehr Sacharbeit in der Politik freuen."

"Dass sich Geflüchtete massenhaft in Deutschland die Zähne machen lassen, wie Friedrich Merz gesagt hat, das geht im Regelfall nicht", sagte Benz der "FAZ". Es gebe vor allem bei kosmetischen Aspekten Einschränkungen bei den Leistungen. Zwar werde bei Schmerzen keine Behandlung verweigert, ein gesetzlicher Anspruch auf Zahnersatz bestehe aber nur dann, wenn dieser "aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist". Da sei etwa der Fall, wenn jemand auf der Flucht seine herausnehmbare Prothese verloren habe.

Parteifreunde verteidigen Merz

Parteifreunde verteidigten den CDU-Chef unterdessen. "Friedrich Merz spricht das an, was die Menschen auf der Straße sprechen", sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Chef der christdemokratischen europäischen Parteienfamilie EVP, Manfred Weber (CSU) im Deutschlandfunk. "Wenn ich im Wahlkampf in Bayern unterwegs bin, sind das die Themen, die die Leute interessiert und bewegt."

Auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst verteidigte Merz. "Alle, die sich um Flüchtlinge kümmern, sind gerade am Limit, ob es die Kommunen sind, ob es die Schulen sind, die Kitas, die Kindergärten. Auch die Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfer sagen uns, es ist einfach echt zu viel. Das gilt auch für die sozialen Sicherungssysteme, und ich glaube, darauf wollte Friedrich Merz hinweisen", erklärte Wüst gegenüber der Deutschen Presseagentur am Donnerstag.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der "Rheinischen Post": "Friedrich Merz hat Recht. Die scheinheilige Empörung aus Reihen der Ampel sagt viel darüber aus, wie mit kritischen Meinungen umgegangen wird."

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rechtfertigte die Äußerungen von Merz. "Friedrich Merz hat auf eine Stimmung in der Bevölkerung hingewiesen, die sich auf die Belastung der Infrastruktur bezieht", sagte Dobrindt am Donnerstag. Dazu gehöre neben Kitas und Schulen auch das Gesundheitssystem. Belastungsgrenzen gebe es nicht nur bei Kommunen, sondern auch in Sozialsystemen. "Deshalb ist Ordnung und Humanität und Begrenzung von Migration gleichermaßen notwendig", betonte Dobrindt.

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Was Asylbewerbern zusteht – und was nicht

Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es in Paragraf 4 zu Leistungen bei Krankheit: "Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren." Eingeschränkt wird: "Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist."

Nach den ersten 18 Monaten des Aufenthalts, der sogenannten Wartezeit, werden Asylbewerber von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. "Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte, mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte", schreibt der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
  • Gespräch mit Anton Hofreiter (Grüne)
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