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Zum journalistischen Leitbild von t-online.SPD-Spitzenkandidat im Interview "Sein Auftritt war gefährlich und unanständig"
Am 8. Oktober sind in Bayern Landtagswahlen – und die SPD steht in den Umfragen bei neun Prozent. Spitzenkandidaten Florian von Brunn kritisiert den inhaltslosen Wahlkampf in Bayern und eine problematische Ampel in Berlin.
In kaum einem Bundesland sind die Sozialdemokraten so schwach wie in Bayern. Zwischen CSU, Freien Wählern und Grünen scheint kaum Platz für die SPD. Florian von Brunn soll das ändern. Sein ausgerufenes Ziel: 15 Prozent. Utopisch? Von Brunn findet nicht. Markus Söders Bilanz hält er für "miserabel", Hubert Aiwanger nennt er einen "Rechtspopulisten".
Im Interview mit t-online spricht er über seine Pläne für den Freistaat, über Migration und über unnötige Streitereien.
Herr von Brunn, am 8. Oktober sind in Bayern Landtagswahlen. Die SPD liegt in den Umfragen bei 9 Prozent, aller Voraussicht nach ohne Machtoption. Wie motiviert man sich da für den Wahlkampf?
Florian von Brunn: Ich bin sogar über den 8. Oktober hinaus motiviert. Es geht jetzt darum, einen Rechtsruck in Bayern zu verhindern. Wir brauchen weder Aiwanger noch die AfD, sondern Politik für ein bezahlbares Bayern mit Anstand und Vernunft.
Halten Sie die CSU nicht für anständig?
Von Brunn: Das bezieht sich auf Herrn Aiwanger. Sein Auftritt in Erding war gefährlich und unanständig. Sein Umgang mit der Neonazi-Affäre war unanständig. Und nachdem Markus Söder ihn nicht entlassen hat, gilt: Wer Söder wählt, wählt Aiwanger.
In Bayern haben die Christsozialen immerhin viele Jahre mit einer absoluten Mehrheit regiert. 2008 kamen die Freien Wähler dazu. Vor ein paar Jahren erfuhren die Grünen in Bayern ihren ersten Aufwind. Ist da noch Platz für die SPD?
Von Brunn: Die SPD ist in Bayern sogar extrem wichtig. Wir stehen für soziale Politik im Alltag: Bezahlbare Wohnungen, gute Pflege, kostenfreie Kitas, saubere und bezahlbare Energie - all das, was wir jetzt auch im Wahlkampf zum Thema machen.
Wie erklären Sie sich dann, dass die Sozialdemokraten in Bayern so schwach sind?
Von Brunn: Markus Söder hat es geschafft, dass in Bayern keiner über seine miserable Bilanz diskutiert. Der Wahlkampf hat sich noch gar nicht mit landespolitischen Themen beschäftigt. Wir diskutieren weder über fehlende Wohnungen noch darüber, dass die Ganztagsbetreuung dringend ausgebaut werden muss. Erst ging es um die Ampel, jetzt um Aiwanger.
Glauben Sie, dass Ihre Umfragewerte auch mit dem Unmut über die Ampel zu tun haben?
Von Brunn: Wir haben in Bayern ein großes Wählerpotenzial, das gleichzeitig empfindlich auf die Stimmung im Bund reagiert. Der verbrecherische Überfall von Putin auf die Ukraine, steigende Energiepreise, die Inflation - das macht sich auch in den Umfragen bemerkbar. Und der Streit zwischen Grünen und FDP in der Ampel hat niemandem geholfen. Das alles trägt dazu bei, dass wir nicht die beste Ausgangslage haben. Trotzdem denke ich, dass wir unser Ergebnis verbessern können.
Unzufriedenheit mit der Ampel wirkt sich auf SPD in Bayern aus
Nochmal anders gefragt: bekommen Sie Rückenwind aus Berlin?
Von Brunn: Ich bekomme von der SPD und vom Bundeskanzler sehr viel Rückenwind.
Und von der Ampel?
Von Brunn: Die Ampel hat viel Gutes umgesetzt. Sie hat die Menschen in der Krise entlastet und gleichzeitig schon viele wichtige Projekte aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Aber die Bilanz der Regierung wird derzeit vom Streit zwischen unseren Koalitionspartnern übertönt. Die Ampel muss konstruktiv zusammenarbeiten, Diskussionen hinter verschlossenen Türen klären und dann mit fertigen Lösungen rausgehen.
"Der Kanzler kann nicht ständig auf den Tisch hauen. Sonst wäre man irgendwann so weit, dass man die Vertrauensfrage stellen muss"
Florian von Brunn
Beim Fußball ist der Trainer verantwortlich für seine Mannschaft. Wäre es nicht die Aufgabe von Olaf Scholz, FDP und Grüne als Juniorpartner in seiner Koalition zu disziplinieren?
Von Brunn: Wir hatten noch nie so eine schwierige Koalition wie jetzt. In einer Konstellation mit drei Parteien ist sehr viel Vermittlung notwendig. Der Kanzler kann nicht ständig auf den Tisch hauen. Sonst wäre man irgendwann so weit, dass man die Vertrauensfrage stellen muss. Das will auch keiner.
Nochmal zurück zu Hubert Aiwanger: Sie fordern Aiwangers Entlassung aus dem Kabinett und als Vize-Ministerpräsident. Warum?
Von Brunn: Ich finde seinen Umgang mit dieser Neonazi-Hetzschrift sehr problematisch. Die ganze Sache ist für mich noch immer nicht glaubwürdig geklärt. Und es spielt eine Rolle, ob es einen stellvertretenden Ministerpräsidenten gibt, der in seiner Jugend Neonazi war oder nicht. Aiwangers Umgang war aus meiner Sicht unprofessionell und unwürdig. Es gibt zudem Parallelen zu anderen Auftritten. Etwa dem in Erding. Aiwanger hat auch schon 2012 Demonstrationen veranstaltet, sogenannte Montagsdemos gegen die Eurorettung, bei denen er bürgerkriegsähnliche Zustände an die Wand gemalt hat. Damals ist Aiwanger sogar mit Beatrix von Storch aufgetreten. Es gab massiven Zulauf von der NPD. So jemand kann Bayern aus meiner Sicht nicht auf internationalem Parkett vertreten. Das schadet uns und deswegen finde ich, dass er zurücktreten oder entlassen werden muss. Markus Söder hat sich und Bayern keinen Gefallen damit getan, dass er eingeknickt ist. Er hat Führungsschwäche gezeigt. Und ist jetzt ein Getriebener von Aiwanger.
"Er hat die demokratische Mitte verlassen – nach rechts. Er ist für mich ein Rechtspopulist"
Florian von Brunn
Ist Hubert Aiwanger für Sie rechts?
Von Brunn: Er hat die demokratische Mitte verlassen – nach rechts. Er ist für mich ein Rechtspopulist.
Trotzdem will Markus Söder weiter mit den Freien Wählern koalieren. Wie wäre es denn, wenn nicht, stünde die SPD für eine Koalition mit der CSU zur Verfügung?
Von Brunn: Markus Söder mauert sich gerade ein. Das ist nicht klug. Wirklich ausgeschlossen hat er nur die Grünen. Von Brunn: Wir haben immer gesagt, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Die SPD stellt in über 200 Städten und Gemeinden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Fast 4 Millionen Einwohner, also ein Drittel der Bevölkerung Bayerns, wird von der SPD regiert. Wir sind es in Bayern gewohnt, zu regieren.
Sie warnen davor, dass Bayern nach "rechts driftet". Gleichzeitig müssen Sie anerkennen, dass die Themen Migration und Flucht den Menschen auch im Freistaat massive Sorgen bereiten. Die Landrätinnen und Landräte fordern jetzt lückenlose Grenzkontrollen. Ihre Meinung dazu?
Von Brunn: Die große Mehrheit der Landräte und Landräte in Bayern sind von der CSU oder den Freien Wählern.
Die Forderung kommt auch von einer Ihrer Parteikolleginnen, der SPD-Landrätin Rita Röhrl.
Von Brunn: Ich verstehe die Sorge von Verantwortlichen in Städten, Gemeinden und den Landkreisen. Wir brauchen natürlich Lösungen. Es ist zum Beispiel wichtig, dass wir die Schleuser bekämpfen. Wir haben in Europa eine Regelung für eine gerechte Verteilung erreicht und für beschleunigte Asylverfahren. Das Sterben im Mittelmeer muss verhindert werden. Wir müssen die Zuwanderung regeln und ordnen. Ungeregelte Zuwanderung überfordert uns.
Das hat die Frage, ob Sie Grenzkontrollen befürworten, noch nicht beantwortet.
Von Brunn: Ich will nicht, dass geflüchtete Menschen durch Europa fahren, ohne registriert zu sein. Die Frage ist nur, ob wir jetzt wirklich wieder zwischen allen Ländern in Europa Grenzkontrollen einführen wollen. Da bin ich sehr skeptisch. Wenn es einen konkreten Anlass und vernünftige Gründe gibt, zum Beispiel an der Grenze zu Österreich, dann kann man darüber diskutieren. Aber nicht überall.
Der Ministerpräsident sagt es brauche einen Deutschlandpakt gegen unkontrollierte Zuwanderung. Hat er Recht?
Von Brunn: Söder versucht hier wieder die Flüchtlingskarte zu spielen. Er kommt mit den selben Forderungen wie bei der letzten Landtagswahl. Damit ist er 2018 schon auf die Nase gefallen. Er gießt wieder Öl ins Feuer. Was er vorschlägt, sind auch keine wirklich sinnvollen, konstruktiven Lösungen. Damals hat nur die AfD von dieser Diskussion profitiert.
Letzte Frage Was schätzen Sie an Markus Söder?
Von Brunn: Er kann sehr viele Selfies machen.
Herr von Brunn, vielen Dank für das Gespräch.
- Eigene Recherche: selbst geführtes Interview