Kandidaten für die EU-Wahl Mit dieser Überraschung geht die Linke auf Anti-Wagenknecht-Kurs
Carola Rackete wurde als Kapitänin und Flüchtlingsretterin bekannt. Nun soll sie der Linken als Parteilose Stimmen bei der EU-Wahl verschaffen.
Überraschung bei der Linken: Die prominente Klima- und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete soll im kommenden Jahr als Kandidatin der Linken bei der Europawahl antreten. Sie gehört zu einem Vierer-Spitzenteam, das die Partei am Montag vorstellte. Gleich zwei Parteilose sind Teil dieses Teams – neben Rackete auch der Sozialmediziner Gerhard Trabert.
Nach den Plänen der Linken soll auf Platz eins ihrer Liste Parteichef Martin Schirdewan antreten, der seit 2017 im EU-Parlament sitzt. Auf Platz zwei folgt Carola Rackete, auf Platz drei die Linke-Abgeordnete und Gewerkschafterin Özlem Demirel und auf Platz vier Gerhard Trabert.
Der Personalvorschlag sei "die Antwort" auf die Herausforderungen unserer Zeit, wie soziale Ungleichheit, die Klimakrise, aber auch die Krise der Demokratie und den aktuellen Rechtsruck, sagte Parteichef Schirdewan. "Wir öffnen die Linke für breite gesellschaftliche Bündnisse, um mit diesem Personal Antworten auf diese Krisen geben zu können."
Gesicht der Seenotretter – und Klimaaktivistin
Rackete war zum Gesicht der Flüchtlingshelfer am Mittelmeer geworden, als sie im Juni 2019 als Kapitänin des Schiffes "Sea Watch" 53 Menschen vor der Küste Libyens rettete und nach wochenlangem Warten trotz eines Verbots durch italienische Behörden den Hafen der Insel Lampedusa anlief. Der damalige Innenminister Italiens, Matteo Salvini, ließ sie festnehmen und unter Hausarrest stellen. Es folgte ein Strafverfahren, das 2021 eingestellt wurde.
Rackete unterstützt seit Jahren auch die Klimaproteste der Gruppe "Extinction Rebellion". Sie beschreibt die Rettung Geflüchteter im Mittelmeer als ihre Pflicht, den Naturschutz aber als ihr eigentliches Thema. Rackete hat Naturschutzmanagement und Nautik studiert und arbeitete mehrere Jahre als nautische Offizierin.
"Die meisten hätten sicher nicht damit gerechnet, mich hier zu sehen", sagte Rackete bei der Vorstellung am Montag. "Ich auch nicht." Seit Jahren aber setze sie sich als Ökologin in Europa und weltweit für den Klimaschutz ein. "Überall, wo ich unterwegs war, wurde mir immer wieder bewusst, dass uns die Unterstützung einer starken parlamentarischen Linken fehlt."
Dem "Spiegel" sagte Rackete, dass ihr Mandat eines "für die Bewegungen" sein solle. "Für die Linke ist die Absprache klar, dass sie diesen prominenten Listenplatz für Aktivistinnen und Aktivisten freimacht." Im Dialog mit Aktivisten solle ausgearbeitet werden, wie das Mandat am besten ausgefüllt werde.
Die Wahl von Rackete gilt als deutliche Abgrenzung der Parteispitze gegen den Kurs der Linken-Abgeordneten Sahra Wagenknecht, die mit der Gründung einer eigenen Partei liebäugelt. Während Rackete für eine möglichst offene Flüchtlingspolitik steht, kritisiert Wagenknecht ihre Partei immer wieder für einen Kurs der "offenen Grenzen für alle".
Sie erwarte mehr von der Partei, sagte Rackete am Montag. Der Richtungsstreit zwischen der Linken-Spitze und Sahra Wagenknecht habe der Partei geschadet. Wichtig sei jetzt ein klärender Prozess. Ihre Leitpfeiler dabei: "Menschenrechte messen sich am Umgang mit den Schwächsten. Die Klimakrise ist die größte Gerechtigkeitskrise der Welt."
Skepsis gegen Rackete
Der Arzt und Sozialmediziner Gerhard Trabert trat bereits 2022 für die Linke bei der Wahl des Bundespräsidenten an. Mit einem Arztmobil versorgt er wohnungslose Menschen. Er legt einen starken Fokus auf soziale Ungerechtigkeit, Armut und ihre gesundheitlichen Folgen. "17 Prozent der EU-Bürger leben in überbelegten Wohnungen", sagte er. Sieben Prozent müssten frieren. "Das ist nicht zu akzeptieren."
Özlem Demirel kandidierte 2019 gemeinsam mit Martin Schirdewan als Spitzenduo für die EU-Wahl und zog danach in das EU-Parlament ein. Als Gewerkschafterin setze sie sich für gerechte Löhne ein, kämpfe aber auch mit Herzblut für Frieden und Abrüstung, erklärte sie.
Bevor die vier Kandidaten zur Europawahl antreten können, muss ein Parteitag sie offiziell als Kandidaten aufstellen. Das gilt als aussichtsreich. Insbesondere in den ostdeutschen Landesverbänden soll es aber Skepsis gegenüber der Nominierung von Rackete geben.
In Sachsen, wo Rackete kandidieren soll, ist ihr Rückenwind von der Landesspitze aber sicher. Stefan Hartmann, Vorsitzender der Linken in Sachsen, twitterte am Montag, er wolle dem Vorstand die Unterstützung von Rackete vorschlagen.
Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken in Sachsen, schrieb, Rackete und Trabert seien "sehr gute Vorschläge". "Wir wären als Linke mit dem 'Klammerbeutel gepudert', wenn wir das Angebot nicht annehmen würden."
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- zeit.de: "Carola Rackete soll Spitzenkandidatin der Linken werden"
- spiegel.de: "Carola Rackete und Gerhard Trabert sollen für Linke ins EU-Parlament"
- Twitterprofil von Andrea Maurer