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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán: Putins bester Mann


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Viktor Orbán
Jetzt hält er sich nicht mehr zurück


Aktualisiert am 17.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Viktor Orban: Ungarns Ministerpräsident gibt sich nach der Wiederwahl radikal wie selten. Wie reagiert die EU?Vergrößern des Bildes
Viktor Orban: Ungarns Ministerpräsident gibt sich nach der Wiederwahl radikal wie selten. Wie reagiert die EU? (Quelle: Rob Welham/imago-images-bilder)
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Viktor Orbán regiert Ungarn erneut mit komfortabler Mehrheit. Er interpretiert das offensichtlich als Rückenwind für seine teils rechtsextreme Agenda. Die EU findet keinen Umgang damit.

Es ist nicht so, als würde Viktor Orbán seine Agenda sonderlich aufwendig verschleiern. Am Dienstag veröffentlichte Ungarns Regierungschef ein Video auf Facebook. Nacheinander zeigt es ihn und die Minister seiner neuen Regierung. Der Clip ist animiert wie der Vorspann eines Actionblockbusters. Da ist die Überschrift, die er seiner Mannschaft verpasst hat, eigentlich nur folgerichtig: "Harcosok klubja" – "Fight Club".

Es ist eine bemerkenswerte Beschreibung für das Kabinett eines Staates. Noch bemerkenswerter wird sie, wenn man die popkulturelle Anspielung bedenkt. Im Filmklassiker "Fight Club" gründet der schizophrene Protagonist Tyler Durden geheime Untergrundzirkel, in denen sich Männer aus Spaß an der Freude blutig prügeln. Zumindest anfangs. Am Ende sprengen sie die bestehende Ordnung buchstäblich in die Luft.

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Nun muss sich wohl niemand ernsthaft Sorgen machen, dass Viktor Orbán es Tyler Durden gleichtut und eine gewaltsame Revolution ausruft. Aber das muss er auch gar nicht. Bei der Wahl in Ungarn hat er sich gerade erst seine vierte Amtszeit in Folge gesichert. Erneut regiert er mit einer Zweidrittelmehrheit und kann so die Verfassung Ungarns nach Belieben ändern.

Eines Staates, den Orbán längst selbst eine "illiberale Demokratie" nennt. Und der zunehmend zu einem riesigen Problem für die Europäische Union wird. Nachdem sich Orbán im Wahlkampf etwas zurückgehalten hatte, gab er sich in seiner Antrittsrede am Montag so offen radikal wie selten. Der Gegner seines persönlichen "Fight Clubs"? Die EU und ihre Werte selbst.

Mischt euch bloß nicht ein

Orbáns Rede im Parlament von Budapest am Montag geriet zu einer einzigen Anklage an die Europäische Union im Speziellen und den "Westen" im Allgemeinen. Garniert wurde sie mit offen rechtsextremer Verschwörungstheorie.

Orbán sprach von einer "kulturellen Entfremdung zwischen der westlichen Hälfte Europas und Ungarn". Das liege daran, dass "wir an die christlichen zivilisatorischen Fundamente Europas und an die Nation glauben, die Brüssel aufgegeben hat".

Wie schon zuvor forderte Orbán die EU auf, die Souveränität der Nationalstaaten zu achten. Was ihm argumentativ vor allem dazu dient, Kritik daran abzuwehren, dass er Demokratie und Rechtsstaat schleift. Mischt euch nicht ein, so seine Botschaft. "Er setzt weiter auf volle Konfrontation mit Brüssel", sagt der Grünen-Europapolitiker und Antikorruptionsexperte Daniel Freund t-online.

Orbán baut seit Jahren die Justiz nach seinen Vorstellungen um, ebenso wie er mit einigem Erfolg versucht, die Medien auf seine Linie zu bringen. Erst im vergangenen Jahr hatte er LGBTQI-Gesetze verabschiedet, die "Werbung" für Homo- und Transsexualität verbieten. Die internationale Empörung ist regelmäßig groß, aber auch folgenlos.

"Selbstmörderische Experimente"

Neben der klassisch-populistischen Verurteilung eines angeblichen "Gender-Wahnsinns" buchstabierte Orbán in seiner Rede nun offen wie selten seine rechtsextreme Weltsicht aus. Er warnte vor dem "großen europäischen Bevölkerungsaustausch-Programm", das wie das Gendern für ihn ein "selbstmörderisches Experiment" sei.

Im Rahmen dieses angeblichen Programmes würden "christliche Kinder ausgetauscht" gegen "Migranten aus anderen Zivilisationen". Der "große Austausch" ist eine rechtsextreme Verschwörungstheorie. Sie behauptet, böse Eliten würden die "weiße Rasse" auslöschen wollen, und zwar nicht nur, indem Einwanderung gefördert würde, sondern auch mit Bürgerrechten wie dem Recht auf Abtreibung oder Rechten für Homosexuelle.

"Brüssel missbraucht seine Macht"

Das LGBTQI-Gesetz und der jahrelange Streit mit der EU um die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Syrien zeigt, dass all das für Orbán mehr ist als rechtsextreme Folklore für seine Sonntagsreden. In Brüssel bereitet das vielen Politikern schon lange große Sorgen. Auch weil Ungarn durch das politische System der EU viele Entscheidungen mit einem Veto verhindern kann.

Derzeit wird das einmal mehr beim Ölembargo gegen Wladimir Putins Russland deutlich, das die EU-Kommission und die meisten Mitgliedstaaten dringend verhängen wollen. Ungarn aber nicht, obwohl dem Land schon eine längere Übergangsfrist eingeräumt werden sollte. "Wir akzeptieren keine Wirtschaftsmaßnahmen, die die ungarischen Familien ruinieren würden", sagte Orbán in seiner Antrittsrede. "Brüssel missbraucht seine Macht und will uns Dinge aufzwingen, die uns fremd sind."

Orbáns Haltung dürfte aber wohl auch etwas mit seinen nach wie vor guten Beziehungen zu Putin selbst zu tun haben. "Viktor Orbán hat sich erneut ein Pro-Putin-Kabinett zusammengestellt", sagt Grünen-Europapolitiker Daniel Freund. "Mehrere Minister haben beste Verbindungen in den Kreml."

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis wurde angesichts der ungarischen Blockade am Montag dann auch deutlich: "Die ganze EU wird von einem Mitgliedstaat in Geiselhaft genommen."

Glückwünsche an den "lieben Viktor Orbán"

Trotzdem findet die EU schon seit Jahren keinen wirklichen Umgang mit Orbán. Vertragsverletzungsverfahren, wie sie die EU-Kommission vergangenes Jahr wegen der ungarischen LGBTQI-Gesetze eingeleitet hat, dauern lange und scheinen Orbán nicht sonderlich zu beeindrucken.

Eine Reform des politischen Systems der EU, die nationale Vetos für bestimmte Entscheidungen abschaffen würde, scheitert bislang an Bedenken auch anderer Mitgliedstaaten, die um ihren Einfluss fürchten. Und während schmerzhafte Konsequenzen für Orbán vor allem in ferner Zukunft warten, gratulieren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel dem "lieben Viktor Orbán" auf Twitter zur Wiederwahl, als sei er ein europäischer Regierungschef wie jeder andere.

Irgendwie aber wird die EU auf Ungarn einwirken müssen. Nur wie? Grünen-Europapolitiker Daniel Freund sagt: "Die EU muss jetzt zeigen: So geht es nicht weiter." Orbán könne "auch deswegen weiter so breitbeinig auftreten", weil es die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen "viel zu lange versäumt hat, entschlossen gegen Demokratieabbau und Korruption in Ungarn vorzugehen".

Freund fordert deshalb, Ungarn dort zu bestrafen, wo es Orbán besonders wehtut – beim Geld: "Orbáns Rechtsstaatverstöße müssen endlich mit Mittelkürzungen sanktioniert werden."

Die Hoffnung, dass sich das Problem Ungarn angesichts all der bissigen Kritik an der EU bald selbst erledigt, ist jedenfalls keine sonderlich realistische. Es sei "in unserem Interesse", sagte Orbán in seiner Rede zum Amtsantritt, dass Ungarn "im kommenden Jahrzehnt" in der EU bleibe. Vor allem eben, weil es sich für sein Land lohnt – in Euro und Cent.

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Es ist deshalb auch nicht sonderlich überraschend, dass Ungarn nun durchblicken ließ, unter welchen Bedingungen es sich das mit dem Veto beim Ölembargo noch mal überlegen würde.15 bis 18 Milliarden Euro seien für eine "vollständige Modernisierung der ungarischen Energie-Infrastruktur" nötig, sagte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó.

Grünen-Europapolitiker Daniel Freund nennt das schlicht: "Erpressung".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Infos der Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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