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Corona-Impfpflicht: So könnte sie in Deutschland aussehen – die Szenarien


Ab 18, 50, mit Bußgeld oder ohne?
Wie eine Impfpflicht für Deutschland aussehen könnte

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 26.01.2022Lesedauer: 5 Min.
Helferin bei einer Impfaktion im historischen Airbus A300 Zero G am Köln Bonn Airport: Etwa 42,2 Millionen Menschen oder 50,8 Prozent sind bereits geboostert.Vergrößern des Bildes
Helferin bei einer Impfaktion im historischen Airbus A300 Zero G am Köln Bonn Airport: Etwa 42,2 Millionen Menschen oder 50,8 Prozent sind bereits geboostert. (Quelle: C. Hardt/imago-images-bilder)

Kommt die Impfpflicht? Der Bundestag debattierte erstmals verschiedene Vorschläge von Abgeordneten zu einer verpflichtenden Corona-Impfung. Was die Entwürfe beinhalten.

Viele Maßnahmen der Politik in der Corona-Krise waren kontrovers, nun aber diskutiert der Bundestag das wohl umstrittenste Vorhaben: eine Impfpflicht gegen das Coronavirus.

Politiker aller Parteien hatten eine solche Impfpflicht lange ausgeschlossen. Doch die Impfquote stagniert, zurzeit liegt sie bei 73 Prozent. Mindestens 42,2 Millionen Menschen oder 50,8 Prozent aller Einwohner sind bereits geboostert. Zu wenig, kritisieren Befürworter der Impfpflicht. Die Maßnahme soll aus ihrer Sicht deswegen helfen, die Rate nochmals deutlich zu erhöhen und Lockdown-Maßnahmen in Zukunft überflüssig zu machen.

Ausgesprochene Gegner der Impfpflicht sind vor allem in den Reihen von AfD und FDP zu finden. Oft halten sie eine Impfpflicht für einen zu weiten Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen und lehnen sie als verfassungswidrig ab. Andere warnen davor, das Versprechen zu brechen, dass es in Deutschland niemals eine Impfpflicht geben werde. Wieder andere halten die Impfpflicht für sinnlos – sie werde Impfverweigerer ohnehin nicht überzeugen.


An diesem Mittwoch hat der Bundestag in einer sogenannten Orientierungsdebatte erstmals über die Impfpflicht diskutiert. Mehrere Ansätze werden zurzeit von unterschiedlichen Gruppen im Parlament erarbeitet. Über sie sollen die Abgeordneten im Bundestag frei und ohne Fraktionszwang abstimmen. Diese Vorschläge kursieren derzeit:

Vorschlag 1: Allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren

Dieser Antrag wird von sieben Abgeordneten aus allen drei Ampelfraktionen vorbereitet. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese gilt als Wortführer der Gruppe, ebenso beteiligt sind der grüne Gesundheitsexperte Janosch Dahmen und die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) favorisiert eine Impfpflicht ab 18 Jahren.

Im Kern geht es bei dem Antrag um drei verpflichtende Impfungen, eine vierte für ältere oder vulnerable Personen bleibt freiwillig. Ausnahmen müssen ärztlich festgestellt werden.

Sanktionen: Wer gegen die Pflicht verstößt, muss ein Bußgeld "im mittleren dreistelligen Bereich" zahlen, so Grünen-Politiker Dahmen. Bußgeld-Verweigerern droht ein Zwangsgeld, das je nach Vermögensstand unterschiedlich ausfällt und eine Obergrenze von 25.000 Euro haben soll. Zwangsmaßnahmen wie Erzwingungshaft sind nicht vorgesehen.

Frist: Die Impfpflicht soll auf ein bis zwei Jahre begrenzt werden, in der Hoffnung, bis dahin eine ausreichende Immunität in der Bevölkerung aufgebaut zu haben. Die Übergangsfrist für Ungeimpfte soll drei Monate betragen.

Impfregister: Der Antrag sieht nicht vor, ein nationales Impfregister aufzustellen. Dies sei aus Zeitgründen nicht praktikabel, so SPD-Mann Wiese.

Die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther warb im Bundestag für eine Impfpflicht ab 18. "Impfen ist der Weg aus der Pandemie", erklärte die stellvertretende Vorsitzende des parlamentarischen Gesundheitsausschusses. Deshalb stehe die Politik in der Verantwortung, die bestehende Impflücke zu schließen. Das Signal, Impfungen seien vor allem etwas für Menschen über 50, berge die Gefahr, dass die Impfbereitschaft bei Jüngeren abnehme. "Und das wäre kontraproduktiv."

Vorschlag 2: Impfpflicht ab 50 Jahren

Ein konkurrierender Antrag aus dem Plenum (je drei Parlamentarier aus der FDP und den Grünen) will die Impfpflicht nur für Personen über 50 Jahren einführen. Unter Federführung von FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann zielt der Antrag vor allem darauf ab, das Gesundheitswesen zu entlasten. Unter 50-Jährige und Menschen ohne Vorerkrankungen würden auch in einer Corona-Welle kaum einen Engpass in Kliniken verursachen, so das Argument. Daher soll der Fokus auf die Älteren und Vulnerablen gelegt werden. Ullstein nennt seinen Vorschlag einen "Mittelweg".

Zunächst ist ein verpflichtendes Beratungsgespräch für alle ungeimpften Volljährigen bei einem Arzt in einem Impfzentrum vorgesehen. Erst wenn dadurch die Impfquote nicht entscheidend ansteigt, greift die Impfpflicht ab 50 Jahren. Wie hoch diese Impfquote sein muss, soll der Expertenrat der Bundesregierung festlegen.

Sanktionen: Bei Verstößen sollen auch hier Bußgelder verhängt werden, bei Nicht-Zahlung droht ein Zwangsgeld.

Impfregister: Auch dieser Antrag will auf ein nationales Impfregister verzichten.

Ullmann sagte am Mittwoch: "Wir wollen die Menschen nur als Ultima ratio zur Vernunft verpflichten". Sein Antrag sei "angemessen, verhältnismäßig und geeignet". Auch die Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta unterstützt den Antrag. Damit könne es gelingen, die "Zumutung der Pandemie" endlich zu beenden.

Vorschlag 3: Keine Impfpflicht

Parlamentarier, die eine allgemeine Impfpflicht ausdrücklich ablehnen, scharen sich um das FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki. Hauptargument ist, dass die zugelassenen Impfstoffe die Übertragung des Coronavirus nicht verhindern, also keine "sterile Immunität" durch Impfung erreicht werde.

Kubicki nennt die Impfpflicht einen "schweren Grundrechtseingriff", der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei. Statt verpflichtender Maßnahmen setzen diese Abgeordneten auf Aufklärung wie Werbespots. Auch sollen Impfangebote verbessert werden.

In der Plenardebatte sagte Kubicki am Mittwoch: "Ich teile ausdrücklich die Auffassung, dass eine Impfung vernünftig ist. Trotzdem halte ich die Idee, der Staat lege für alle Bürgerinnen und Bürger fest, was vernünftig ist, zumindest für problematisch." Der FDP-Politiker nannte die Impfpflicht in seinem kurz gehaltenen Beitrag eine Maßnahme "auf Vorrat": Es sei nicht absehbar, welche Mutante im Herbst drohe, ebenso wenig, ob die zugelassenen Impfstoffe davor schützen könnten.

Union will eigenen Antrag einbringen – Kritik an Ampel

CDU/CSU haben einen eigenen Antrag angekündigt, aber erst, nachdem der Bundestag erstmals über die verschiedenen Anträge debattiert hat. Die Union kritisiert, dass sich die Ampel nicht auf einen Antrag einigen kann. Dies führe zu einer "Zersplitterung" der Debatte. Die Parteienfamilie will zudem ein Impfregister einführen, um die Impfpflicht besser zu kontrollieren.

In der Bundestagsdebatte am Mittwoch warf der Unionsabgeordnete Tino Sorge Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Versteckspiel vor. Lauterbach habe sich geweigert, einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten, auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebe keine Richtung vor, kritisierte Sorge in seiner Rede. "Man spielt solange Verstecken und hofft, dass irgendjemand ein Konzept zur Impfpflicht vorlegt, wenn man nur lange genug darauf wartet."

Auch Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CDU) erhob schwere Vorwürfe gegen die Ampel. Wegen des Fehlens eines eigenen Gesetzentwurfs warf sie der Bundesregierung am Mittwoch im Bundestag "Arbeitsverweigerung" vor. "Die Ampel ist in der Frage der Impfpflicht führungs- und orientierungslos." Die geplante Vielzahl von unterschiedlichen Anträgen im Parlament zeichne ein Bild der Planlosigkeit und führe zu Verunsicherung in der Bevölkerung.

AfD lehnt Impfpflicht "vollständig" ab

Die AfD hat ihre Ablehnung einer möglichen Impfpflicht im Bundestag bekräftigt. Man lehne diese sowohl für einzelne Berufsgruppen als auch allgemein "vollständig" ab, sagte Co-Fraktionschef Tino Chrupalla in der Debatte. Man sei an einem Punkt angelangt, an dem Impfstoffe schon fast eine religiöse Stellung erhielten.

"Wer nicht glaubt und von seinem Grundrecht auf Selbstbestimmung Gebrauch macht, ist automatisch ausgeschlossen." Chrupalla kritisierte zudem die verschärften Corona-Regeln im Bundestag und die Corona-Politik der Bundesregierung und forderte "Antworten zu den Wirkungen und Nebenwirkungen der Impfung".

Auch Gysi gegen Impfpflicht

Der Linken-Politiker Gregor Gysi hat sich klar gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus positioniert. Andere Länder wie Portugal, Spanien oder Dänemark hätten auch ohne eine Impfpflicht viel höhere Immunisierungsquoten erreicht, argumentierte Gysi am Mittwoch.

Das Pandemie-Management der Bundesregierung kritisierte er als Beispiel der "Desorganisation". Bremen zeige, dass es auch anders gehe, sagte Gysi mit Blick auf die dortige linke Gesundheitssenatorin, die mit "guter Organisation eine Impfquote von 86,1 Prozent erreichen" könne. "Aus diesem und aus vielen anderen Gründen bin ich gegen eine allgemeine Impfpflicht", sagte Gysi.

Er gab zu bedenken, dass eine Impfpflicht, um wirksam zu sein, mit Sanktionen einhergehen müsse. Das bedeute in letzter Konsequenz, dass Menschen, die nicht zahlen könnten, in Ordnungshaft müssten. Abgesehen von der sozialen Frage sei dies "völlig undenkbar".

Verwendete Quellen
  • Anträge der Ampelparteien
  • Nachrichtenagentur dpa
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