"Es geht um Infrastruktur" Walter-Borjans will Nord Stream 2 in Betrieb nehmen
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat sich für eine Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Streams 2 ausgesprochen. Damit widerspricht er der Grünen Annalena Baerbock, die rechtliche Probleme sieht.
Trotz Kritik des möglichen grünen Koalitionspartners plädiert SPD-Chef Norbert Walter-Borjans für eine Inbetriebnahme der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2. "Lieferanten kann man sich leider selten nach der Sympathie für ein politisches System aussuchen, das ist beim Öl ganz genauso", sagte Walter-Borjans der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). "Unabhängigkeit sichert man meiner Meinung nach nicht dadurch, dass man Verbindungen zu anderen kappt, sondern dass man möglichst viele Verbindungen zu möglichst vielen Partnern hat."
Deutschland beteilige sich an europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland und engagiere sich für die Einhaltung grundlegender Standards. "Es geht in diesem Fall aber nicht um Handel, sondern um eine Infrastruktur, die uns hilft, den Übergang unseres hochindustrialisierten Landes zur Klimaneutralität zu schaffen", sagte der SPD-Chef.
Bedenken wegen EU-Recht
Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte sich zuletzt gegen eine Betriebserlaubnis für Nord Stream 2 ausgesprochen. Nach europäischem Energierecht müsse der Betreiber der Gaspipeline ein anderer sein, als der, der das Gas durchleite.
Gleiches sagte auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. "Das europäische Recht gilt – als Voraussetzung für die Zulassung. Deutschland und Europa dürfen sich von Wladimir Putin nicht erpressen lassen", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstag). Zugleich warnte Röttgen vor einer Art Handel mit dem Kreml. "Es darf keinen Deal geben nach dem Motto: Deutschland nimmt es mit dem Recht nicht so genau, im Gegenzug schaltet Putin dafür den Gastransport frei. Ich bin gespannt, wie sich die SPD hierzu einlässt."
Die Bundesnetzagentur hat bis Anfang Januar Zeit, über eine Betriebserlaubnis für die umstrittenen Röhren zu entscheiden, die jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland liefern soll.
Ukraine will mehr Gas liefern
Vor dem Hintergrund des drastischen Anstiegs der Energiepreise hat Kiew den Europäern eine deutliche Erhöhung der Gaslieferungen angeboten. Der Vorsitzende des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Oleksij Danylow, sagte am Freitag vor Journalisten, Kiew habe derzeit einen Vertrag mit Russland, der ein Gastransitvolumen von 40 Milliarden Kubikmeter vorsehe. "Aber heute können wir unseren europäischen Freunden zusätzlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas anbieten."
Konkretere Angaben zu dem Angebot machte Danylow nicht. 55 Milliarden Kubikmeter entsprechen der jährlichen Kapazität der vor kurzem fertig gestellten Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Die Ukraine gehört zu den vehementen Gegnern der deutsch-russischen Pipeline, die Moskau aus ihrer Sicht eine "gefährliche geopolitische Waffe" an die Hand gibt.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa