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Zum Tod von Kurt Biedenkopf: Vom kleinen Professor zu König Kurt


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Zum Tod von Kurt Biedenkopf
Der kleine Professor ganz groß

MeinungEin Nachruf von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 13.08.2021Lesedauer: 3 Min.
Vom kleinen Professor zu König Kurt: Kurt Biedenkopf ist im Alter von 91 Jahren gestorben.Vergrößern des Bildes
Vom kleinen Professor zu König Kurt: Kurt Biedenkopf ist im Alter von 91 Jahren gestorben. (Quelle: sepp spiegl/imago-images-bilder)

Kurt Biedenkopf konnte druckreif reden und hätte vieles werden können. Doch er wählte die Politik, die für ihn auch ein Leidensweg war. Dann aber machten die Sachsen ihn zu ihrem König Kurt.

Man nannte ihn den kleinen Professor und darin steckte die ganze Ambivalenz, die Kurt Biedenkopf wie eine Aura umgab. Er war klug wie wenige Professoren an den Universitäten und wenige Politiker. Und er konnte so arrogant auftreten, dass sich weniger Gebildete die Krätze ärgerten und ihm dann eben, wegen seiner napoleonischen Größe, abschätzig den kleinen Professor nannten.

Er hätte vieles sein können. In Amerika hatte er studiert und dorthin hätte er mit seiner Eloquenz und seiner Rhetorik bestens gepasst. Er arbeitete in der Wirtschaft, beim Henkel-Konzern, und hätte dort Karriere machen können. Er war promovierter Jurist und hätte als Wirtschaftsanwalt viel Geld verdienen können. Und in der Europäischen Union standen ihm ohnehin alle Türen offen.

Aufgeben gab es für ihn nicht

Aber wie das so ist, mit diesen Vielfachbegabten, sie suchen sich genau das Feld aus, für das sie nicht prädestiniert sind. Darin liegt die Herausforderung ihres Lebens, ja ihr Lebenssinn. Also ging Kurt Biedenkopf in die Politik und nur sein Tagebuch, das er mehr für die Nachwelt als für sich führte, weiß genau, wie oft er diese Entscheidung bereute. Aber aufgeben gab es für ihn nicht. Scheitern war in seinem Eigenbild nicht vorgesehen. Die Welt würde am Ende schon merken, wer er war, und sich ihm fügen.

Biedenkopfs Nemesis war der gleichaltrige Helmut Kohl. Der holte ihn in die Politik, machte ihn zum Generalsekretär und zu seinem Vorzeige-Intellektuellen. Das ging gut, bis Biedenkopf ihn spüren ließ, wie wenig Kohl ihm geistig gewachsen war. Ein Fehler, ein typischer Fehler, eigentlich ein Anfängerfehler. Der angehende Kanzler ließ ihn fallen und verzieh ihm nie.

Neustart im Ruhrgebiet

Was machte Biedenkopf? Er hätte seinen Ausflug in die Politik zum vorübergehenden Vergnügen erklären können. Er hätte nach Bochum, wo er zu den Stars der nagelneuen Universität zählte, zurückgehen können. So vieles stand ihm offen, aber nein, er entschied sich für die Ochsentour, suchte sich einen Wahlkreis im Ruhrgebiet, wurde CDU-Landesvorsitzender und drehte wie gewohnt das ganz große Rad, worüber seine Parteifreunde, im Großdenken ungeübt, nicht amüsiert waren.

Aus dem kleinen Professor wurde ein Musterbeispiel für jemanden, der recht hat, aber nicht recht bekommt. Die Landes-CDU war froh, ihn wieder loszubekommen, und drehte wieder das kleine Rad. Biedenkopf schrieb schlaue Bücher und sorgte im Alleingang dafür, dass er im Gespräch blieb. Er sah in sich Kanzler-Material, wie denn auch nicht. "Spiegel" und "Zeit" gaben ihm Gelegenheit, seine Sicht der Dinge auszubreiten. Der kleine Professor war immer ein Ereignis, das Wellen schlug.

Aus dem kleinen Professor wurde König Kurt

Und dann kam die Wiedervereinigung. Und dann holte ihn die Weltgeschichte aus seinem Exil zurück. Und dann gaben ihm die Sachsen die Chance auf Rehabilitation. Sie wählten ihn 1990 zu ihrem Ministerpräsidenten. Er baute die absolute Mehrheit zweimal aus, was aus heutiger Sicht unvorstellbar ist. Nun endlich erntete er, was er eigentlich gar nicht gesät hatte.

Aus dem kleinen Professor wurde König Kurt. Er war beliebt, er sagte, was seine Untertanen dachten. Er renommierte weniger, er repräsentierte. Nun gut, Bundeskanzler wäre er lieber geworden, aber in Dresden freute er sich über das unverhoffte Glück der Wiederauferstehung.

Jahre lang blieb er König Kurt. Dann trat er zurück, umgeben von kleinen Affären, aber mehr noch, weil seine Zeit vorbei war.

Einer der Großen der alten Republik

Er zog sich an den Chiemsee zurück, zum Leben und zum Denken und zum Schreiben. Dort habe ich ihn besucht, sein Studierzimmer war ein eigener Seitenflügel des großen Hauses. Er las mir aus seinen Tagebüchern vor und sorgte mit Kommentaren fürs Verstehen der Zusammenhänge. In seiner Gegenwart schrumpfte nicht nur ich zum Studenten.

Kurt Biedenkopf blieb der Professor, der er von Gemüt und Charakter war. Einer der Großen im Betrieb der alten Republik und am Ende versöhnt mit dem Schicksal, das ihn in die Politik getrieben hatte.

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