Steinmeier über Pandemie "Die Nerven liegen blank, Freundschaften sind zerbrochen"
Die Pandemie hat in der deutschen Gesellschaft tiefe Gräben hinterlassen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier glaubt: Sie werden auch nach der Krise nicht leicht zu überwinden sein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dazu aufgerufen, die soziale Dimension der Corona-Pandemie im Auge zu behalten. "Die sozialen Folgen des Virus werden nicht einfach so verschwinden, mit der letzten Impfung, der letzten Maßnahme", sagte Steinmeier am Sonntag in einem Grußwort zum Abschluss des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt. Nicht alles werde nach der Pandemie wieder so sein wie vorher. "Aber Familie und Freunde wieder zu treffen, einander wieder die Hände zu reichen, einander wieder zu umarmen, wieder Gottesdienste und Kirchentage zu feiern, wie wir sie kannten – all das wünschen wir uns wieder."
Es gelte aber auch, die Wunden zu heilen, die Corona in der Gesellschaft geschlagen habe. "Wir haben erbittert gestritten – über Virus und Maskenpflicht, über Beschränkung und Lockerung, über Kita und Schule, über Impfstoffe und Impfreihenfolge", sagte Steinmeier. "Bei vielen ist die Geduld erschöpft, die Nerven liegen blank. Freundschaften sind zerbrochen, Familien entzweit worden, tiefe Risse gehen durch unsere Gesellschaft."
"Wir brauchen einander"
Der Ökumenische Kirchentag habe gezeigt, dass katholische und protestantische Christen mehr verbinde als sie trenne. Das gelte auch für die Gesellschaft als Ganze. "Der Prozess der gesellschaftlichen Versöhnung wird länger dauern als die 15 Monate, die hinter uns liegen", sagte Steinmeier. Die Zukunft gewinne man nicht mit Abschottung, Rechthaberei und Gesprächslosigkeit. "Wir müssen wieder Brücken bauen zwischen Menschen und Gruppen, die die Pandemie verfeindet hat. Wir müssen nicht alle einer Meinung sein – aber wir brauchen einander."
Steinmeier ging auch auf die Situation im Nahen Osten ein. Mit Schrecken sehe er den neuerlichen Ausbruch der Gewalt. Alle Informationen dazu finden Sie hier. "Wir sehen unschuldige Opfer auf beiden Seiten. Wir hoffen auf Bemühungen, die der Gewalt ein Ende setzen. Wir sehen auch den antisemitischen Hass auf unseren Straßen. Nichts rechtfertigt die Bedrohung von Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in unseren Städten. Lasst uns diesem Hass gemeinsam entgegentreten!", sagte er.
- Nachrichtenagentur dpa