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Bundeswehr: Amtshilfe in Impfzentren frustriert Soldaten


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"Sieben Tage von 7 bis 20 Uhr"
Dienst in Impfzentren frustriert Soldaten


27.03.2021Lesedauer: 5 Min.
Bundeswehr-Unterstützung im Impfzentrum: Fast 3.200 Soldaten unterstützen dabei. Bei der Wehrbeauftragten des BUndestags haben sich einige bereits mit Eingaben wegen ihrer Erfahrungen gemeldet.Vergrößern des Bildes
Bundeswehr-Unterstützung im Impfzentrum: Fast 3.200 Soldaten helfen dabei mit. Bei der Wehrbeauftragten des Bundestags haben sich einige bereits mit Eingaben wegen ihrer Erfahrungen gemeldet. (Quelle: imago-images-bilder)

Frust rund ums Impfen herrscht nicht nur bei denen, die aufs Impfen warten. In Impfzentren gibt es Unzufriedenheit, die Wehrbeauftragte bekommt Eingaben von Soldaten, die sich ausgenutzt fühlen. Einer ist anonym an die Öffentlichkeit gegangen.

Ohne Kräfte der Bundeswehr hätte Deutschland noch mehr Probleme mit der Mammutaufgabe Impfen – aber manche Soldaten haben Probleme mit dem Amtshilfe-Einsatz: Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl, erklärte t-online, dass es "in letzter Zeit (...) häufiger Eingaben der Soldatinnen und Soldaten zum Thema Amtshilfe [gab]."

Rund 3.200 Soldaten helfen in 223 Impfzentren und in 76 mobilen Impfteams bundesweit mit. Überwiegend funktioniere das hervorragend, aber: "Wir haben durchaus Eingaben, die Kritik an der Ausgestaltung der Amtshilfe äußern." An straffe Organisation gewohnte Soldaten treffen auf schlecht organisierte Abläufe – das gibt Unmut. Zumal, wenn die Helfer sich nur als billige Arbeitskräfte wahrgenommen fühlen, deren Einsatz selbstverständlich ist.

Kritik von Soldat der Bundeswehr

In einem anonymen Posting auf Reddit macht ein Soldat seinem Frust Luft. Nach Informationen von t-online steckt hinter dem Beitrag tatsächlich ein Bundeswehrsoldat. Ob seine Schilderungen zutreffen, lässt sich aber nicht belegen. Sein Fazit: Es wird schlecht informiert, an den Abläufen bessert sich nichts. Dazu wird er ausgenutzt – und hat am Konto bemerkt, dass ihm die Unterkunft nicht bezahlt wird. Zumindest das könnte ein Missverständnis sein.

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Der Soldat ist nach eigenen Angaben überzeugt vom Sinn seines Einsatzes in einem kleinen Impfzentrum in Thüringen. Es ist aktuell ein Hotspot, an dem anfangs 36 Menschen am Tag geimpft worden seien. Im Beitrag ärgert er sich einerseits über Erfahrungen, die alle Beteiligten im Impfzentren auf die Palme bringen könnten: das lahme Impftempo, obwohl logistisch mehr möglich wäre – und dann meldeten sich auch noch zu Impfende im Zentrum, die ihren festen zweiten Termin verschieben wollen, weil sie "da im Urlaub" sind. "Was denken sich diese Leute?"

Zu zweit sieben Tage von 7 bis 20 Uhr

Andererseits geht es um seine Rolle als Soldat: Mit einem Kameraden decke er die Anmeldung an sieben Tage in der Woche von 7 bis 20 Uhr ab. "Man sollte sich dann nicht wundern, wenn die gleichen Soldaten müde werden und danach genügend Überstunden angehäuft haben, um auch den Rest des Jahres nicht mehr in der Einheit zu sein."

Dazu sind häufiger Klagen von Soldaten zu hören: Zum Teil sind sie im Dauereinsatz, zum Teil gibt es keine Aufgaben für sie oder sie werden nur für die von allen anderen ungeliebten Arbeiten eingesetzt. Und: Ihr Einsatz werde als selbstverständlich wahrgenommen. "Es gibt keine Perspektive, uns dort zu ersetzen, im Gegenteil, der Amtshilfeantrag wird wohl verlängert werden", beklagt der Soldat. "Effektiv sind einige Kameraden schon monatelang weg." Regel ist eigentlich, dass eingesetzte Kräfte etwa alle drei Wochen aus der Amtshilfe gelöst und durch neue Kräfte in einem "rotierenden System" ersetzt werden. Doch die Armeeangehörigen, eigentlich als Nothelfer gedacht, wenn es keine zivilen Helfer gibt, werden inzwischen über Monate für den Betrieb eingeplant.

Wehrbeauftragte Högl: "Kann so auf Dauer nicht bleiben"

Ein Punkt, den auch die Wehrbeauftragte Högl kritisch sieht: Die Bundeswehr helfe, wo sie gefragt werde. "An vielen Stellen geht es um mehr als Unterstützung, nicht selten halten die Soldatinnen und Soldaten den Betrieb am Laufen in Gesundheitsämtern, in Impfzentren. Das kann so auf Dauer nicht bleiben." Nötig sei eine offene und ehrliche Diskussion, wie wir in Krisensituationen der Zukunft ein besseres Ressourcenmanagement hinbekommen. "Für die Bundeswehr bedeuten die Amtshilfeleistungen eine erhebliche Belastung neben dem Grundbetrieb und den vielfältigen Einsatzbelastungen."

In Thüringen ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) für den Betrieb der Impfzentren verantwortlich und kann aktuell auf 100 Bundeswehrangehörige zurückgreifen. Um die sukzessive durch zivile Check-In-Helfer zu ersetzen, müssten weitere 200 Personen rekrutiert werden, so eine Sprecherin zu t-online. Das sei ein "enormer logistischer Aufwand", aber die KV bemühe sich "unbedingt". Zugleich plant sie weitere Impfzentren in Thüringen, auch dort soll die Bundeswehr helfen. Das sind für die KV leicht verfügbare Kräfte, Kostenersparnis spiele aber keine Rolle: Die KV schreibt dem Land Thüringen ohnehin Rechnungen dafür. Die erste über vier Millionen Euro für Vorbereitungen und Betrieb von November bis Februar liegt beim Land.

Soldaten sollen nicht anderen Stellen Ressourcen ersparen

Die zuständigen Stellen der Bundeswehr haben wenig Einblick, ob es ohne Soldatinnen und Soldaten wirklich nicht ginge: "Das Verfahren zur möglichen Gewinnung von Zivilistinnen und Zivilisten, die eventuell die Aufgaben der Kräfte der Bundeswehr übernehmen könnten, liegt außerhalb der Zuständigkeit der Bundeswehr", so ein Sprecher. Amtshilfe soll nicht erfolgen, um "einer anderen Behörde die für ihre Aufgaben benötigten Ressourcen und Ausgabemittel zu ersparen". In Anträgen müsse deutlich gemacht werden, dass die antragstellende Stelle nicht in der Lage ist, die Amtshandlung selbst vorzunehmen.

Bei den Besuchern der Impfzentren sind die Soldaten offenbar auch gerne gesehen. Bürger wendeten sich vielfach an die Uniformträger, wenn sie sich Hilfe erwarteten, berichtet der Soldat auf Reddit erfreut. Die Impfkandidaten erhoffen sich dort offenbar kompetente Hilfe. Aber: Er könne den Menschen ihre Fragen oft nicht beantworten, weil der Informationsfluss so schlecht sei.

Nach der Aussetzung der Impfungen mit dem Mittel von Astrazeneca habe er durch einen Patienten, der mit dem Handy vor der Tür eine SMS der KV bekam, erfahren, wie es weitergeht: "Dass die Termine nicht ersetzt werden, sondern mit anderem Impfstoff geimpft werden soll, den wir gar nicht hatten". Die Verantwortlichen an der Spitze würden ihr Bestes geben, hätten aber vielfach keine Führungserfahrung. Und die KV handele nach dem Prinzip "Führen durch Wissensvorsprung."

KV: Würden wir gerne direkt klären

Die KV-Sprecherin bedauere, dass die Kritik anonym sei, etwaige Probleme also nicht direkt mit dem Soldaten geklärt werden könnten. "Kritik an Informationsweitergabe können wir nicht nachvollziehen, da die Impfstellen wöchentlich zum Teil mehrmals Informationen zum weiteren Vorgehen erhalten". Stimmt es denn, dass zwei Soldaten an sieben Wochentagen den Betrieb von 7 bis 20 Uhr sicherstellen? "Wir haben keinen Einfluss auf die Gesamtzahl der unterstützenden Soldatinnen und Soldaten, wir stellen nur den Antrag auf eine Anzahl pro Schicht für sieben Tage pro Woche." Verantwortung wird hin- und hergeschoben.

Das Kommando Streitkräftebasis der Bundeswehr sehe gewährleistet, "dass kurzfristig und direkt vor Ort auf Hinweise reagiert werden kann, wenn möglicherweise Optimierungen in der Amtshilfe zielführend sein könnten". Die Amtshilfeeinsätze würden "in enger, helfender Dienstaufsicht durch Vorgesetzte begleitet und beraten". Heißt: Wenn es Probleme im Impfzentrum gibt, sollen sich die Soldaten jederzeit an ihre Vorgesetzten wenden. Das bringe auch oft eine schnelle Lösung, erklärt die Wehrbeauftragte. Allerdings seien auch schon Fälle bei ihr gelandet, in denen sie das Ministerium bat, Missstände oder Ungleichbehandlungen abzustellen.

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Vorkasse für Essen und Unterkunft?

So ein Fall wäre auch der Soldat aus dem Reddit-Beitrag, wenn er sich mit Namen und seiner Schilderung von vermeintlich verweigerter Entschädigung seiner Kosten an die Wehrbeauftragte wenden würde – anonym könne die Wehrbeauftragte nichts tun. Angeblich habe die KV die zugesagte Entschädigung für Essen und Hotel gestrichen. "Dann darf man in Vorkasse gehen und mit dem Bundeswehr-Dienstleistungszentrum (die frühere Standortverwaltung, Anm. d. Red.) diskutieren, warum das einzige offene Hotel im Ort nun etwas zu teuer war", schreibt er.

Die Kassenärztliche Vereinigung weist das aber deutlich zurück: "Das ist nicht richtig. Die KV stellt entweder freie Kost oder zahlt Kostgeld und stellt freie Logis", so die Sprecherin. Auch das Kommando Streitkräftebasis erklärt: "Kräfte der Bundeswehr, die Amtshilfe leisten, müssen Unterkunftskosten niemals aus eigener Tasche vor Ort begleichen". Die beteiligten Stellen könnten bei der Bundeswehr eine Erstattung von Unterkunftskosten beantragen. Die Bundeswehr prüfe das und lege die Höhe der Erstattung fest.

Das dürfte in der Pandemie auch eines der kleinen Probleme sein.

Verwendete Quellen
  • bundeswehr.de: Amtshilfe durch die Bundeswehr (PDF)
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