Entscheidung der Bundesregierung Weltärztepräsident kritisiert Impfstopp für Astrazeneca
Die Bundesregierung hat die Corona-Impfungen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca ausgesetzt. Fachleute äußern Unverständnis über die Entscheidung, nicht nur in Deutschland.
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery zieht den vorläufigen Stopp für Impfungen mit Astrazeneca in Zweifel. "Dass Menschen Thrombosen und Lungenembolien bekommen, muss nicht unbedingt etwas mit der Impfung zu tun haben", sagte Montgomery dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Nach den ihm bekannten internationalen Studien sei die Thrombose-Häufigkeit in der Placebo-Gruppe und in der Gruppe mit dem Impfstoff etwa gleich gewesen.
Montgomery warnte auch vor einem Image-Schaden für den Impfstoff. "Unter dem Strich ist es leider so, dass dieser eigentlich gute und wirksame Impfstoff durch den Wirbel und die Impf-Aussetzung in vielen Ländern nicht gerade eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnt", sagte der Weltärztepräsident.
Astrazeneca weist Bedenken zurück
Die Bundesregierung hatte die Vergabe des Astrazeneca-Impfstoffs am Montag auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts vorübergehend angehalten, nachdem es neue Berichte über Fälle von sehr seltenen Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gegeben hatte. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte betont, es handle sich um eine "reine Vorsichtsmaßnahme". Der britisch-schwedische Hersteller weist die Bedenken zurück.
Eine grundsätzliche Überprüfung der Vorfälle begrüßte Montgomery allerdings. Die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) habe noch einmal bestätigt, dass Astrazeneca ein sicherer und effektiver Impfstoff gegen das Corona-Virus sei. "Trotzdem ist es richtig, dass die nationalen Behörden die Verdachtsfälle auf schwere Nebenwirkungen prüfen."
Lauterbach sieht Impfstrategie in Gefahr
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußert die Hoffnung, dass die Prüfung des Astrazeneca-Impfstoffs nur "ganz kurz" dauern werde. Dann könnten "wir schon in der nächsten Woche den Impfstoff Astrazeneca wieder einsetzen", sagt er der Sendergruppe RTL/NTV. "Wenn der Impfstoff dauerhaft nicht zur Verfügung stehen sollte, was ich jedoch nicht glaube, wäre die Impfstrategie über die Hausärzte ernsthaft gefährdet."
Auch der britische Statistikprofessor David Spiegelhalter kritisiert die Entscheidung zu Astrazeneca in Deutschland. "Angesichts von Ungewissheit ist es gut, vorsichtig zu sein. Aber in den derzeitigen Umständen mit steigenden Fallzahlen in Deutschland dürfte die Vorsicht es gebieten, schnellstmöglich so viele Menschen wie möglich zu impfen", sagte der Professor an der Universität Cambridge. Außerdem seien mögliche Schäden durch die Verstärkung von Vorbehalten gegen den Impfstoff zu bedenken. "Das sind schwierige Entscheidungen in ungewöhnlichen Zeiten", so Spiegelhalter.
In einem Gastbeitrag im "Guardian" hatte der Wissenschaftler am Montag davor gewarnt, kausale Zusammenhänge zu sehen, wo keine sind. Die klinischen Studien, die zur Zulassung des Astrazeneca-Impfstoffs in Großbritannien führten, und die Erfahrungen aus dem Impfprogramm in dem Land mit rund zehn Millionen verabreichten Dosen des Präparats hätten gezeigt, dass das Vakzin "außerordentlich sicher" sei.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa