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Corona-Krise: Diese drei Baustellen hat die Politik verschnarcht


Meinung
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Covid-19-Pandemie
Drei Baustellen: Hier verschnarcht die Politik die Corona-Krise

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

Aktualisiert am 30.07.2020Lesedauer: 5 Min.
Gesundheitsminister Jens Spahn: Laien nennen das, was die Politik aktuell so treibt, verschnarcht. Doch am Ende leiden Eltern und Kinder darunter.Vergrößern des Bildes
Gesundheitsminister Jens Spahn: Laien nennen das, was die Politik aktuell so treibt, verschnarcht. Doch am Ende leiden Eltern und Kinder darunter. (Quelle: Montage: t-online.de/imago-images-bilder)
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Der Spätsommer naht und mit ihm neue Corona-Sorgen. Drei Herausforderungen stehen an: Urlaubsrückkehrer, Schulstarts und das islamische Opferfest. Bei allen kann man nicht das Gefühl haben, die Politik sei gut darauf vorbereitet.

Man könnte meinen, die Politik habe aus den Erfahrungen der vergangenen fünf Corona-Monate gelernt. Hat sie aber nicht.
Denken wir kurz zurück an das Beispiel der Schulschließungen. Als Mitte April angekündigt wurde, der Unterricht solle wieder losgehen, hieß es: Halt, nicht so schnell, die Schulen brauchen mehr Vorbereitungszeit. Sie müssen erst noch ein Konzept erarbeiten, um etwa sicherzustellen, dass Schülerinnen und Schüler den Abstand in den Pausen einhalten oder ausreichend Seife auf den Schulklos zur Verfügung steht.

Gestresste Eltern fragten sich damals: Was haben die eigentlich in den fünf Wochen zuvor gemacht? Die Schulschließungen wurden Mitte März verfügt. Am Tag dieser Entscheidung hätte doch jedem klar sein müssen, dass es irgendwann, irgendwie weitergehen wird. Doch statt für den Tag X vorzuplanen, wurde offenbar so lange gewartet, bis die Politik den Neustart verkündete.

Laien nennen das verschnarcht, Eltern und Kinder hatten darunter zu leiden. Aber aus Erfahrung wird man bekanntlich klug. Oder?
Mecklenburg-Vorpommern beschließt nächste Woche als erstes Bundesland die Sommerferien, das bevölkerungsreiche Bundesland Nordrhein-Westfalen folgt in der übernächsten Woche. Und jetzt kündigt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Corona-Pflichttests für Urlaubsrückkehrer an.

Spahn beschließt Test für Urlauber – wenn die Ferien vorbei sind

Die entsprechende Verordnung soll nächste Woche in Kraft treten. Der CDU-Politiker trifft also seine Entscheidung (Vorsicht Sarkasmus) pünktlich zum Ende der Sommerferien, wenn viele längst wieder daheim sind von ihren Reisen auf den Balkan, nach Luxemburg, Russland, in die Türkei oder andere Regionen, die das Robert Koch-Institut (RKI) als Risikogebiete ausweist.


Inhaltlich sieht es mit Jens Spahns Plan nicht viel besser aus. Dieser zeugt mehr von Hektik als von durchdachtem Handeln. Ein einmaliger Test bei der Rückkehr, wie Jens Spahn ihn vorsieht, reicht nicht. Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, warnt, dieser könne zu falscher Sorglosigkeit führen. Eine Ansteckung "zum Beispiel bei der Abschiedsparty am Strand" könne mit einem Test nach der Rückkehr nicht nachgewiesen werden, sagte sie der WAZ. Die Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, , nach gut einer Woche noch mal zu testen, um Sicherheit zu haben…

Was an der Grenze passiert, bekommt keiner mit

Darüber hinaus erfassen Tests an Flug- und Seehäfen nur einen Teil der Reisenden. Zahlreiche Menschen fahren jedoch mit dem Auto nach Bosnien-Herzegowina, in die Türkei oder nach Spanien (aktuell rät das Auswärtige Amt von nicht notwendigen, touristischen Reisen in die Regionen Aragón, Katalonien und Navarra ab). Wenn sie einen der zahllosen Grenzübergänge nach Deutschland passieren, bekommt das niemand mit.

Die Kostenübernahme für die Pflichttests ist ebenso problematisch. Warum soll die Allgemeinheit für Menschen bezahlen, die ohne Not in Risikogebiete reisen? Das gilt vor allem für jene, die sich aus Sicherheitsgründen den Urlaub in diesem Sommer verkniffen haben. In Risikogebiete reisen und zum Dank einen Gratis-Corona-Test erhalten, dafür muss man nicht unbedingt Verständnis aufbringen.

All dies hätte sich vor Monaten diskutieren und klären lassen. Deshalb kann man nur staunen, dass das erst jetzt geschieht. Jedem in der großen Koalition musste kurz nach dem März-Lockdown klar gewesen sein, im Sommer kommt das Problem Urlaub aufs Tableau.

Gegen das Vergessen veröffentlichten Medien in den vergangenen Monaten unzählige Berichte über die anstehende Urlaubssaison. Zudem hat die Bundesregierung mit Thomas Bareiß einen eigenen Beauftragten für Tourismus, der in derselben Partei wie Jens Spahn ist. Offenkundig waren wie üblich alle Augen auf die wirtschaftlichen Fragen gerichtet, sodass Naheliegendes wie die Tatsache, dass Reisende nach einer gewissen Zeit heimkommen, untergegangen ist.

Was passiert in den Schulen?

Kommen wir zurück zu den Schulen. Selbst hier sucht man den Lernerfolg der Politik vergeblich. Schülerinnen und Schüler sollen ab August in den Regelunterricht zurückkehren. Bis heute wissen Eltern nicht, wie das genau umgesetzt wird. Gehen alle Kinder wieder in eine Klasse ohne Abstandsregelungen? Was ist mit Kursen, in denen Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Klassen zusammenkommen? Sind in den Pausen alle auf dem Schulhof und durchmischen sich dort?

Schließen Schulen komplett, wenn einer von mehr als 1.000 Schülerinnen und Schülern infiziert ist? Wie lange dauert eine Schließung dann: eine Woche, zehn Tage, zwei Wochen? Was ist mit Lehrerinnen und Lehrern, die zu den Corona-Risikogruppen zählen: Müssen sie einfach vor vollbesetzte Klassen treten? Wenn im Herbst die Corona-Krise auf eine Grippewelle trifft, bleibt dann jedes Kind beim ersten Anzeichen von Schnupfen zu Hause? Was bedeutet das für die Kinderbetreuung?

Auf all diese Fragen, die nun wahrlich nicht neu sind, gibt es entweder keine fundierten Antworten oder sie wurden noch nicht ausreichend kommuniziert. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, betonte bei ntv, die Schulen seien auf die Corona-Szenarien schlecht vorbereitet.

Der Wunsch, Corona endlich hinter sich zu lassen, greift gefährlich um sich. Dabei nimmt die Zahl der Neuinfektionen um uns herum rapide zu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldet neue Rekorde. Auch in Deutschland steigen die Zahlen an, warnt RKI-Chef Lothar Wieler: "Die neuen Entwicklungen machen mir große Sorgen."

Jetzt beginnt auch noch das Opferfest

Am Wochenende drohen die Infektionen weiter zu steigen. Morgen beginnt das höchste Fest für Musliminnen und Muslime: das Opferfest. Es dauert vier Tage. Gewöhnlich besucht man sich in dieser Zeit gegenseitig wie beim Ramadan-Fest.

Traditionell wird aus diesem Anlass zudem Fleisch oder Geld an Bedürftige oder Freunde verteilt. Es kann folglich zu zahlreichen Begegnungen kommen. Da viele Menschen die Nase voll von Corona haben, ist damit zu rechnen, dass die Sensibilität für die Virusgefahren im Vergleich zum Ramadan im April und Mai nicht mehr so ausgeprägt sein wird. Man kann hier nur an den Verstand der Menschen appellieren, vorsichtig zu sein, von großen Familienfeiern und zu vielen Kontakten abzusehen oder sich alternativ nach draußen an die frische Luft zu verlagern, wo die Ansteckungsgefahr durch den Viruserreger bekanntlich geringer ist. Moscheen und islamische Vereine stehen mit in der Verantwortung, die Gläubigen an die AHA-Regeln zu erinnern.

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Corona bleibt uns erhalten. Menschen mögen das verdrängen wollen, die Politik darf das aber nicht. Bis Weihnachten ist es nicht mehr lange hin. Besser wäre es, wenn wir nicht erst am 20. Dezember über etwaige Corona-Risiken auf Weihnachtsmärkten sprechen würden oder erst am 1. Januar feststellen, dass wieder viele zum Skiurlaub nach Ischgl aufgebrochen sind, die alsbald wieder zurückkommen werden…

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin, Publizistin und Gründerin des Liberal Islamischen Bunds e.V. (LIB). Derzeit leitet sie ein Forschungsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Ihr aktuelles Buch heißt "Muslimisch und liberal!" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnistin auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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