Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Konjunkturpaket "Zu viele Menschen gehen leer aus"
Mehrwertsteuersenkung, Familienzuschuss, E-Auto-Förderung: Aber hilft das riesige Konjunkturpaket der Bundesregierung auch an den richtigen Stellen?
Es war das politische Topthema der Woche: Das historische 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket, mit dem die Bundesregierung Deutschland für die Jahre 2020 und 2021 aus der schwersten Rezession der Nachkriegszeit holen will.
- Die Mehrwertsteuer wird befristet auf sechs Monate von 19 auf 16 Prozent gesenkt. Mehr dazu erfahren Sie hier.
- Familien sollen einen Zuschuss von 300 Euro pro Kind bekommen.
- Für Zukunftsinvestitionen sind rund 50 Milliarden Euro vorgesehen, unter anderem zur Förderung von mehr Ladestationen.
- E-Autos sollen stärker gefördert und die KfZ-Steuer nach Emissionswerten gesenkt werden. Mehr dazu erfahren Sie hier.
- Die Kommunen sollen dauerhaft entlastet werden.
"Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen", sagte Vize-Kanzler und Finanzminister Olaf Scholz am Mittwoch.
Aber: Hilft das Konjunkturpaket damit überhaupt an den richtigen Stellen?
Ja, mit diesem Paket geht es bald wieder aufwärts
Wenn sich der Chef der Wirtschaftsweisen in den Medien zu Wort meldet, tut er das meist, um kritische Töne anzuschlagen. Diesmal ist das anders. Lars Feld hat einst dazu beigetragen, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wurde und ist nun "positiv überrascht" vom Konjunkturpaket der Regierung. Und das zurecht.
Allein die von Feld scharf kritisierte Autokaufprämie für Verbrenner hat die Bundesregierung vom Tisch gefegt. Ich sage: Diesmal hat sie dem Lobbyismus keine Chance gegeben. Deutschland hat Schluss gemacht mit schädlichen Traditionen und früheren Autokanzlern. Der Kaufanreiz für Elektro- und Hybridautos wird die Transformation beschleunigen. Gut so.
Das Zeichen der Regierung: Im Mittelpunkt stehen der Umweltschutz, unsere Zukunft und der Mensch. Ob Kinderbonus, Sozialgarantie oder eine geringere Mehrwertsteuer – die Maßnahmen der Großen Koalition kommen fast überall an, wo sie auch hingehören. Bei einer Alleinerziehenden, der Verkäuferin im Supermarkt oder beim Fabrikarbeiter. Die 130 Milliarden Euro werden die Wirtschaft wiederbeleben und dafür sorgen, dass es bald wieder aufwärts geht.
Natürlich ist nicht alles perfekt. Zum Beispiel bei der Mehrwertsteuersenkung: Unternehmen müssen den Steuernachlass nicht an die Kunden weiterreichen. Aber: Wir als Verbraucher können das einfordern. Die Koalition hat eine effektive Finanzspritze gegen die Covid-19-Krise geschaffen. Wir werden sehen, wie sie wirkt.
Nein, zu viele Menschen bleiben auf der Strecke
Das Konjunkturprogramm der großen Koalition ist ein teures Glückspiel, bei dem gerade die sozial Schwächeren auf der Strecke bleiben. Die Bundesregierung wettet darauf, dass durch die Mehrwertsteuersenkung die Konjunktur angekurbelt wird. Sie steckt Geld in eine Hoffnung, die sich noch lange nicht erfüllen muss und zudem auf Kosten der nächsten Generationen geht. Das spaltet die Gesellschaft.
Nur der reichere Teil der Bevölkerung und Unternehmen profitieren von der Mehrwertsteuersenkung oder der Autoprämie. Ärmere gehen leer aus, zum Beispiel die zuletzt so viel thematisierte Pflegebranche. Was hilft eine Prämie über 6.000 Euro beim Kauf eines Elektroautos, wenn die restlichen 20.000 Euro fehlen? Auch die staatliche Unterstützung für die besonders von der Krise gebeutelten Branchen ist für diese Unternehmen zu wenig.
Ein Beispiel für das Versagen? Die 300 Euro Zuschuss pro Kind für Familien sind ein Witz. Wer monatelang zuhause seine Kinder selbst betreut während er im Homeoffice arbeitet und noch Essen kocht, fühlt sich zurecht völlig im Stich gelassen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Bundesregierung will in der Pandemie viel Geld in die Hand nehmen, anstatt das Land kaputt zu sparen. Das ist richtig und wichtig. Der Korb für die Autolobby bei einer Abwrackprämie ist ein gutes Zeichen.
Aber: Die 130 Milliarden Euro müssen verantwortungsbewusster eingesetzt werden. So nicht. Nur weil es Deutschland vor der Krise wirtschaftlich gut ging, dürfen wir das Geld noch lange nicht für eine Wette aus dem Fenster werfen. Vielmehr muss es bei den Bedürftigen in dieser Krise ankommen. Bei Familien und bei systemrelevanten Berufsgruppen, die leider weiterhin schamlos unterbezahlt werden.
Wer hat recht?
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