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Loveparade-Prozess beendet: "Das fehlende Urteil ist ein Schlag ins Gesicht"


Loveparade-Prozess beendet
21 Menschen starben und niemand wird belangt?

MeinungEin Kommentar von Josephin Hartwig

Aktualisiert am 04.05.2020Lesedauer: 3 Min.
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Gelände in Duisburg: In diesem Tunnel kam es 2010 zur Katastrophe.Vergrößern des Bildes
Gelände in Duisburg: In diesem Tunnel kam es 2010 zur Katastrophe. (Quelle: Christian Schroedter/imago-images-bilder)

Vor zehn Jahren sterben 21 Menschen, mehr als 650 werden verletzt, als sie zur Loveparade in Duisburg wollen. Dass niemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, ist schwer zu begreifen.

Wer ist für den Tod von 21 Menschen verantwortlich? Angehörige der Opfer, die bei der Loveparade 2010 ums Leben kamen, wollten darauf eine Antwort. Nun ist der Prozess, bei dem zuletzt noch drei Angeklagte zur Verantwortung gezogen werden sollten, vorbei. Ein Urteil gibt es nicht. Die Hoffnung auf Gerechtigkeit, auf ein Abschließen mit dem unfassbaren Unglück vor zehn Jahren, ist damit nicht mehr möglich. Es fehlt der Schlussstrich, es fehlt die Chance, das Geschehene richtig zu verarbeiten. Diese Entscheidung ist für die mehr als 650 Verletzten, für die Angehörigen und Freunde der Opfer ein Schlag ins Gesicht.

"Aus unserer Sicht ist die Katastrophe aufgeklärt“, sagte Richter Mario Plein am Montag. Es sei eine Katastrophe ohne Bösewicht gewesen, wird er zitiert. Mit dieser Wortwahl zieht er die Ereignisse des 24. Juli 2010 in Duisburg fast schon ins Lächerliche. Ein Bösewicht ist Schuld, hat wie in einem Comic oder alten Westernfilm um sich geschossen und damit leider Menschen getötet? So stellt man sich wohl einen Bösewicht vor. Doch vor zehn Jahren war die Situation eine andere.

Mehrere Menschen trafen die falschen Entscheidungen

Tausende Menschen wollten bei der Loveparade in Duisburg feiern, tanzen, fröhlich sein, die Jugend, die freie Zeit mit Freunden, schlicht das Leben genießen. Die Veranstalter, die mit dem Event auch Geld verdienen wollten, waren dafür verantwortlich, dass die Sicherheit dabei gewährt wird. Sie haben versagt. Nein, es gibt nicht nur einen "Bösewicht". Es gibt mehrere Menschen, die in den Stunden der Katastrophe die falschen Entscheidungen trafen.

Das Gericht stuft die Mitschuld der Angeklagten als gering ein. Eine Vielzahl von Umständen habe zu dem Gedränge in dem Tunnel, der zur Veranstaltung führte, beigetragen, heißt es in der Begründung. Als wesentliche Ursachen für das Unglück nannte das Gericht zum einen den Veranstaltungsort, der für das Konzept und die Besuchermengen nicht geeignet gewesen sei. "Der Stau vor den Vereinzelungsanlagen war absehbar", sagte der Richter. Kommunikationsprobleme hätten die Situation verschärft: Krisengespräche von Polizei und Feuerwehr seien ohne die Veranstalterin geführt worden. Die Steuerung der Personenströme sei unkoordiniert gewesen.

Das Unglück hätte auch am Veranstaltungstag noch verhindert oder zumindest in den Folgen abgemildert werden können, wird während der Verhandlung eingeräumt. Das Gericht nannte als Maßnahmen etwa eine zwischen Veranstalter und Polizei abgestimmte Steuerung der Personenströme, zeitweise Schließungen von Vorsperren oder verstärkten Einsatz von Ordnern, um Personen von der Rampe weg zu leiten. Auch ein vorübergehendes Anhalten der Musikwagen auf der Paradestrecke wäre möglich gewesen. Das alles wären Entscheidungen gewesen, die vielleicht Leben gerettet hätten. Doch getroffen wurden sie nicht.

Fehlende Luft zum Atmen

Es müssen furchtbare Minuten in diesem Tunnel gewesen sein, voller Angst und fehlender Luft zum Atmen. Die Katastrophe hallt auch heute noch nach. Die Opfer sind nicht vergessen. Letztlich habe aber keiner der Verantwortlichen grob fahrlässig gehandelt: "Große Sorglosigkeit war bei ihnen nicht ansatzweise erkennbar." Dies sei schwer zu begreifen, räumt der Jurist Plein ein: Dass es zur Katastrophe kam, obwohl die Angeklagten sich gewissenhaft, sorgfältig und professionell verhalten hätten. Aber es sei eine Katastrophe mit vielen Ursachen gewesen. Und es hätten auch andere Beteiligte als nur die Angeklagten Fehler gemacht.

Menschen sind nicht perfekt, Menschen machen Fehler. So schwer das auch anzuerkennen ist, muss man dieses menschliche Verhalten bei der Betrachtung der Ereignisse einbeziehen. Dennoch manifestiert sich eine Wut, dass nun niemand für die fatalen Fehlentscheidungen an diesem Tag Verantwortung übernehmen muss. 21 Menschen starben und niemand wird dafür belangt? Wie kann das in einem Rechtsstaat wie Deutschland überhaupt möglich sein?

Mit dem Ende des Prozesses beginnt nun für die Angehörigen ein neuer Abschnitt. Sie müssen versuchen, den Wunsch nach Gerechtigkeit für die toten Unschuldigen loszulassen. Die vergangenen Jahre, in denen an 184 Tagen versucht wurde, die Verantwortlichen zu finden, haben das noch nicht möglich gemacht.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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