"Versprechen einlösen" Minister Müller kritisiert EU – und will Flüchtlingslager umbauen
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller will Flüchtlingen in Griechenland schneller Hilfe zukommen lassen. Die Verhältnisse in den Camps auf der Insel Lesbos bezeichnet der CSU-Politiker als "eine Schande".
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) fordert dringend Hilfe für die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln. "Die EU muss schnell handeln und als Erstes das Versprechen einlösen, die betroffenen Kinder zu evakuieren", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Das berüchtigte Lager Moria auf Lesbos müsse zudem umgebaut werden. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warf der Bundesregierung Untätigkeit vor.
Der Koalitionsausschuss hatte sich Anfang März auf die Aufnahme eines Kontingents von minderjährigen Flüchtlingen aus den griechischen Lagern verständigt. Zudem gibt es eine Übereinkunft zwischen Deutschland und sieben weiteren EU-Staaten, darunter Luxemburg, Finnland und Frankreich, insgesamt 1.600 Kinder von den Inseln zu holen. Eingetroffen sind bisher keine.
Müller: Zustände im Lager Moria "eine Schande"
Müller betonte in dem Interview, das Problem sei nicht gelöst, wenn die 1.600 Kinder aufgenommen würden. Deswegen müsse die EU das Lager Moria "in kleinere Einheiten umbauen" und auf die Standards des UN-Flüchtlingshilfswerks bringen.
Er habe das Camp selbst besucht und gesehen, wie 20.000 Menschen in einem Lager, das für 3.000 Menschen ausgelegt sei, auf engstem Raum zusammengepfercht leben. Müller sprach von "einer Schande". Alle Appelle hätten bisher nicht gefruchtet, beklagte der CSU-Politiker. "Hoffentlich wartet Brüssel nicht, bis es zur Katastrophe kommt", sagte er mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie.
Die Parlamentarische Linke in der SPD-Fraktion veröffentlichte am Dienstag ein Positionspapier, in dem sie ebenfalls forderte, die Aufnahme der Flüchtlingskinder müsse "umgehend beginnen". Außerdem müssten alle Asylsuchenden von den griechischen Inseln "in akzeptable Aufnahmezentren auf das griechische Festland" gebracht und dann auf weitere europäische Länder verteilt werden.
Baerbock: "Kinder leben im Dreck, sind krank, sind apathisch"
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock erhob schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Es gebe zwar die Zusage, Flüchtlingskinder nach Deutchland zu holen, aber "seitdem ist nichts passiert", sagte sie den Sendern RTL und n-tv. "Das ist ein absolutes Unding." Baerbock nannte die Zustände in den Lagern "einfach furchtbar". "Kinder leben im Dreck, sind krank, sind apathisch."
Die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision nannte es einen "Mangel an humanitärer Verantwortung, dass noch keine der geflüchteten Kinder auf Lesbos von anderen Mitgliedstaaten der EU einschließlich Deutschland aufgenommen worden sind". Angesichts der Corona-Pandemie "zählt jetzt jeder Tag, jede Stunde", mahnte der Vorstandsvorsitzende Christoph Waffenschmidt.
Gegen jede Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sprach sich die rechtskonservative Werteunion aus. "Wenn wir dies jetzt tun, werden wir es auch in Zukunft immer wieder tun müssen", erklärte der Vorsitzende Alexander Mitsch. Die Bundesregierung solle stattdessen "Griechenland beim Schutz der EU-Außengrenzen unterstützen und humanitäre Hilfe vor Ort organisieren".
- Nachrichtenagentur AFP