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Presse zur Hamburg-Wahl 2020: "Die SPD kann doch noch Volkspartei"


Pressestimmen zur Hamburg-Wahl
"Die SPD kann doch noch Volkspartei"

Von dpa, nhr

Aktualisiert am 24.02.2020Lesedauer: 3 Min.
Er ist und bleibt Hamburgs Erster Bürgermeister: SPD Spitzenkandidat Peter Tschentscher jubelt auf der Wahlparty.Vergrößern des Bildes
Er ist und bleibt Hamburgs Erster Bürgermeister: SPD Spitzenkandidat Peter Tschentscher jubelt auf der Wahlparty. (Quelle: dpa)
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Hamburg hat gewählt. Die Hamburger SPD musste Verluste hinnehmen, ist aber stärkste Kraft geblieben. Der Sieg ist keine Leistung der Bundespartei – im Gegenteil, schreibt die deutsche Presse.

Fast zwei Drittel der wahlberechtigten Hamburger sind am Sonntag an die Urnen gegangen. Trotz Verlusten von 6,6 Prozentpunkten ist die SPD weiterhin stärkste Kraft. Ein Rekordergebnis fuhren die Grünen ein – sie konnten fast doppelt so viele Wähler mobilisieren wie 2015. Die CDU verliert fast 5 Prozentpunkte und blickt mit 11,2 Prozent auf ein historisch schlechtes Ergebnis. Die Linke verbessert sich leicht, AfD und FDP sind knapp vertreten. Wie bewertet die deutsche Presse die Ergebnisse der Bürgerschaftswahl 2020?

Zum Ergebnis der SPD schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Sah es vor einiger Zeit nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Peter Tschentscher (SPD) und der grünen Spitzenkandidatin Katharina Fegebank aus, so ließen alle Umfragen längst einen Sieg der SPD erwarten. So ist es gekommen – und das ist die eigentliche Überraschung: Politik- und Politikerverdrossenheit sind kein Schicksal. Offenbar ist es nach wie vor möglich, so in einem Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen, dass der überwältigenden Mehrheit der Bürger nach fünf Jahren der Sinn nicht nach Abwechslung steht. Die zweite Überraschung folgt aus der ersten: Nicht einmal die SPD ist zwangsläufig dem Untergang geweiht. In Hamburg kam sie auf einen Stimmenanteil, der etwa dreimal so hoch ist wie jener, den die Sozialdemokraten derzeit im Bund erwarten dürfen."

Die Rolle der SPD-Vorsitzenden bewertet das "Hamburger Abendblatt" so: "Die SPD kann noch gewinnen. Das ist die gute Nachricht für die neuen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Die schlechte: Sie haben zum Sieg von Peter Tschentscher ungefähr so viel beigetragen wie zum Triumph des FC St. Pauli im Volksparkstadion – also nichts. Die Hamburger SPD hatte ihrer neuen Parteispitze aus dem eigenen Wahlkampf konsequent heraus gehalten. Der Plan ging auf (...). Die SPD kann noch Volkspartei, wenn sie es denn will und nicht als 13-Prozent-Sekte nur 100-prozentige Sozialdemokraten um sich schart, sondern eben auch Unternehmer, Bürgerliche, Liberale und Umweltbewegte anspricht."

Die "Süddeutsche Zeitung" kommentiert ähnlich: "Aus dem Erfolg kann die SPD ableiten: Sofern sie einen Amtsinhaber hat, mit dem die Leute zufrieden sind und der sich Berlin sowie die Parteispitze dort vom Leib hält, hat sie eine Chance. Deshalb kann im März in München auch ihr OB Dieter Reiter mit Zuversicht um seine Wiederwahl kämpfen. Wo sie aber gar nicht erst den Amtsinhaber stellt, sondern in der Opposition ist, bleibt die Marke SPD eine deprimierende Belastung."

Was die Hamburg-Wahl für Deutschland bedeutet, kommentiert Florian Harms im "Tagesanbruch" auf t-online.de:

Die SPD kann noch Wahlen gewinnen, wenn sie auf Sacharbeit und Seriosität statt auf Selbstbeschäftigung setzt; das ist ein Hoffnungsschimmer für die gebeutelte Sozialdemokratie.

Die Grünen profitieren vom gewachsenen Umweltbewusstsein der Deutschen, weil sie da als einzige Partei fundierte Konzepte haben; so können sie sich zur neuen Volkspartei aufschwingen – zumindest in Westdeutschland.

Die CDU leidet nicht nur unter dem Mangel an Führung, sie droht auch in Großstädten den Anschluss zu verlieren, weil sie zu wenig Antworten auf die Sorgen und Wünsche von Familien, jungen Menschen, Migranten und Kreativen hat.

Die FDP bekommt für ihr demokratievergessenes Taktieren in Thüringen eine Ohrfeige, muss sich aber auch überlegen, wie sie mehr profilstarke Persönlichkeiten in die erste Reihe holen kann.

Die AfD ist in den vergangenen Jahren immer weiter an den rechten Rand marschiert, bietet Rassisten und Neonazis eine Heimat und ist in dieser Form für aufrechte Demokraten nicht wählbar.

Die Linke kann den Hamburger Rückenwind nutzen, um sich neu zu erfinden – das hat sie nötig, wenn sie bundesweit eine Rolle spielen will.

Der "Spiegel" sieht das Ergebnis der Bürgerschaftswahl als positives Zeichen für die Demokratie: "Wer nach dem Debakel von Erfurt ins Zweifeln gekommen ist, ob in Landesparlamenten noch stabile Verhältnisse hergestellt werden können, möge auf die Freie und Hansestadt blicken: Die Hamburger haben ihren Ersten Bürgermeister mit einem sehr starken Ergebnis im Amt bestätigt, und sie haben die regierende rot-grüne Koalition im Senat wiedergewählt. Und zwar einfach deshalb, weil sie mit deren Arbeit zufrieden sind. Das ist ein starkes Signal für die Demokratie und die Parteien der Mitte in einer Zeit, in der Politiker Hass und Anfeindungen ausgesetzt sind und das Vertrauen in die demokratischen Institutionen von der demokratiefeindlichen Propaganda der AfD von rechts angegriffen und unterhöhlt wird."

Verwendete Quellen
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