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Islam und Rechtsstaat: Zeit für ein Lob an die AfD


Meinung
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Islam und Rechtsstaat
Die AfD folgt konsequent ihrem Wählerauftrag

  • Lamya Kaddor
MeinungEine Kolumne von Lamya Kaddor

12.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Alice Weidel und Alexander Gauland lachen im Bundestag: Die AfD macht mit dem Kampf gegen den Islam das, wofür sie gewählt wurde, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor.Vergrößern des Bildes
Alice Weidel und Alexander Gauland lachen im Bundestag: Die AfD macht mit dem Kampf gegen den Islam das, wofür sie gewählt wurde, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Sind Islam und Rechtsstaat unvereinbar? Die AfD-Fraktion wollte, dass der Bundestag das beschließt. Der Aufschrei war groß. Dabei folgt die Partei doch nur ihrem Wählerauftrag. Und das ist gut so.

Nein, das wird kein übliches AfD-Bashing. Diese Kolumne wird kein Sermon der Verdammung, keine Litanei der Empörung. Im Gegenteil. Es ist Zeit, die AfD zu loben. Sie hat einen Antrag zur Unvereinbarkeit von Islam, Scharia und Rechtsstaat in den Bundestag eingebracht. Und mag der politische Gegner noch so entrüstet aufjaulen und sich an Reden vor der Machtübernahme der Nazis im Reichstag erinnert fühlen oder Vergleiche zur damaligen Hetze gegen Juden ziehen – mit dem Antrag bleibt die AfD ihrer parteiprogrammatischen Linie treu.

Das ist eine Konsequenz, die man sich bei anderen Parteien ein Stück weit wünschen würde, wo der Wille zur Macht doch allzu oft mit faulen Kompromissen und politischen Verbiegungen erkauft wird. Die AfD hält eisern an dem fest, für das sie antritt und gewählt wird: die Verdrängung der Weltreligion Islam aus Deutschland. Wer muslimischen Glaubens ist und sich dazu bekennt, soll hier keine Heimat mehr haben.

Klarheit und Heuchelei

Man kann froh sein, dass die Partei daraus keinen Hehl macht. Diese Klarheit ist besser als die jüngsten Heucheleien um die Gründung einer "Jüdischen Vereinigung in der AfD" oder den Worten Beatrix von Storchs über eine mögliche Gruppierung "Muslime in der AfD". Statt die Wähler zu veralbern, wird offen gesprochen.

Ihr Abgeordneter Gottfried Curio, der den Antrag im Bundestags vorgestellt hat, brachte das in einer rhetorisch ausgefeilten Rede auf den Punkt. In acht Minuten breitete er das Repertoire islamfeindlicher Darbietungen aus – von Gewalt über Frauenfeindschaft bis zur Uninterpretierbarkeit des Korans. Ein Fest für Islamhasser. Den AfD-Wählern dürfte das Herz aufgegangen sein, die Fraktion beklatschte jede Ausführung enthusiastisch.

Ideologiefrei betrachtet, erscheinen Curios Ausführungen freilich in anderem Licht. Tatsächlich gibt es unter Muslimen all das, was er erwähnt hat: Terror, Ehrenmorde, Enthauptungen, Christenverfolgung und so weiter. Jeder Gläubige ist aufgerufen, in den eigenen Reihen dagegen Widerstand zu leisten.

Die AfD verallgemeinert

Aber sind solche zivilisatorischen Ausfälle wirklich die Regel, sodass man alle fünf Millionen Muslime in Deutschland dafür in Haftung nehmen muss? Rechtfertigt die Existenz von Gewalt wildfremder Menschen weltweit, Eltern und Großeltern in Deutschland zu potenziellen Verbrechern zu erklären, weil sie gläubige Muslime sind? Rechtfertigen die Ausschreitungen in Chemnitz eine Verurteilung aller Sachsen? In Chemnitz war die AfD die erste, die vor solchen Verallgemeinerungen gewarnt hat. An dieser Stelle erschließt sich mir die Argumentation der AfD nicht.

Darf man nicht stolz sein auf die deutsche Heimat, weil die Nazis den Patriotismus pervertiert und kriminalisiert haben? Muss man den Deutschen mithin das Deutschtum entziehen wie den Muslimen den Koran, weil es gewaltbereite deutsche Nationalisten gibt, die Brandsätze auf Flüchtlingsunterkünfte werfen, Ausländer angreifen, Terrorgruppen wie den NSU oder die Revolution Chemnitz gründen, schlimmste Verächtlichmachung im Netz betreiben? So etwas fordern vielleicht Linksextremisten, aber sind das nicht genau jene, die die AfD bekämpfen will?

Die Schwächen der Argumentation

Der AfD-Abgeordnete Curio sagt: Der Islam sei auch eine Gesellschaftsordnung. Aber wer legt diese Gesellschaftsordnung fest, wenn es keine oberste Autorität im Islam gibt? Der IS?

Curio sagt: Laut Kairoer Erklärung gebe es keine Verbrechen, außer den in der Scharia festgelegten. Aber wer hält sich an die Kairoer Erklärung? Ja, wer kennt sie überhaupt?

Curio sagt: Die Türkei sei eine Demokratie gewesen, bis Erdogan kam. Aber von 1960 bis 1997 gab es in der Türkei vier Militärputsche. Noch in den Neunzigern rangierte die Türkei in Deutschland auf Platz vier der zugangsstärksten Länder für Asylanträge nach Ex-Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien. Die EU warf der Türkei Demokratiedefizite vor und verzögerte so bis 2005 die Aufnahme der Beitrittsgespräche.

Curio sagt: Der Koran sei durch Interpretation nicht relativierbar, weil er das unmittelbare Wort Gottes sei. Interpretation heißt aber nicht, Wörter aus einem Text zu streichen oder neue einzufügen. Interpretation bedeutet zu erklären, was gemeint sein könnte. Der Text, um den es geht, ist immerhin mehr als 1.400 Jahre alt und stammt aus einer Zeit, die mit der Gegenwart in keiner Weise vergleichbar ist. Im Übrigen fällt kaum eine Textgattung in der islamischen Geschichte umfangreicher aus als die Koran-Interpretation (tafsir).

Jedem Satz lässt sich etwas entgegenstellen

Curio sagt: Es gehe nicht nur um Islamismus, sondern um Islam, denn laut Erdogan gibt es da keinen Unterschied. Gesetzt den Fall, Erdogan meint das so: Seit wann ist er eine Autorität im Islam, ein Papst? Ist er nicht vielmehr ein despotischer Politiker, ein skrupelloser Machtmensch in der Türkei? Und warum sollten sich arabisch- oder indonesischstämmige Muslime in Deutschland an das halten, was Herr Erdogan sagt?

Curio sagt: Zwei Drittel der Muslime hielten den Koran für wichtiger als die Landesgesetze. Gesetzt den Fall, diese statistische Aussage ist glaubhaft: In der Religion geht es um das Seelenheil, um das ewige Leben nach dem Tod. Was zählt dafür wohl mehr – der Koran oder das Bundes-Immissionsschutzgesetz? Wer den Koran für sich als wertvollste Schrift betrachtet, pfeift deshalb nicht automatisch auf die Landesgesetze.

Curio sagt: Eine Studie unter muslimischen Schülern in Niedersachsen zeige, 27 Prozent hielten die Scharia für besser als die deutschen Gesetze. 27 Prozent stehen hier für gerade mal 77 Schüler. Die Studienautoren selbst schreiben: "Die Fallzahlen sind daher eher gering." Wer wie Islamisten und Islamfeinde unter Scharia primär die Bestrafung von Ehebruch versteht, wird dennoch aufgeschreckt sein. Gewöhnliche Gläubige verstehen unter Scharia aber vor allem die Pflicht, sich Gott im Gebet zuzuwenden oder andere gerecht zu behandeln und Almosen zu geben.

Jedem einzelnen Satz in Curios Rede ließe sich auf diese Weise etwas entgegenstellen. Die Parteigänger interessiert das selbstverständlich nicht, solange die AfD nur ihre Islam- und Fremdenfeindlichkeit weiter bedient. Das Stirnrunzeln bleibt somit allen anderen vorbehalten: Etwa, als Curio Homophobie unter Muslimen geißelte, nur wenige Stunden bevor seine Kollegen dann einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der gleichgeschlechtlichen Ehe in den Bundestag einbrachten.

Das kannste dir alles nicht ausdenken.

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Publizistin. Ihr neues Buch heißt "Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben" und ist bei Piper erschienen. Sie können unserer Kolumnisten auch auf Facebook oder Twitter folgen.

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