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Verfassungsschutzbericht | Extremisten, Waffennarren und Spione


Verfassungsschutzbericht
Extremisten, Waffennarren und Spione


Aktualisiert am 24.07.2018Lesedauer: 4 Min.
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Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Innenminister Horst Seehofer: Im Bericht geht es um Extremisten und Spionage.Vergrößern des Bildes
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Innenminister Horst Seehofer: Im Bericht geht es um Extremisten und Spionage. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Der Verfassungsschutz hat seinen Bericht für 2017 vorgelegt. Er stellt fest, dass es mehr gewaltbereite Extremisten gebe. Entscheidende Informationen fehlen aber.

Die Verfassungsschutzämter der Bundesländer haben ihre Jahresberichte für 2017 teilweise schon vorgelegt. Jetzt folgt das Bundesamt. Präsident Hans-Georg Maaßen und Bundesinnenminister Horst Seehofer stellten den Bericht vor.

Die wichtigsten Informationen – und die wichtigsten fehlenden Angaben im Überblick:

1. Politisch motivierte Gewalt

Der Bericht stellt noch einmal Zahlen zu "Politisch motivierter Kriminalität" vor. Diese Zahlen erhebt allerdings nichts der Verfassungsschutz, sondern das Bundeskriminalamt. Sie sind auch schon bekannt. Trotzdem kurz die wichtigsten Zahlen: Das BKA registrierte 2017 genau 39.505 solcher Straftaten – fast 5 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch die Zahl der Gewalttaten ging deutlich zurück.

2. Die Größe von extremistischen Gruppen

Zu den eigentlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes gehört es, die verschiedenen extremistischen Szenen zu beobachten und auch, ihre Größe einzuschätzen. Demnach zählt der Verfassungsschutz:

Rund 24.000 Rechtsextremisten, 900 mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte, nämlich 12.700, hält er für gewaltorientiert. Sie seien, sagte Maaßen, "in der Fläche vertreten", regionale Schwerpunkte gebe es demnach keine.

Rund 29.500 Linksextremisten, 1.000 mehr als im Vorjahr, davon sollen 9.000 gewaltorientiert sein.

Rund 25.810 Islamisten, etwa 1.400 mehr als im Vorjahr. Wie viele davon genau gewaltbereit sein sollen, ist nicht explizit angegeben. Regionale Hotspots seien laut Maaßen Berlin, Frankfurt und Umgebung, Hamburg oder die Rhein-Ruhr-Region.

Rund 30.550 Mitglieder extremistischer Ausländerorganisationen ohne Islamisten; davon 18.050 Linksextremisten, die meisten gehören zur kurdischen PKK, und 11.000 Rechtsextremisten, die der Bericht anders als die Linksextremisten nicht genauer aufschlüsselt oder beschreibt. Angaben zur Gewaltorientierung fehlen.

Rund 16.500 Reichsbürger, von denen 900 Teil der Rechtsextremisten sind; die ideologische Verortung der übrigen nimmt der Bericht nicht vor, Maaßen ging auch in der Pressekonferenz auf eine Nachfrage hin nicht darauf ein. Im Vorjahresbericht war von 10.000 Reichsbürgern die Rede: Berichte, die Szene wachse massiv, sind dennoch falsch. Maaßen erklärte, man habe mittlerweile deutlich mehr Informationen. Man beobachtet die Reichsbürger also intensiver. Ob es wirklich mehr werden, ist unklar. Rund 7 Prozent der Reichsbürger haben einen Waffenschein.

3. Spionageabwehr

Der Verfassungsschutz ist auch für Spionageabwehr zuständig. Der Bericht führt vor allem russische, chinesische und iranische Geheimdienste auf, die auch Hacker-Angriffe durchführten. Die Zuordnung sei aber schwierig. Man habe nicht nur zahlreiche Cyber-Angriffe auf das Regierungsnetz festgestellt, sondern auch auf die Netzwerke der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU und Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD und auf 23 deutsche Universitäten. Gerade russische Dienste würden auch Propaganda verbreiten, heißt es im Bericht. Informationen über fortgesetzte Überwachung US-amerikanischer oder britischer Dienste habe man nicht, sagte Maaßen, der türkische Geheimdienst MIT mache aber Sorgen.

4. Was der Bericht nicht sagt

Der Bericht liefert viele Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Aber mit manchen Informationen muss man vorsichtig umgehen.

Wie beschrieben, fehlen einige Angaben zum Gewaltpotential von Islamisten und zur ideologischen Ausrichtung der verschiedenen Reichsbürger.

Im Bericht und während der Pressekonferenz war davon die Rede, "eine Reihe" von Anschlägen sei verhindert worden. Maaßen nannte etwa zwei Brüder in Mecklenburg-Vorpommern, die hochgenommen worden seien, einen Mann in Schwerin, der sich in die Luft habe jagen wollen, und den Mann aus Köln, der einen Anschlag mit Rizin geplant haben soll. Aber was genau "eine Reihe" bedeutet, wird aus dem Bericht nicht klar.

Insgesamt macht der Bericht keinerlei Angaben darüber, was es bedeutet, wenn Menschen als gewaltorientiert gelten oder was genau "Gewaltpotential" bedeutet. Straßenkampf mit Fäusten, Brandanschläge auf Autos oder Bereitschaft zum Mord oder Bombenanschläge fallen in eins. Welche konkreten Gefahren aus verschiedenen Gruppen entstehen, geht aus dem Bericht nicht wirklich hervor.

Ähnliches gilt für die Folgen. Im Bericht heißt es, bei den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg seien "über 200 Einsatzkräfte zum Teil schwer verletzt" worden. Seehofer sagte sogar, es seien mehr als 230 gewesen. Kurz nach dem Gipfel war noch von 476 verletzten die Rede, damals recherchierte das Nachrichtenportal "Buzzfeed" nach und stellte fest, dass nur sieben Beamte stationär in einem Krankenhaus behandelt werden mussten und dass diese sieben zwei Wochen danach das Krankenhaus alle verlassen hatten. Der Bericht liefert also an einigen Stellen keine qualitativen Informationen, die Zahlenangaben erst wirklich informativ machen würden.

Während der Pressekonferenz erklärte Maaßen, der deutsche Ableger der türkischen Regierungspartei AKP, die UETD, werde beobachtet, weil sie eine "nationalistische" Organisation sei und daher nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar. Offenkundig nationalistische Teile innerhalb der AfD, wie den "Flügel" um Björn Höcke, beobachtet der Verfassungsschutz aber nicht. Auch die Identitäre Bewegung wird nur als "Verdachtsfall" gelistet, während auf der linken Seite gleich mehrere Arbeitsgruppen von "Die Linke" beobachtet werden.

Der Bericht stellt zwar fest, dass weniger Rechtsextreme in Parteien organisiert seien; mögliche Extremisten unter den 30.000 Mitgliedern der AfD fallen aber komplett durchs Raster, sofern sie nicht durch ihre Mitgliedschaft in anderen Organisationen auffallen.

Verwendete Quellen
  • Verfassungsschutzbericht
  • Pressekonferenz zum Bericht
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