Deutschland ESM: Verfassungsrichter geraten unter Druck
Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge gegen die Gesetze zur langfristigen Euro-Stabilisierung warnen Politiker vor den Folgen eines Scheiterns und setzen damit die Verfassungsrichter unter Druck.
Der FDP-Vorsitzende im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, bezweifelte sogar die Urteilsfähigkeit der höchsten deutschen Richter: "Manche Beobachter kritisieren zu Recht, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht mit allen Vorgängen in Europa ausreichend vertraut sind. Deshalb kommt es gelegentlich zu Fehleinschätzungen aus Unkenntnis."
"Das ist besorgniserregend, schließlich wird so der größte Mitgliedsstaat Europas in seinem Handeln eingeschränkt", sagte der Chef der zwölf FDP-Europaabgeordneten der "Passauer Neuen Presse".
"Schwerer Schlag für Europa"
Lambsdorff sagte weiter, sollte das Bundesverfassungsgericht die Maßnahmen zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung aufhalten, wäre das "nicht nur eine Bauchlandung für die Bundesregierung. Es wäre ein schwerer Schlag für ganz Europa".
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte am Wochenende ebenfalls vor gravierenden Folgen nicht nur für Deutschland gewarnt, sollten ESM und Fiskalpakt scheitern. "Deswegen habe ich keinen Zweifel, dass das Bundesverfassungsgericht auch diese Zusammenhänge in die eigene Urteilsbildung einbeziehen wird", sagte er.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle machte deutlich, dass er eine schnelle und positive Entscheidung des Gerichts erwartet. SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich in der ARD überzeugt, dass das Gericht die gemeinsam verabschiedeten Gesetze nicht inhaltlich beanstanden wird, sondern höchstens wegen des von der Regierung gewählten Gesetzgebungsablaufs mit hohem Zeitdruck.
Schulz zieht Urteilsvermögen der Richter in Zweifel
Vergangene Woche hatte auch der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz (SPD) kritisiert, die Urteile der Verfassungsrichter seien "teilweise von großer Unkenntnis geprägt."
Auch Bundespräsident Joachim Gauck hatte sich am Wochenende in die Debatte eingeschaltet und an die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) appelliert, die umstrittenen Maßnahmen zur Euro-Rettung besser zu erklären. "Sie hat nun die Verpflichtung, sehr detailliert zu beschreiben, was das bedeutet, auch fiskalisch bedeutet", sagte Gauck.
Die SPD unterstützte diese indirekte Kritik. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, ein Kritiker des ESM, nahm Merkel aber in Schutz. "Seit Ausbruch der Krise hat die Bundeskanzlerin ihre Politik immer wieder erklärt und in einen historischen europapolitischen Kontext gestellt", sagte er dem "Tagesspiegel".
Karlsruhe befasst sich am Dienstag mit den Eilanträgen gegen die deutschen Gesetze zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt. Die Kläger, darunter die Linksfraktion im Bundestag und die Initiative "Mehr Demokratie", wollen verhindern, dass der Bundespräsident die Gesetze unterzeichnet. Bis dahin liegt der mit 700 Milliarden Euro Stammkapital ausgestattete ESM auf Eis.
Mit einer endgültigen Entscheidung der Richter wird noch im Juli gerechnet.