Chaos in erster Landtagssitzung Thüringer AfD verliert vor Verfassungsgericht
Die CDU kann vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof einen Erfolg verbuchen. AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler muss eine Abstimmung zulassen.
Im Streit mit dem AfD-Alterspräsidenten Jürgen Treutler über den Ablauf der Thüringer Landtagssitzung hat die CDU-Fraktion vor dem Verfassungsgerichtshof in mehreren Punkten Erfolge erzielt. Die höchsten Thüringer Richter erließen auf CDU-Antrag eine einstweilige Anordnung, an die sich der Alterspräsident halten muss. Demnach dürfen die Abgeordneten noch vor der Wahl eines Landtagspräsidenten eine Tagesordnung beschließen. Treutler hatte dies in der konstituierenden Sitzung nicht zulassen wollen, die CDU zog deshalb vor den Landesgerichtshof.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof verpflichtete den Alterspräsidenten des Thüringer Landtags dazu, die Neufassung der Tagesordnung vom 19. September im Plenum zur Abstimmung zu stellen. Das gab das Gericht am späten Freitagabend bekannt.
An diesem Samstag um 9.30 Uhr unternimmt der Thüringer Landtag erneut den Versuch, die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu ermöglichen und einen Parlamentspräsidenten zu wählen. Dies hatte die CDU beantragt.
Richter geben korrekten Ablauf vor
Treutler hatte die Ablehnung der Debatte um die Tagesordnung damit begründet, dass der neue Landtag endgültig erst mit der Wahl des Landtagspräsidenten konstituiert sei und sich erst danach mit Anträgen zur Geschäftsordnung befassen könne. Dieser Argumentation widersprach der Verfassungsgerichtshof.
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Das Gericht machte auch klar, dass die Rechte eines Alterspräsidenten begrenzt seien. "Das Amt des Alterspräsidenten entspringt allein der Notwendigkeit, dass ein neu gewähltes Parlament noch über keine Leitungsorgane verfügt und sich zunächst eine Binnenorganisation geben muss. Das Amt des Alterspräsidenten hat daher die Funktion eines vorläufigen Leitungsorgans", heißt es in dem Beschluss.
In ihrem Beschluss gaben die Verfassungsrichter auch eine Art Regieanweisung zum Ablauf der Sitzung: Treutler muss demnach die vorläufigen Schriftführer ernennen, die Beschlussfähigkeit des Landtags feststellen und die von der bisherigen Landtagspräsidentin vorgelegte Tagesordnung von Mitte September zur Abstimmung stellen. Anschließend soll die Sitzung in der Reihenfolge der beschlossenen Tagesordnung fortgesetzt werden.
Richter: Verfassung gibt keine Reihenfolge vor
Nach Ansicht der Richter trifft die Thüringer Verfassung keine Regelung zur Reihenfolge der einzelnen Konstituierungshandlungen. "Sie gibt insbesondere nicht vor, dass die Wahl des Landtagspräsidenten noch vor dem Beschluss einer Geschäftsordnung zu erfolgen hat. Die Abgeordneten haben aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten Parlaments- und Geschäftsautonomie das Recht, auch in der konstituierenden Sitzung über die Tagesordnung zu bestimmen und dabei sowohl die Gegenstände als auch die Reihenfolge der Tagesordnung festzulegen", heißt es in dem Beschluss. Damit sei auch eine Debatte und Beschlussfassung über eine Änderung der Geschäftsordnung bereits vor der Wahl des Landtagspräsidenten zulässig.
"Der Verfassungsgerichtshof hat die Rechtsauffassung der CDU-Fraktion vollumfänglich bestätigt. Der AfD-Alterspräsident ist verpflichtet, den Landtag arbeitsfähig zu machen, die von mir geforderte Feststellung der Beschlussfähigkeit durchzuführen und die Tagesordnung abzustimmen", schrieb CDU-Fraktionschef Andreas Bühl nach Bekanntwerden der Entscheidung auf der Plattform X.
"Das Gericht hat das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Alterspräsidenten eindeutig festgestellt und den Alterspräsidenten verpflichtet, so zu verfahren, wie es die Parlamentsmehrheit verlangte. Die Entscheidung des Gerichts setzt klare Leitplanken, um einen Landtagspräsidenten zu wählen und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlaments herzustellen. Damit sind alle Voraussetzungen für einen geordneten parlamentarischen Ablauf erfüllt", schrieb die CDU-Fraktion in Thüringen in einer Mitteilung.
Die SPD reagierte erleichtert auf die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichts zum Prozedere bei der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags in Erfurt. "Ich bin erleichtert über die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichts. Die AfD muss das Urteil jetzt vollumfänglich akzeptieren", sagte Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, dem "Spiegel". "Wir können von Glück reden, dass der Rechtsstaat funktioniert – die AfD kann sich nicht einfach über unsere demokratischen Regeln hinwegsetzen."
Regelung über mehrere Kandidaten verletzt Verfassungsrecht nicht
Die CDU hat für das Amt des Landtagspräsidenten ihren Abgeordneten Thadäus König als Kandidaten nominiert. Die AfD schlug die Abgeordnete Wiebke Muhsal vor.
Bisher liegt das Vorschlagsrecht bei der stärksten Fraktion, die in Thüringen erstmals in einem Landesparlament von der AfD gestellt wird. CDU, BSW, Linke und SPD haben bereits angekündigt, dass sie keinen AfD-Kandidaten in das zweithöchste Staatsamt in Thüringen wählen werden.
Die AfD mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke ist vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und wird beobachtet. Einen der vier Landtagsvizeposten soll aber auch die AfD beanspruchen können, machte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, deutlich.
- Pressemeldung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP