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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Energie-Talk bei Lanz Worauf Deutschland laut Habeck "problemlos" verzichten kann
Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach mit Lanz über die Lage bei der Energieversorgung. Bei der Frage nach dem Duschen wimmelte der Grüne ab.
Was passiert, wenn Putin nach den Wartungsarbeiten am 11. Juli Gaslieferungen über Nord Stream 1 einstellt und wie teuer wird die Energiekrise noch? Fragen wie diese diskutierte Markus Lanz in der Nacht zum Donnerstag mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Die Gäste:
- Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister
- Elmar Theveßen, Journalist
Eines wurde der Vizekanzler dabei nicht müde zu betonen: Die Bundesregierung setze alles daran, dass der Energiemarkt nicht "umkippt". "Das wird nicht passieren", versprach Habeck bei Lanz. Das große Bestreben, die Volkswirtschaft zu stabilisieren, sei auch der Grund dafür, dass Hilfen für den in Not geratenen Energiekonzern Uniper diskutiert würden. Um "altruistische Politik" gehe es dabei nämlich nicht, stellte Habeck klar.
"Wir werden verhindern, dass der deutsche und der europäische Energiemarkt durch das Kollabieren eines Unternehmens ins Chaos gerät", so Habeck. Wie viel Geld zu diesem Zweck an Juniper fließen könnte, wollte der Wirtschaftsminister nicht preisgeben.
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Uniper spielt eine zentrale Rolle für die deutsche Energieversorgung und beliefert viele Stadtwerke. Berichten zufolge verzeichnet das Unternehmen derzeit rund 900 Millionen Euro Verlust pro Monat. Dass die drastisch erhöhten Gaspreise, zu denen Uniper derzeit importieren muss, am Ende doch an die Endverbraucher weitergegeben werden, konnte Habeck nicht ausschließen.
"Das sind extrem scharfe Schwerter"
"Diese Möglichkeit besteht, wir haben sie uns geschaffen", erklärte er unter Verweis auf das jüngst erweiterte Energiesicherungsgesetz. Darüber hinaus hätten Politiker die Möglichkeit eines Umlagesystems geschaffen, durch das höhere Preise breiter getragen würden. "Das sind extrem scharfe Schwerter", sagte Habeck bei Lanz über diese möglichen Maßnahmen. Er hoffe deswegen, dass er sie nicht oder nur sehr wenig anwenden müsse.
Das Energiesicherungsgesetz nannte der Grüne ein "mächtiges und brandgefährliches Instrument." Er fügte jedoch hinzu: "Wir sind in einer Situation, in der wir uns die Instrumente geben müssen." Die Aussicht sei derzeit "nicht sonnig".
Antwort auf Kubickis Strick-Befürchtungen
FDP-Vize Kubicki hatte Habeck jüngst für eine seiner Meinung nach zu düstere Darstellung der aktuellen Situation kritisiert. Man dürfe "den Leuten nicht das Gefühl vermitteln, im Winter wird’s kalt und dunkel und sie müssen jetzt anfangen, Pullover zu stricken", hatte Kubicki in einem Interview mit der "Welt" gesagt.
Bei Lanz erklärte Habeck dazu gelassen, dass es im Winter aufgrund von Naturgesetzen eben kalt und dunkel sei und einige Menschen eben Pullover strickten. Die Ernsthaftigkeit der Situation solle seiner Meinung nach nicht beschönigt werden. Darüber hinaus erklärte der Grüne: "Kubicki im Pullover – er wird es auch überleben."
Volle Gasspeicher sind Priorität
Mit Blick auf den Winter betonte Habeck, dass es nach wie vor die Priorität der Bundesregierung sei, die Gasspeicher bis dahin zu füllen. Ein Schritt in diese Richtung sei das bewusste Einsparen von Energie. Bei Lanz sprach Habeck in der Nacht zum Donnerstag auch von "Verzicht" und gab zwei Beispiele.
"Wir können gut darauf verzichten, Freibäder auf 28 Grad zu heizen", erklärte der Wirtschaftsminister. "Wenn Deutschland nicht erträgt, dass Freibäder nicht geheizt sind, haben wir in Wahrheit kein Problem", so der Grüne weiter.
Außerdem tue es dem Wohlstand keinen Abbruch, wenn Großbäckereien nicht den ganzen Tag über neue Ware backten, nur um bis abends ein komplettes Sortiment im Angebot zu haben. Den Verzicht auf diesen Luxus könne man "problemlos zumuten", so Habeck.
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Keine Antwort auf eigene Duschgewohnheiten
Darauf angesprochen, ob er seine Duschgewohnheiten noch weiter verkürzt habe, um Energie zu sparen, wollte Habeck jedoch nicht eingehen. "Es gibt doch interessantere Sachen als wie lange ich dusche", antwortete er Lanz schlicht.
Auch darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz in einem ARD-Interview jüngst keine praktischen Energiespartipps geben wollte, ging Habeck nicht weiter ein. Er erklärte schlicht: "Olaf Scholz ist die Dramatik der Lage komplett bewusst. Dem muss keiner sagen, dass Gas ein knappes Gut ist."
Sorge über möglichen Gasstopp Ende Juli
Nicht ohne Sorgen blickt Habeck derweil auf den 21. und 22. Juli, wenn die Wartungsarbeiten von Nord Stream 1 rund zehn Tage nach Beginn abgeschlossen sein sollen. Dann wird sich herausstellen, ob Putin den Gashahn ganz zudreht.
Was würde das für Deutschland bedeuten? Zu einer Gas-Triage käme es dann noch nicht direkt, erklärte Habeck bei Lanz. Stattdessen werde erst einmal dafür gesorgt, dass der Gasverbrauch weiter zurückgehe.
Wo Freiwilligkeit nicht mehr genug sei, könnten gesetzliche Einsparungen vorgeschrieben werden. Ob und welche Unternehmen kein Gas mehr bekommen, würde – sollte Russland kein Gas mehr liefern – erst im Winter entschieden werden müssen. "Das muss verhindert werden", erklärte Habeck jedoch entschieden.
Habeck: Deutschland kann auch ohne Nord Stream 1 handeln
Eine Kompensation über die Märkte sei Deutschland bereits gelungen, nachdem Putin die Gaslieferungen gedrosselt hatte, so Habeck. Auch wenn Nord Stream 1 abgestellt werden sollte, könne Deutschland noch handeln, so der Wirtschaftsminister.
Nicht wenige Beobachter vermuten, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 nutzen könnte, um den Handel auf der Route ganz zu beenden.
- Markus Lanz vom 6. Juli 2022
- handelsblatt.de: "Deutschlands größter Gas-Importeur bittet um Staatshilfe"