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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wahltalk bei "Anne Will" "Ich sage voraus, dass Olaf Scholz überhaupt nichts zu melden hat"
Bei Anne Will wurde anhand der jüngsten Wahlumfragen über Koalitionsoptionen spekuliert. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bemühte das rot-rot-grüne Schreckgespenst, SPD-Vize Kevin Kühnert warb für ein anderes Modell.
Da bei Beginn der gestrigen "Anne Will"-Ausgabe noch das RTL-Triell mit den Kanzlerkandidaten im Gange war und Robert Habeck und Markus Söder sich bereits am Vorabend in der Wahlkampfdebatte von t-online, "Spiegel" und Vice verausgabt hatten, konnte die Moderatorin bei ihrer Rückkehr aus der Sommerpause nicht die allererste Garde der deutschen Politik begrüßen. Spannend war die Runde, die sich zum Thema "Wählen in Krisenzeiten – wem trauen die Deutschen das Kanzleramt zu?" eingefunden hatte, dennoch. Denn mit Kevin Kühnert war genau jener SPD-Politiker vertreten, über den Armin Laschet jüngst gemutmaßt hatte, seine Partei verstecke ihn, damit er nicht sagen könne, was er eigentlich vorhabe: mit der Linkspartei zu regieren.
Die Gäste
- Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär
- Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Vorsitzender
- Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundestagsabgeordneter
- Jana Hensel, "Zeit"-Autorin
- Christiane Hoffmann, "Spiegel"-Autorin
In diese Kerbe schlug denn auch umgehend Paul Ziemiak. Im linken Flügel der SPD, der in der Mehrheit sei, gebe es "den Wunsch, natürlich mit den Linken zusammen eine Regierung zu bilden, das ist doch der klare Plan". Und er wagte eine Prognose: "Frau Will, ich sage Ihnen heute voraus, dass Olaf Scholz überhaupt nichts zu melden hat. Wenn es eine Mehrheit gibt für eine Koalition zwischen der SPD und den Linken mit den Stimmen der Grünen, dann wird es diese Regierungskoalition geben. Dann wird es eine Linksregierung in diesem Land geben." Sein dramatisches Fazit: "Und dann verspielen wir alles."
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"Der erfahrenste Regierungspolitiker, den wir haben"
Als "grandiosen Quatsch" bewertete Kevin Kühnert die Ausführungen des CDU-Generalsekretärs. Nachdem er noch einmal dargelegt hatte, warum er Olaf Scholz zwar 2019 nicht als Parteichef wollte ("die Partei brauchte zu diesem Zeitpunkt Vorsitzende, die nicht im Bundeskabinett eingebunden waren"), sehr wohl aber jetzt als Kanzler ("der erfahrenste Regierungspolitiker, den wir in der Partei haben"), holte er zum Konter aus: "Wer ernsthaft glaubt, den Leuten weismachen zu können, dass mit Olaf Scholz – ich wiederhole: Olaf Scholz – die kommunistische Gewaltherrschaft in Deutschland einzieht, der ist ein bisschen falsch gewickelt", so der stellvertretende SPD-Vorsitzende.
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"Sehr, sehr durchschaubar" fand auch "Spiegel"-Autorin Christiane Hoffmann die Wiederbelebung der "Rote Socken"-Kampagne, wenngleich sie als "Möglichkeit zu mobilisieren bis zu einem gewissen Grad funktionieren" könne. Dass das besonders im Osten der Fall sein könnte, glaubte die "Zeit"-Autorin Jana Hensel nicht. Ihrer Einschätzung nach sehe man dort vor allem, "dass der Kandidat Söder fehlt", für den sich die Ost-CDU ausgesprochen habe.
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Andere Kandidaten seien bessere Wahl gewesen
Ohnehin war sie der Meinung, dass sowohl die Unionsparteien als auch die Grünen besser ihren jeweiligen Alternativ-Kandidaten nominiert hätten. Im Fall der Grünen hätte sie sogar einen nachträglichen Wechsel zu Robert Habeck im Zuge der Baerbock’schen Plagiatsaffäre für richtig gehalten.
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Zur Verteidigung der grünen Kanzlerkandidatin war Cem Özdemir im Studio. Auf Anne Wills Frage, ob Annalena Baerbock überhaupt noch im Rennen sei, erklärte er, gerade beim Triell sei doch wieder deutlich geworden: "Die kann es." Er verwies darauf, dass er selbst als Spitzenkandidat vor vier Jahren 8,9 Prozent geholt habe, weshalb die aktuellen Umfragezahlen von um die 20 Prozent immer noch ein Erfolg seien. Außerdem seien SPD und CDU mit etwa zwei Prozent mehr weiterhin "within reach", in Reichweite.
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Rot-Rot-Grün bezeichnete er als "virtuelle Option, keine reale", da die Linkspartei mit ihrem Abstimmungsverhalten im Bundestag zur jüngsten Afghanistan-Mission der Bundeswehr gezeigt habe, dass sie "außenpolitisch nicht regierungsfähig" sei. Zu dem klaren Satz, eine Koalition mit der Linkspartei auszuschließen, war er aber trotz allen Werbens der Moderatorin ("das wär jetzt ’ne Neuigkeit, Herr Özdemir") nicht zu bewegen.
Umfrage zu Koalitionsoptionen
Schließlich präsentierte Anne Will noch eine Umfrage, nach der 37 Prozent der Befragten eine SPD-geführte Ampelkoalition gut fänden – und genauso viele eine rot-rot-grüne Koalition. Der einzige Unterschied: die rot-rot-grüne stieß mit 47 Prozent auf eine höhere Ablehnung (Ampel: 41 Prozent). "Das sind Zahlen, die ich tatsächlich nicht verstehe", räumte Paul Ziemiak ein und wurde verschwurbelt-pathetisch: "Nie wieder" dürfe "auf deutschem Boden so ein Gedankengut wie das der Linkspartei in der Bundespolitik Einfluss nehmen".
Kevin Kühnert indes inspirierte "das Geheimnis der Zahlen, die Sie eben gezeigt haben", wegen des in beiden Modellen enthaltenen Kerns zu einer lange nicht mehr so formulierten Koalitionspräferenz. Gefragt, ob er Rot-Rot-Grün einer Ampel mit der FDP vorziehen würde, erklärte er: "Mir ist was Drittes lieber." Eine rot-grüne Mehrheit sei doch in "greifbarer Nähe", nur noch "drei, vier Prozentpunkte entfernt".
- "Anne Will" vom 29.8.2021